Quartiersentwicklung in Frankfurt wie aus einem Guss

Die Investitionen in die Umgestaltung der Heinrich-Lübke-Siedlung in Frankfurt am Main haben sich gelohnt. Die Sanierung der Gebäude aus den 1970er-Jahren erfolgte mit Passivhauskomponenten und reduziert den Energieverbrauch. Ein Neubau garantiert die Nahversorgung der Bewohner.

Die Heinrich-Lübke-Siedlung im Stadtteil Praunheim im Nordwesten von Frankfurt am Main wurde in den 1970er-Jahren gebaut und galt mit ihren zum Teil achtgeschossigen Wohnhäusern als typisch industriell vorgefertigte Großsiedlung. Als Teil des Modellprojekts Neues Wohnen in Frankfurt wurde sie von 2010 bis 2014 umfassend umgebaut und saniert, um ein lebenswertes Wohnumfeld zu schaffen.

Vor der Sanierung zeigte sich die Siedlung in ihrer Beton-Tristesse mit leer stehenden Läden und dunklen Ecken als ein wenig einladendes, teilweise regelrecht angstbesetztes und in den Medien zum „Problem“ erklärtes Quartier. Der Umbau und die Sanierung ist eine Maßnahme des Stadtentwicklungsprojekts „Frankfurt für alle“, das „Handlungsperspektiven für die internationale Bürgerstadt Frankfurt am Main“ aufzeigte. Es zielte auf eine Verdichtung und qualitative Verbesserung von Frankfurter Siedlungen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden sind.

Die Siedlung am Rande des Niddatal-Parks orientiert sich in ihrer Gestaltung an der organischen Struktur des Parks und des Flussverlaufs. Damit bildet sie einen Kontrast zu den angrenzenden Ernst-May-Siedlungen. Es galt, bei der Neugestaltung Sichtbezüge wiederherzustellen, um die Orientierung innerhalb der Siedlung zu gewährleisten. Ungepflegtes Buschwerk und „dunkle, uneinsichtige Ecken“ wurden entfernt, um so das Sicherheitsempfinden der Bewohner zu stärken.

Bewohner melden ihre Wünsche an

Um für die rund 2000 Bewohner der Heinrich-Lübke-Siedlung ein angenehmes Lebensumfeld zu schaffen und die Nahversorgung in der Umgebung zu sichern, wurde das Büro Jo. Franzke Generalplaner als Teil von Sweco Architects mit der Neuordnung der „Kopfbebauung“ betraut. Diese Maßnahme war entscheidend für die Aufwertung der Siedlung und umfasste die energetische Sanierung eines siebengeschossigen Bestandswohngebäudes sowie den Neubau eines Ladenzentrums und eines Wohnhauses mit sechs Stockwerken in Passivbauweise.

Eine Besonderheit des Projektes war, dass die Bewohner eng in den Planungsprozess eingebunden wurden und ihre Vorstellungen einbringen konnten. Diese Maßnahme wurde in der Siedlung gut angenommen und brachte zahlreiche Resultate, die in der Umsetzung berücksichtigt wurden.

Der neue Supermarkt und der neue Wohnriegel bilden zusammen das Entree zur Siedlung. Sie umschließen einen terrassenartigen Platz, der in einer großen Treppe mündet. Diese Treppenanlage verbindet den Platzraum mit der tiefer gelegenen Siedlung und bietet zugleich einen Ausblick auf das Niddatal. Ein lebendiges Quartierszentrum ist entstanden, ein Ort zum Einkaufen, um sich zu treffen und zum Verweilen. Insbesondere ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen profitieren jetzt von der Nahversorgung direkt vor Ort. Den äußeren Rahmen bilden der sanierte und der neue Wohnblock, denn beide sind gestalterisch aufeinander abgestimmt. Ihre Architektur erscheint klar und hochwertig, sie sind streng gegliedert und wirken zusammen mit dem Supermarkt wie aus einem Guss.

Größere Fenster nutzen die Solarenergie

Die Sanierung der Bestandsbauten erfolgte unter energetischen Aspekten. Die Fassaden wurden entsprechend ihrer Ausrichtung unterschieden. Die Fensterflächen der nach Süden ausgerichteten Fassaden wurden vergrößert (Öffnungsflächenanteil bis 41 %), um die Solarenergie bestmöglich nutzen zu können. Im Sommer bieten die vorgestellten Balkone ausreichenden Sonnenschutz. Aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen erfolgte die Sanierung mit Passivhauskomponenten. Eine komplett das Gebäude umlaufende Dämmebene sowie eine luftdichte Hülle wurden ausgebildet. Eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung wurde im haustechnischen Konzept berücksichtigt.

Auch die Neubauten wurden im Passivhausstandard errichtet. Die Baukörper wurden so gut es geht nach Süden ausgerichtet. Auf eine geringe Verschattung der Baukörper untereinander wurde geachtet. Die Öffnungsflächenanteile sind auch hier entsprechend der Ausrichtung optimiert. Vorgestellte Loggien bieten im Sommer ausreichend Sonnenschutz und eine hohe Wohnqualität.

Das Quartierszentrum in der Heinrich-Lübke-Siedlung wurde 2014 in Wiesbaden im Rahmen des Architekturpreises „Vorbildliche Bauten im Land Hessen“ ausgezeichnet. Die Jury lobte in ihrer Begründung unter anderem die hochwertig detaillierte neue Wohnbebauung und die gute Einbindung der Siedlung in das Umfeld.

Die umgestaltete Siedlung erfreut sich mittlerweile großer Beliebtheit bei den Be- und Anwohnern. Durch den Nahversorger ist sie gut frequentiert, auch das Eiscafé trägt zur Belebung des Platzes bei. Die Treppenanlage wird rege von Kindern genutzt, die sich dort aufhalten und spielen. Die Investitionen in eine Umgestaltung und Sanierung der einst wenig einladenden Siedlung haben sich bezahlt gemacht.

Ina Brandes

Die Autorin
Ina Brandes ist Geschäftsführerin des Architektur- und Ingenieurdienstleistungsunternehmens Sweco mit Deutschlandsitz in Bremen