Die Flutkatastrophe 2021 hat in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen tiefe Spuren hinterlassen – und soll Wirkung für die Zukunft entfalten: Ein Forschungsprojekt hat das Hochwasserereignis aufgearbeitet und soll damit Unterstützung sowie Praxishinweise für Kommunen liefern.

Für Kommunen, die nach einem Hochwasserereignis mit dem Wiederaufbau befasst sind, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) einen Praxisleitfaden mit Strategien und Beispielen herausgegeben. Das Besondere daran: Der Leitfaden präsentiert Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen von 13 Verbundpartnern des Forschungsverbundvorhabens KAHR (Klimaanpassung, Hochwasser, Resilienz).
In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt begleiteten die Verbundpartner den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe 2021 in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen wissenschaftlich. Zudem unterstützten sie die betroffenen Kommunen mit fachlicher Expertise.
Praxisleitfaden zum Wiederaufbau nach Hochwasser
Der Leitfaden deckt die gesamte Bandbreite an Themen ab, denen sich die Wiederaufbauregionen nach einer Hochwasserkatastrophe gegenübersehen. Gleichzeitig gibt der Leitfaden fundierte Einblicke in die Verwaltungspraxis und in den aktuellen Stand der Forschung.
Eine der wichtigsten Handlungsempfehlungen findet sich bereits im Titel des Leitfadens: „Chance für Veränderung“. So katastrophal das Flutereignis in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2021 war, so wichtig ist die Erkenntnis, dass die betroffenen Kommunen anders und vor allem besser wiederaufbauen müssen, damit ein nächstes Hochwasserereignis die Städte und Gemeinden nicht noch einmal mit derselben Wucht trifft. „Building Back Better“ – besser wieder aufbauen – ist das Gebot der Stunde.
Gut vorbereitete Verwaltung
Die kommunale Verwaltung muss vom ersten Tag des Wiederaufbaus an handlungsfähig sein. Ob die Einrichtung einer Stabstelle das richtige Vorgehen ist oder die Gründung einer Wiederaufbaugesellschaft – jede Kommune wird das für sich erst in der Krise beantworten können.
In ruhigen Zeiten den Krisenfall zu proben, kann sich bei einem späteren Ereignis bezahlt machen. Dazu gehören auch die rechtzeitige Vernetzung mit Expertinnen und Experten sowie der Erfahrungsaustausch mit Kommunen, die in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit Hochwasser gemacht haben. So kann im Katastrophenfall schnell auf Fachexpertise und kollegiale Beratung zurückgegriffen werden.
Vielseitiger Hochwasserschutz
Der verbesserte technische, natürliche und operative Hochwasserschutz zählt zu den wichtigsten Zielen des Wiederaufbaus. Hochwasserangepasste Brückenbauweisen, Hochwasserrückhaltebecken, Renaturierungen und multifunktionale Überschwemmungsflächen sind ebenso Elemente eines verbesserten Hochwasserschutzes wie verlängerte Vorwarnzeiten im Krisenfall. Dafür ist nicht zuletzt eine intensive interkommunale Zusammenarbeit wichtig, damit Kaskadeneffekte vermieden werden und das gesamte Flusseinzugsgebiet profitieren kann.
An lokaler Identität festhalten
„Building Back Better“ heißt auch: Bewährtes erkennen, bewahren und als Vorbild ansehen. Die historischen Stadtkerne sind hierfür ein gutes Beispiel. Während der Flutkatastrophe 2021 haben sich historische Gebäude vielerorts als widerstandsfähiger erwiesen als beispielsweise die Gebäudesubstanz der Nachkriegszeit. Gleichzeitig sind sie prägend für die lokale und regionale Identität.
Im Wiederaufbau werden daher besonders die Denkmale zu wichtigen Ankerpunkten in einem sich verändernden Stadtbild. Sie vermitteln der Bevölkerung ein Stück Heimat in einem Bild der Zerstörung.
Mehr als „nur“ materieller Schaden
Nicht nur Siedlungsstrukturen und Kulturlandschaften haben sich bei der Flutkatastrophe 2021 als vulnerabel erwiesen. Die Gesellschaft war und ist es ebenfalls. Das Erlebte reißt tiefe Furchen in die Biografien der Betroffenen. Wichtig ist, dass die Menschen sofortige Unterstützung in Form von Beratung, Betreuung und finanzieller Förderung erfahren.
Auf die Bevölkerung in benachteiligten Quartieren ist ein besonderes Augenmerk zu richten, damit sich soziale Missstände durch die Katastrophe nicht weiter verschärfen. Ansprechpartner, die mehrsprachig aufklären, sollten ebenso wie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sofort zur Stelle sein. Soziale Einrichtungen im Gebiet sollten schnellstmöglich wiedereröffnen.
Außerdem braucht es Orte für das gemeinsame Erzählen, Reflektieren und Erinnern. Dazu gehören auch Angebote für diejenigen, die nach dem Ereignis und oft noch Jahre später an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden.
Angesichts des schnell voranschreitenden Klimawandels ist klar: Nur ein resilienter Wiederaufbau beugt dem nächsten Ereignis vor. Auch Kommunen, die bislang von einer Flutkatastrophe verschont wurden, sind gut beraten, in präventive Maßnahmen zu investieren. Das fängt bei einer gesteuerten Siedlungsentwicklung außerhalb von Gefahrenlagen an und hört noch längst nicht bei hochwasserangepassten Gebäuden auf.
Sicherer – und auch günstiger
Eine klimagerechte Stadtentwicklung sollte für Kommunen das Leitbild sein. Denn es ist nicht nur die Hochwassergefahr, die droht. Ebenso nehmen Starkregenereignisse, Hitzewellen und Dürreperioden zu.
Sich gegen die negativen Folgen des Klimawandels zu wappnen und in Prävention zu investieren, ist weitaus kostengünstiger, als die verheerenden Schäden nach einem Katastrophenereignis beseitigen und anschließend in zukunftsfähige Siedlungsstrukturen investieren zu müssen.
Daniela Michalski
Die Autorin
Dipl.-Ing. Daniela Michalski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu).
Praxistipps für Kommunen
Im Rahmen des BMBF-Verbundprojekts KAHR (Klimaanpassung, Hochwasser, Resilienz) begleitet das Deutsche Institut für Urbanistik den Wiederaufbau der Flutgebiete in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Dabei ist ein Praxisleitfaden für Kommunen entstanden, die nach einem Hochwasserereignis mit dem Wiederaufbau befasst sind: „Nach der Flutkatastrophe: Chance für Veränderung“.



