Peter Hauk: „Schnelle Lösungen im Holzbau“

Moderner Holzbau steht für hohe Ausführungsqualität. Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, beleuchtet im Interview diesen und weitere Vorzüge des Werkstoffs Holz. Er bewertet die Bedeutung des Brandschutzes und erörtert die Rolle der öffentlichen Hand.

Herr Minister, Baden-Württemberg hat Ihren Worten zufolge das holzfreundlichste Baurecht in Deutschland. Wodurch hebt es sich von anderen Landesbauordnungen (LBO) ab?

Hauk: Das Gebot der Kapselung von brennbaren Baustoffen, das heißt von Holzbauelementen haben wir in Baden-Württemberg gelockert. Dadurch wird der Holzbau wirtschaftlicher und man darf nun endlich auch Holz in unseren Wohn- und Arbeitsräumen aber auch in öffentlichen Gebäuden sehen und erleben. Dabei nehmen wir dennoch keine Kompromisse hinsichtlich des Brandschutzes in Kauf. Andere Länder, wie Hamburg und Berlin, haben mittlerweile nachgezogen. Vorreiter des Holzbaus sind aber wir und diesen Status wollen wir auch weiter ausbauen. Die nächste Novellierung der LBO steht unmittelbar bevor.

Welche Neuerungen sind vorgesehen?

Hauk: Wir werden das Thema urbanes Bauen und Nachverdichtungen mit Holz zur Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum in den Vordergrund stellen. Unsere Initiative hat ein wahres Wettrennen um die zweckmäßigste und holzbaufreundlichste Landesbauordnung im ganzen Bundesgebiet in Gang gesetzt. Eine positive Entwicklung, über die wir uns freuen. Aber wir haben noch viel vor und wollen auch in anderen Bereichen des Bauens mit Holz Vorbild sein.

Was ist der Antrieb für die holzbaufreundlicheren Auslegungen?

Hauk: Baden-Württemberg ist ein mittlerweile bestens aufgestelltes Holzland in der Bundesrepublik. Viele Arbeitsplätze hängen an der Holzwirtschaft, besonders im ländlichen Raum. Auch deshalb strebt die Landesregierung, zum Beispiel durch den Nachhaltigkeitsdialog, eine stetige Verbesserung der Bedingungen für nachhaltiges Bauen an, insbesondere mit Holz. Auch mit Blick auf unsere Bioökonomiestrategie kommen wir am intelligenten Einsatz von Holz nicht vorbei. Denn Holz ist im Gegensatz zu anderen endlichen oder klimaproblematisch produzierten Baustoffen ein regional verfügbarer, nachwachsender Rohstoff. Und Holzbauten speichern nicht nur Kohlenstoff ein, sondern bedingen bei ihrer Realisierung auch im Vergleich zu vergleichbaren Vorhaben anderer Bauweisen bis zu 90 Prozent geringere CO2-Emissionen.

Wie sieht der Energie- und Ressourcenverbrauch im Holzbau aus?

Hauk: Bislang bewerten wir unser Bauen vor allem an der späteren Energieeffizienz. Das ist gut. Aber der große Energie- und Ressourcenverbrauch steht beim Bauen selbst zur Diskussion. Da müssen wir rasch besser werden. Das geht wunderbar mit heutigem Holzbau. Zusätzlich bietet Holzbau sehr gute, präzise, moderne und schnell umsetzbare Lösungen, um der Wohnraumknappheit, aber auch allen anderen Bauaufgaben zu begegnen. Der Bausektor gehört leider zu den rohstoffintensivsten Wirtschaftsbereichen. 560 Millionen Tonnen und somit 90 Prozent aller in Deutschland verwendeten mineralischen Rohstoffe werden jedes Jahr zum Bauen eingesetzt.

Was spricht für das Bauen mit Holz?

Hauk: Der moderne Holzbau basiert auf standardisierten Bauprodukten und Prozessen und gewährleistet damit eine sehr hohe Ausführungsqualität. Zwar ist eine detaillierte Planung Voraussetzung – das ist äußerst wichtig und vielleicht etwas mehr Aufwand –, zahlt sich aber im Anschluss durch eine extreme Kostensicherheit und exakte Terminplanung aus. Gleichzeitig bietet der Holzbau sehr flexible Konstruktionslösungen, die in der Ausführung individuell anpassbar sind. Die heute gängigen Bauprodukte aus Holz erreichen eine hohe Formstabilität bei geringem Gewicht und sind damit äußerst attraktiv hinsichtlich Architektur und Ästhetik. Mit diesen und den aktuell gängigen Techniken lassen sich Gebäudeentwürfe realisieren, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Der Holzbau bringt traditionell einen hohen Vorfertigungsgrad mit sich, der kurze Bauzeiten ermöglicht. Ein Holzhochhaus wächst jeden Tag um ein Stockwerk. Das kann kein anderes Material. Zudem sind Holzgebäude durch die trockene Bauweise direkt bezugsfähig, ein finanzieller Vorteil durch die rasche Nutzung oder Vermarktung. Die Wandkonstruktionen von Holzgebäuden sind schlanker als herkömmlich gebaute Wände. Damit erzielen Holzgebäude im Vergleich mehr Raum bei gleichem umbautem Volumen. Das ist ein gewichtiges Kostenplus.

Und am Ende der Nutzungsdauer?

Hauk: Zunehmend wichtiger wird zudem die Recyclingfähigkeit von Gebäuden. Beim Holzbau ist die Materialtrennung einfach, und das Holz kann in die mehrstufige kaskadische Nutzung überführt werden. Uns interessiert das Gesamtpaket des Bauens mit Blick auf die künftigen Generationen. Holz ist das beste Baumaterial im Sinn des Cradle-to-cradle-Prinzips.

Wie viele Beschäftigte hat die Holzindustrie in Baden-Württemberg?

Hauk: Die Wertschöpfungskette Holz stellt 200 000 Arbeitsplätze. Das ist also wirklich eine gewichtige Branche in unserem Land und das im ländlichen Raum, genau dort, wo wir attraktiv sein müssen.

Der Brandschutz ist ein wichtiges Thema. Reicht Holz als im Bau eingesetzter Werkstoff an die Feuerwiderstandsfähigkeit nicht brennbarer Baustoffe heran?

Hauk: Der Brandschutz ist für den Holzbau heutzutage kein bestimmendes Thema mehr. Holz übertrifft sogar viele Anforderungen im Hinblick auf die Schutzziele. Das Holz schützt sich im Brandfall selber durch eine dämmende Kohleschicht. Und da Holz ein schlechter Wärmeleiter ist, bleibt die innere Struktur weiterhin tragfähig, wohingegen ein heiß gewordener Stahlträger unberechenbar ist, weil er spontan seine Festigkeit verliert und die Standsicherheit des betroffenen Gebäudes wesentlich rascher beeinträchtigt. Das kann Ihnen jeder Feuerwehrmann bestätigen.

Wie ist zuverlässiger Brandschutz mit Holz darstellbar – insbesondere bei den im Trend liegenden Holzbauten mit unverkleideten Holzinnenwänden?

Hauk: Holz ist ein sehr gutmütiger Baustoff, wenn es um die Berechnung der Feuerwiderstandsdauer geht. Prinzipiell läuft während eines Brandfalls die umgekehrte Photosynthese ab. Das macht es einfach vorherzusagen, wie lange ein nicht gekapseltes Holzbauteil dem Feuer mindestens standhält. Fichtenholz brennt in 30 Minuten etwa 0,5 Zentimeter ab. Möchte man nun die Widerstandsdauer von 90 Minuten erreichen, dann überdimensioniert man das Tragwerk um 1,5 cm. Dieses Verfahren ist unverändert bei der Einführung der europäisch harmonisierten Bemessungsnormen, den Eurocodes, übernommen worden. Gerade die unverkleideten Innenwände aus Holz, insbesondere aus Brettsperrholz, sind hinsichtlich des Brandschutzes unbedenklich, weil für den Brandfall auf der sicheren Seite kalkulierbar.

Die verbreitete Meinung ist, dass Bauen mit Holz teurer kommt als der konventionelle Bau. Stimmt das?

Hauk: Zumeist liegt dieses Vorurteil an der fehlenden Erfahrung insbesondere der Planer. Wenn ein Gebäude in konventioneller Bauweise geplant wurde, ist es schwierig dieses Vorhaben in eines in Holzbauweise umzuplanen. Geht man dennoch so vor, kommen teils höhere Preise zustande, als wenn der Bau von Beginn an als Holzbau konsequent konzipiert worden wäre. Der moderne Holzbau zeichnet sich durch klare Strukturen aus, die ihn erfolgreich und konkurrenzfähig machen. Ein systemischer Planungsansatz auf Grundlage der üblichen Holzbauweisen ist der Schlüssel zu einem guten und wirtschaftlichen Holzbauprojekt. Das haben viele Projekte der letzten Jahre bestätigt, durch die schnell, hochwertiger und langlebiger Wohnraum geschaffen wurde. Und das mit einem unvergleichlichen Wohnraumklima.

Worauf sollten die Planer besonders achten?

Hauk: Bei der Planung eines jeden Gebäudes sollten ganzheitliche Betrachtungen angestellt werden. Das betrifft die graue Energie bei der Herstellung des Baustoffs genauso wie die Nutzung des Gebäudes bis zur sortenreinen Entsorgung und Verwertung. Dann sieht die Bilanz des Holzbaus noch einmal deutlich besser aus. Gerade für Investoren spielt die bereits erwähnte größere verfügbare Nutzfläche durch schlankere Konstruktionen eine große Rolle. Darüber hinaus sind Investoren dankbar über eine frühzeitige Einbindung eines leistungsfähigen Holzbaubetriebes mit integrierter Planungsabteilung und Kompetenz zur Tragwerksplanung. Dies wurde bei verschiedenen Fachveranstaltungen und Erfahrungsberichten sehr deutlich. Ebenso wird der Kostendruck aufgrund der sehr teuren bis unmöglichen Entsorgung von konventionellen Bau- und Dämmmaterialien bereits bei einer ersten Sanierung eines Neubaus die weiteren Vorzüge von Holz noch ausbauen. Zur Wertbeständigkeit von Holzbauten ist auch alles gesagt. Eine historische Innenstadt wie in Esslingen am Neckar mit Wohnbauten aus dem 13. Jahrhundert ist Beweis genug.

Die Holzbauquote liegt in Baden-Württemberg im Bereich des Wohnungsbaues bei rund 30 Prozent – der Spitzenwert in Deutschland. Wie sieht es mit der Verwendung von Holz bei öffentlichen Projekten aus, insbesondere im kommunalen Sektor?

Hauk: Es gibt keine trennscharfen Statistiken, die öffentliche Gebäude gesondert erfassen, aber gerade bei Kitas und Schulen ist der Holzbau deutlich favorisiert. Erfreulich ist die Tatsache, dass die ausführenden Stellen im Finanzministerium mit dem Amt für Vermögen und Bau sowie der Bundesbau mittlerweile prüfen, ob ein zukünftiges Gebäude auch in Holzbauweise umgesetzt werden kann. Der Holzbau ist zudem in das Weiterbildungsprogramm der Regierungspräsidien aufgenommen. Damit ist der Weg geebnet, wegweisende Projekte im öffentlichen Raum in Holzbauweise umzusetzen. Ich denke, wer mit weitem Blick auf die Zukunft schaut, wird immer mehr mit Holz planen und bauen.

Wie können die Kommunen die Entwicklung des Holzbaues fördern?

Hauk: Bei kommunalen Ausschreibungen sollte der Holzbau von Beginn an als Option mitgedacht werden. Sprich: Die Gremien sollten sich der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gegenüber dem Klima und einem nachhaltigen Bauen bewusst sein und Holz damit den Vorzug geben. Damit wären schon erste Schritte in die richtige Richtung gewährleistet. Wir alle haben hier eine Vorbildfunktion. Zudem sollten leistungsfähige und erfahrene Partner einbezogen werden. Die frühzeitige Zusammenführung entsprechender Planungskompetenzen als Bauteam ist für den Holzbau besonders sinnvoll und schafft Vertrauen unter den Beteiligten – und Sicherheit in den für Bauherren relevanten Fragestellungen wie Gestaltung und Funktionalität, Kostensicherheit und Termintreue. Dazu brauchen wir Überzeugungstäter, die sich der Vorteile des Holzbaus bereits heute bewusst sind und ihrer Vorreiterrolle gerecht werden.

In welcher Vorbildrolle beim nachhaltigen Bauen mit Holz sehen Sie hier die öffentliche Hand insgesamt und im Speziellen Ihr Ministerium?

Hauk: Seitens des Ministeriums unterstützen wir gerne. Mit dem EFRE-Holz-Innovativ-Programm hat das Land ein Förderinstrument für innovative Leuchtturmprojekte für den Holzbau geschaffen. Und auch im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum erhalten Holzbauten einen Förderzuschlag. Davon machen einige Kommunen und private Bauherrschaften bereits überzeugend Gebrauch. Zudem haben wir wieder eine Holzbaufachberatung eingerichtet, die kostenfrei jedem zur Verfügung steht. Sie ist gemeinsam mit dem landesweiten Clustermanagement bei Proholz BW angesiedelt. Ebenfalls bieten wir attraktive Fortbildungsformate, zum Beispiel mit Exkursionen zu Vorzeigeobjekten oder unsere jährliche Fachtagung Holzbau am 7. November 2018 in Stuttgart. Mit unserem Holzbaupreis Baden-Württemberg 2018 machen wir die vorbildlichen Holzbauten auch für jeden engagierten Gemeinderat sichtbar.

Kann bei einer Ausweitung des Holzbaues der Bedarf an Holz aus heimischer Produktion überhaupt gedeckt werden?

Hauk: Holz wird im Gegensatz zu anderen Baustoffen nicht abgebaut, sondern unsere Förster bewirtschaften den Wald nachhaltig mit sehr strengen gesetzlichen Regelungen. Das ist unser Prinzip, mittlerweile von vielen kopiert, seit über 300 Jahren. Sägewerke bei uns im Land haben einen durchschnittlichen Einkaufsradius von 100 Kilometer. Damit sind die Verflechtungen sehr regional. Rein von der Holzmasse her betrachtet, wächst in den Wäldern Baden-Württembergs pro Tag das Holz für 450 Einfamilienhäuser dazu. Bundesweit, aber auch in Baden-Württemberg, wird gesetzlich geregelt weniger Holz geerntet als nachwächst. Jährlich wachsen deutschlandweit 120 Millionen Festmeter hinzu. Natürlich gibt es wirtschaftliche Verflechtungen mit unseren Nachbarregionen und einen für uns alle erfreulichen Warenaustausch. Aber das ist in einem harmonisierten europäischen Wirtschaftsraum auch gut so. Egal woher unser verbautes Holz kommt, es hat immer einen kürzeren Weg hinter sich und weniger graue Energie als verbauter Stahl. Und Holz wächst täglich nach im Wald der Kommunen, der uns dabei noch ganz selbstverständlich viele andere positive Wirkungen schenkt.
Interview: Wolfram Markus

Zur Person
Peter Hauk (Jg. 1960, CDU) ist Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. Der studierte Forstwirt gehört dem Landtag seit 1992 an, in den Jahren 2005 bis 2010 war er Minister für Ernährung und Ländlichen Raum.