Perspektiven aus der Partizipation

Eine funktionierende und rührige lokale Gemeinschaft ist die Basis für die Zukunftsfähigkeit von Kommunen. Bürgerengagement und der Wunsch der Menschen nach Beteiligung dürfen also nicht als Störung des „Betriebsablaufs“ gesehen werden. Vielmehr sind sie gezielt zu fördern. Doch wie geht das?

Im Jahr 1992 nutzte der damalige US-Präsidentschaftskandidat Bill Clinton im Wahlkampf den Ausspruch: „It’s the economy, stupid!“, übersetzt: „Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf!“ Was er meinte: Die Wirtschaftslage sei der entscheidende Faktor für die Entwicklung der Vereinigten Staaten und für seinen Wahlgewinn. Wenn man heute die Entwicklungsaufgaben der Kommunen betrachtet, zeigt sich ebenfalls die wirtschaftliche Lage als ein zentrales Thema.

Doch gibt es vielleicht etwas, das noch wichtiger für ihre positive Entwicklung ist: die „Community“, die Gemeinschaft der Menschen, die in einer Stadt oder einer Gemeinde zusammenlebt und zusammenarbeitet, um ihr Gemeinwesen und das Gemeinwohl zu gestalten. Was bewegt diese Menschen sie? In welche Richtung wollen sie? Welche Wünsche, Bedürfnisse, Träume und Hoffnungen haben sie? Welche Zukunft liegt vor ihnen?

Kommune bedeutet Gemeinschaft, Kommunen sind die Organisationsform, in deren Rahmen Zusammenleben gestaltet und Zukunft entwickelt wird. Sie sind die Instanz, um lokal auf die kontinuierlichen und komplexen Veränderungen, Herausforderungen und Trends zu reagieren, denen sich die Gesellschaft gegenübersieht.

Doch wird dieses Zusammenwirken tatsächlich nach den besten Möglichkeiten gestaltet? Welche gemeinsamen Anstrengungen sind für eine positive Zukunft notwendig? Und wie können Politik und Verwaltung zukünftig ihre Rollen ausfüllen, um günstige Entwicklungen zu unterstützen und zu begleiten?

Bürger sind keine Störung im Betriebsablauf

Bürger ebenso wie andere kommunale Akteursgruppen treten heute vielfach selbstbewusst, informiert und fordernd gegenüber Politik und Verwaltung auf und wollen aktiv an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden. Noch immer wird dieses Anliegen in einigen Rathäusern und Verwaltungen als Störung im Betriebsablauf gesehen. Dabei sollten gerade die Kommunen, in denen besonders viel Entwicklungsarbeit zu leisten ist, offen gegenüber Einmischungen sein. Denn Engagement ist Unterstützung, selbst wenn es einer kritischen Haltung entspringt. Denn Engagement signalisiert Verantwortung, Interesse und neue Perspektiven.

Politik und Verwaltung können nicht mehr alle erforderlichen Entwicklungsaufgaben allein bewältigen. Sie benötigen die Erfahrungen, Informationen und Kompetenzen der Bürger. Daher entwickeln moderne Kommunen in konstruktiven Beteiligungsprozessen Lösungen mit allen relevanten und interessierten Akteuren: für bessere Bildung, Mobilität, Energie, Umwelt, Wohnungsbau oder Innenentwicklung. Politik und Verwaltung sind hier Begleiter, Ermöglicher, Gestalter und Moderatoren von Entwicklungsprozessen. Sie schaffen Räume für die Beteiligung und Möglichkeiten für die bestmöglichen Entwicklungspfade.

Arbeit und Verantwortung verteilen sich in partizipativen Projekten auf viele Schultern, ebenso der Erfolg und die Freude darüber, wenn gemeinsam etwas bewegt wird. So verstanden ist Beteiligung mehr als das Anbieten zusätzlicher Veranstaltungen im Rahmen von Projekten der Kommunalentwicklung. Sie ist eine innere Einstellung, die sich durch alle Aufgabenbereiche zieht. Um eine Kommune erfolgreich partizipativ zu entwickeln, sollten die Verantwortlichen die folgenden vier Ratschläge annehmen:

  • Projektarbeit: Entwickeln Sie Ihre Kommune in partizipativen Projekten, die einen klaren Anfang, ein klares Ende und ein sichtbares Ergebnis haben. Ermöglichen Sie allen relevanten und interessierten Akteuren, sich zu beteiligen.

  • Führungsstil: Führen Sie offen, transparent und auf Augenhöhe. Blockieren Sie Engagement nicht, sondern unterstützen Sie es. Schätzen Sie Engagement und den Wunsch nach Beteiligung als höchstes Gut in Ihrer Kommune, auch wenn es das eigene Handeln in Frage stellt.

  • Organisationsentwicklung: Entwickeln Sie Ihre internen Entscheidungs- und Organisationsstrukturen so, dass Sie flexibel und agil handeln können, Transparenz und Mitbestimmung auf allen Ebenen ermöglichen und Potenziale und Eigenverantwortung aller fördern. Schaffen Sie Raum für kreatives Denken und unkonventionelles Handeln.

  • Weiterbildung: Bilden Sie sich und Ihre Kollegen in Themen wie Projektmanagement, Beteiligungsverfahren, Kommunikations- und Moderationstechniken sowie Prozessbegleitung weiter. Behandeln Sie Beteiligung nicht stiefmütterlich, sondern als ernstzunehmendes professionelles Managementwerkzeug.

Eine funktionierende engagierte Gemeinschaft ist die Basis für Zukunftsfähigkeit und ein gutes Zusammenleben vor Ort. Gemeinschaften aufzubauen und in Beteiligungsprozessen zu begleiten, stellt eine Herausforderung dar, allerdings eine die erfüllt. Wenn es gelingt, offen, angstfrei und wertschätzend miteinander umzugehen und gemeinsame Erfolge zu feiern, ist partizipative Entwicklung gewinnbringend für alle Akteure und bereichert die tägliche Arbeit in Politik und Verwaltung. Also: It´s the community, stupid!

Jascha Rohr

Der Autor
Jascha Rohr ist Geschäftsführer des Instituts für Partizipatives Gestalten (IPG) mit Sitz in Oldenburg und begleitet seit über zehn Jahren Kommunen jeglicher Größenordnung in partizipativen Entwicklungsprozessen