Attraktive Ortsbilder sind die Basis erfolgreicher Tourismusentwicklung. Die Kommune sollte daher die Gestaltung des öffentlichen Raums ernst nehmen und auch Privatleute für die Bedeutung des Themas sensibilisieren. Dieser Beitrag vermittelt eine Fülle von Aspekten und möglichen Ansatzpunkten.
Um es vorweg zu sagen: Attraktive Ortsbilder allein reichen für eine erfolgreiche Tourismusentwicklung nicht aus – ohne sie aber fehlt das Fundament für alle weiteren Bemühungen. Studien belegen, dass die subjektive Wahrnehmung des Ortsbildes einen nachweislichen Einfluss auf das Gesamterlebnis und die Wiederbesuchsabsicht hat. Der Gast fällt sein Gesamturteil auf Basis der bewussten wie unbewussten Wahrnehmung der verschiedenen Elemente des Ortsbildes. Dabei wird erfahrungsgemäß ein höherer Qualitätsanspruch an den Urlaubsort angesetzt als an die Alltagsrealität im eigenen Wohnort. Dieser besonderen Herausforderung müssen sich die Tourismusorte stellen.
Das „Ortsbild“, sprich das äußere Erscheinungsbild eines Ortes, wird von vielen Elementen beeinflusst. Die öffentliche Hand nimmt hier ebenso Einfluss wie Unternehmen und Privatpersonen. Ohne ein Zusammenwirken dieser Akteure ist eine optimierte Ortsbildgestaltung nicht zu bewerkstelligen.
Die gestalterischen Stärken und Schwächen eines Ortes fallen meist sehr individuell aus. Im Folgenden werden häufige Schwachstellen erörtert.
Ortseingang
Es gibt wenige Beispiele für Orte, die Wert auf eine attraktive Gestaltung des Ortseingangs legen. Hier erweisen sich viele Orte mit ihren Supermärkten, unkaschierten Abstell- und Lagerflächen, Tankstellen und Gewerbegebieten optisch als sehr austauschbar.
Orte des Ankommens
Der Empfangsqualität an den „Orten des Ankommens“ sollte grundsätzlich größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es fängt beim äußeren Erscheinungsbild von Bahnhofsgebäuden und Bushaltestellen an und reicht bis zur Besucherinformation und Lenkung der Gäste zu den touristischen Zonen. Viele Anlagen sind von Vandalismus, Leerständen, mangelnder Sauberkeit und fehlenden Orientierungshinweisen geprägt.
Lokaler Einzelhandel
Die Veränderung der Konsumgewohnheiten und die damit verbundenen Auswirkungen auf die lokale Einzelhandelslandschaft machen auch vor den Tourismusorten nicht halt. Vor allem in kleinen Ortschaften prägen Leerstände und verwaiste Innenstadtstraßen das Bild. Maßnahmen zur Gestaltung der Leerstände oder Zwischennutzung unterbleiben häufig. Anderenorts fallen grell und aufdringlich gestaltete Ladenschilder, überdimensionierte Außenverkaufsflächen und ein Überangebot an Werbeaufstellern negativ auf.
Privatgrundstücke
Der äußere Zustand von Privathäusern und die Pflege von Privatgrundstücken hat in den Tourismusorten eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung für das Gesamterscheinungsbild. Orte, die hier Defizite aufweisen, können dem über Sensibilisierungsmaßnahmen und Anreizsysteme für die Immobilien- und Grundstückseigentümer entgegenwirken.
Kurparke
Während viele Kuranlagen mit hohem Aufwand attraktiv gestaltet und gepflegt werden, wirken andere vernachlässigt oder gar aufgegeben. Viele Orte befinden sich am Scheideweg, wie mit diesen Anlagen umzugehen ist und welche Funktionen sie zukünftig erfüllen sollen.
Mobiliar
Im Hinblick auf Pflegezustand und Funktionalität weist das Mobiliar im öffentlichen Raum zum Teil erhebliche Mängel auf. Einem harmonischen Gesamterscheinungsbild ist der auffällig häufige Stilmix von Sitzgelegenheiten unterschiedlichsten Alters auf engem Raum abträglich.
Beschilderung und Leitsysteme
Immer wieder sind Fußgängerleitsysteme überladen, grell und teilweise missverständlich. Dadurch verlieren sie ihre Orientierungsfunktion und stören das Gesamterscheinungsbild. Ob Orientierungskarten, touristische Hinweistafeln oder kleine Erlebnisstationen – mit der einmaligen Aufstellung dieser Anlagen ist es nicht getan. Sie müssen regelmäßig gereinigt oder erneuert werden. Damit hinken allerdings viele Orte hinterher. Wirken Anlagen aufgegeben, sollten sie im Zweifelsfall lieber demontiert werden.
Verbindung touristischer Areale
Die gestalterische Verbindung zwischen tourismusrelevanten Kernzonen ist ein Feld, dem viele Orte mehr Aufmerksamkeit widmen sollten. Häufig ist die Verbindung zwischen Ortskern, Promenade, Kurpark oder Museumszone kaum erkennbar und wenig gestaltet. Mehr Gestaltungskraft sollte also aufgewendet werden, um attraktive Verbindungswege und Sichtachsen zwischen wichtigen Arealen zu schaffen.
Handlungsbedarf erkennen
Zur Sicherstellung der Ortsbildqualität bieten sich zahlreiche Aktivitäten in verschiedenen Handlungsfeldern an. Eine wichtige Voraussetzung ist das Erkennen des eigentlichen Handlungsbedarfs. Das ist gar nicht selbstverständlich und muss angesichts der eigenen Betriebsblindheit häufig von außen angestoßen werden. So können zum Beispiel Stadtplaner, Architekten oder Tourismusexperten den Kommunen die Augen öffnen, indem sie als beauftragte neutrale Gutachter die Ortsbildqualität bewerten. Weitere Möglichkeiten sind die Organisation von Spaziergängen mit Gästen zum Thema Ortsbildgestaltung und die Integration von Ortsbildaspekten in eine Gästebefragung.
Grundsätzlich hat eine Kommune im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit viele Möglichkeiten, die Ortsentwicklung mit Planungs- und Steuerungsinstrumenten zu begleiten und zu lenken. Dazu zählen städtebauliche Steuerungsinstrumente (z. B. Städtebauliche Rahmenpläne, Städtebauliche Wettbewerbe, Bauleitplanung), begleitende Elemente (z. B. Erhaltungssatzungen, Gestaltungssatzungen, -leitfäden und -fibeln, Zweckentfremdungssatzungen) oder auch die Erstellung von Fachkonzepten unter Berücksichtigung gestalterischer Aspekte (z. B. Einzelhandelskonzept, Tourismuskonzept).
Kommunale Bau- oder Wirtschaftsausschüsse stellen die Weichen für die gestalterische Entwicklung des Ortes in den folgenden Jahrzehnten. Gerade in kleinen Orten fehlt den meisten gewählten Volksvertretern jedoch (verständlicherweise) das Fachwissen. Sie können nur schwer beurteilen, welche Auswirkungen Großvorhaben langfristig auf den Ort haben können oder ob die geplanten Objekte gestalterisch in das Gesamterscheinungsbild passen. Kommunale Entscheidungsträger sollten daher alle vorhandenen Möglichkeiten zur Information, Beratung oder gar Schulung in Anspruch nehmen: Beratungsangebote der Kreisbauämter, Einrichtung von Gestaltungsbeiräten, Seminaren und Exkursionen für Kommunalpolitiker, Bildung und Förderung von interkommunalen Netzwerken zur regionalen Baukultur.
Bürgerbeteiligung mag für so manchen Investor ein rotes Tuch sein. Kommunalverantwortliche sind jedoch gut beraten, die Bedürfnisse und möglichen Widerstände ihrer Bürger ernst zu nehmen. Eine frühzeitige Einbindung bietet die Möglichkeit, Dissens oder Widerstände von Beginn an zu vermeiden. Bei der Neugestaltung von großen Arealen kann sie sogar dazu führen, ein stärkeres Gemeinsamkeitsgefühl zu erzeugen und eine breite Unterstützung der Pläne sicherzustellen. Daher gilt: Organisation regelmäßiger runder Tische zu Fragen der Ortsgestaltung, Durchführung von Bürgerveranstaltungen oder Planungswerkstätten, Organisation von Beteiligungsprozessen in Bebauungsplanverfahren.
Entscheidender Faktor für die erfolgreiche Beteiligung: Sie darf kein „Feigenblatt“ sein. Beteiligung heißt immer, einen Kompromissprozess zu führen. Alle Beteiligten müssen bereit sein, aufeinander zuzugehen.
Markus Seibold
Der Autor
Markus Seibold ist Leiter Destinationsmanagement beim Beratungsunternehmen DWIF-Consulting in München
Info: Leitfaden
Dieser Beitrag nimmt Impulse einer vom Tourismusverband Schleswig-Holstein initiierten Studie zur Ortsbildqualität auf. Im Zuge dieser Untersuchung wurden im gesamten Bundesland 30 Tourismusorte hinsichtlich ihrer Ortsbildattraktivität aus Gästesicht bewertet. Daraus entstand unter anderem ein Praxisleitfaden, der sich insbesondere an die Akteure in den Orten richtet und für die Bedeutung von Ortsbildqualität und Baukultur wirbt. Der Leitfaden „Attraktive Ortsbilder als Erfolgsfaktor des Qualitätstourismus in Schleswig-Holstein“ ist im Internet als PDF verfügbar.