Orientierung am Bedarf der Nutzer

In der Diskussion um einen flächendeckenden Breitbandausbau müssen die zögerliche Nachfrage sowie die Technologie­neutralität berücksichtigt werden. Die Politik sollte sich weniger auf die Forcierung des Infrastrukturausbaus, dafür mehr auf die Verbesserung des Ordnungsrahmens konzentrieren.

In seiner Einführungsphase gingen vom Internet erhebliche Wachstumsimpulse aus. Basierend auf jährlichen Daten von 25 OECD-Ländern über den Zeitraum 1996 bis 2007 konnte eine vielzitierte Ifo-Studie nachweisen, dass eine Erhöhung der Breitbandnutzerrate um zehn Prozentpunkte das jährliche Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum um 0,9 bis 1,5 Prozentpunkte erhöht hat. Deutschland hat in dieser Phase aber wichtige Wachstumschancen verschenkt. Bei einer ähnlich frühen Breitbandentwicklung wie die der Länder in der Spitzengruppe hätte Deutschland im Jahr 2007 mit einem um bis zu 5,9 Prozent höheren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf rechnen können.

Dieses durch das Internet getriebene Wirtschaftswachstum hat sich allerdings in den Anfangsjahren der Breitbandära kaum in Beschäftigungswachstum niedergeschlagen. Vereinzelte positive Beschäftigungsauswirkungen traten vor allem in ländlichen Gebieten auf, getrieben von neugegründeten Unternehmen im Dienstleistungssektor.

Viele Beobachter bezweifeln, dass wir die frühen großen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsimpulse durch die Verbreitung des Internets auch in Zukunft sehen werden. Seit Mitte der ersten Dekade der 2000er-Jahre lassen sich keine so hohen Produktivitätszuwächse wie in der Einführungsphase des Internets mehr beobachten. Drei mögliche Ursachen lassen sich anführen:

  • Erstens konnten in der Einführungsphase des Internets bereits einfache internetbasierte Innovationen deutliche Wachstumsimpulse auslösen. Die wirklich bahnbrechenden internetbasierten Innovationen stehen noch aus; ihre Einführung wird möglicherweise durch das institutionelle Umfeld behindert. Der aktuell zögerliche Zuwachs schneller Breitbandanschlüsse trotz ihrer Verfügbarkeit könnte als Indiz für den Mangel an innovativen Anwendungen, die hohe Bandbreiten erfordern, gedeutet werden. In Deutschland nutzen nur etwa zwölf Prozent der Haushalte, für die Anschlüsse mit mehr als 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) verfügbar sind, auch tatsächlich solche Anschlüsse. Im europäischen Vergleich nimmt Deutschland trotz vergleichsweise günstiger Preise damit einen der letzten Ränge ein.

  • Zweitens bremsen fehlende digitale Kompetenzen die Wachstumsimpulse. In Deutschland sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter „digitale Analphabeten“. Dabei handelt es sich weder um ein reines Alters- noch ausschließlich um ein Bildungsproblem.

  • Drittens kann die Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt Gewinner und Verlierer schaffen. Das ist kein neues Phänomen, sondern wurde von Wirtschaftshistorikern auch schon bei der Einführung anderer Universaltechnologien wie der Elektrizität festgestellt. Neu ist allerdings, dass sich durch das Internet und insbesondere über soziale Medien der Widerstand gegen technologische Umwälzungen leichter formieren lässt. Auch deshalb ist es wichtig, einen offenen Diskurs über die Vor- und Nachteile der Digitalisierung zu führen.

Unterschiede zwischen Stadt und Land

Politik, Wirtschaft und Kommunen fordern eindringlich, in Deutschland bis 2025 flächendeckend ein Gigabitnetz zu installieren. Das Netz soll in der Lage sein, Datenmengen mit Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 1000 Mbit/s problemlos und sicher zu übertragen. Der Ausbau ist allerdings ein teures Unterfangen, die Kosten werden auf bis zu 100 Milliarden Euro geschätzt.

Ein Großteil dieser Investitionen soll von privaten Telekommunikations- und Kabelunternehmen finanziert werden. Die notwendigen Investitionen sind aber riskant, da die Nachfrage in Deutschland noch nicht sehr ausgeprägt ist und niemand weiß, in welchem Maß vor allem Privatkunden die hohen Bandbreiten nutzen werden. Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Ausbau von Gigabitnetzen sind derzeit noch wenig kalkulierbar; diese sind jedoch für Investitionsentscheidungen der Netzbetreiber von entscheidender Bedeutung.

Trotz dieser Unsicherheiten führt in den meisten städtischen Gebieten (dort leben rund 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland) der ausgeprägte Wettbewerb zwischen DSL-Infrastruktur sowie Kabel- und Glasfasernetzen, die allesamt leitungsgebundenen Zugang zum Internet ermöglichen, zu Innovationen und Infrastrukturinvestitionen, die den (künftigen) Kundenwünschen gerecht werden.

In ländlichen Gebieten herrscht hingegen nur bedingt ein Wettbewerb verschiedener Infrastrukturen. Gepaart mit weniger vorteilhaften Ausbaubedingungen rechnen sich private Infrastrukturinvestitionen in solchen Gebieten häufig nur, wenn eine große Anzahl an Kunden gewonnen werden kann. So beginnen Anbieter von Glasfasernetzen auf dem Land oft erst dann mit dem Ausbau, wenn sie im Rahmen einer Vorvermarktung ausreichend hohe Marktanteile von 40 Prozent und mehr erreichen. Trotz fehlenden Infrastrukturwettbewerbs sollten in solchen Gebieten aber durch Zugangs- und Entgeltregulierung Investitionsanreize nicht im Keim erstickt werden.

Technologieneutralität ist Grundvoraussetzung

Die öffentliche, nachrangige Subventionierung des Breitbandausbaus sollte sich auf solche Gebiete beschränken, in denen ein rein privatwirtschaftlicher Ausbau nicht zustande kommt. Um den öffentlichen Finanzierungsanteil gering zu halten, ist es wichtig, stets die örtlichen technischen Gegebenheiten und Ausbaubedingungen im Blick zu behalten. Technologieoffenheit ist daher eine Grundvoraussetzung für einen kosteneffektiven Gigabitnetzausbau, denn technische Innovationen werden auch in Zukunft die Übertragungsgeschwindigkeiten unterschiedlicher Breitbandanschlusstechnologien erhöhen.

Auch die Orientierung am tatsächlichen Bedarf der Nachfrager – statt an der politischen Vorgabe von Zielgrößen – würde den öffentlichen Förderbedarf beim Infrastrukturausbau reduzieren. Nicht zuletzt aufgrund der aktuellen politischen Zielvorgaben sind schon heute kaum noch Firmen für die notwendigen Tiefbauarbeiten beim Breitbandausbau zu bekommen. Branchenexperten berichten, dass die Kosten für die notwendigen Tiefbauarbeiten in den vergangenen zwei Jahren um bis zu 30 Prozent gestiegen sind. Gegeben der noch geringen Nachfrage könnte auch Abwarten eine ökonomisch sinnvolle, wenn auch wenig populäre Option sein (was aber nicht heißt, dass man die Planung nicht frühzeitig vorantreiben sollte).

Insgesamt ist den Bürgern und dem Standort Deutschland mehr gedient, wenn sich die Politik weniger auf die Forcierung des Infrastrukturausbaus, dafür mehr auf die Verbesserung des Ordnungsrahmens konzentrieren würde. Dann kann die Digitalisierung auch ihre Wachstumsimpulse in vollem Umfang entfalten.

Oliver Falck

Der Autor
Dr. Oliver Falck ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Empirische Innovationsökonomik, an der Ludwig-Maximilians-Universität, München, und Leiter des Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien am Münchener Ifo-Institut