Wie lassen sich Städte ökologischer und menschenfreundlicher gestalten? Der von der Idee der „Grünen Stadt“ vollkommen überzeugte Schwäbisch Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold spricht im Interview über Bedeutung, Chancen und Möglichkeiten der naturnahen Entwicklung von Kommunen.
Herr Oberbürgermeister Arnold, welche Bedeutung hat die Idee der „Grünen Stadt“ für Sie?
Arnold: Eine Stadt ist heute ohne grüne Entwicklung, ohne eine Idee der „Grünen Stadt“ nicht denkbar. Es geht dabei nicht nur um die bedeutsamen Fragen des Klima- und Naturschutzes, der Nachhaltigkeit und der Schaffung eines Mikroklimas, das sich auf den spürbaren Wandel unserer Umwelt einstellt. Sondern es geht auch darum, dass sich dieses Engagement positiv auf die Seele unserer Bürgerinnen und Bürger auswirkt. Erst in der klugen Verbindung von Urbanität und Natur werden wir zur attraktiven Heimat für Menschen in allen Lebenssituationen und Altersphasen.
Vor vier Jahren war Schwäbisch Gmünd Ausrichter der baden-württembergischen Landesgartenschau. Was von damals hat in die Zukunft gewirkt?
Arnold: Wir haben mehr Grün, mehr Natur und mehr Wasser zurück in den Alltag unserer Stadt gebracht. Wir haben – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern ganz lust- und genussvoll – den Besucherinnen und Besuchern und den Gmünder Bürgerinnen und Bürgern die zentralen Themen einer modernen Stadtentwicklung nähergebracht. Und wir haben damit unserer Stadt ein neues Selbstbild und ein neues Selbstverständnis vermittelt.
Nicht selten werden Bestandteile von Gartenschauen nach Ende der Veranstaltung wieder „abgeräumt“, weil man die Folgekosten scheut. Wie war das bei Ihnen?
Arnold: Das war ja gerade in Schwäbisch Gmünd das Erstaunliche: Eigentlich haben wir alles erhalten. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Menschen diese Flächen und diese Ideen zu eigen gemacht haben. Der Landschaftspark „Himmelsgarten“ in Wetzgau sollte ja ursprünglich wieder in Ackerfläche zurückgebaut werden. Heute haben wir hier dank des Engagements vieler Vereine und vieler Ehrenamtlicher einen zauberhaften Familienpark mit zahlreichen nachhaltigen Angeboten wie einem Streuobstzentrum, einem Kletterpark in den Waldwipfeln, Kleintierzüchtern, Imkern, dem aus Holz gebauten Aussichtssturm „Himmelsstürmer“, einer tollen Waldkugelbahn und vielem mehr.
Mehr Grün für mehr Lebensqualität und Nachhaltigkeit versus mehr bebaubare Flächen zugunsten der kommunalen Entwicklung, für Wohnraum, Unternehmen und Handel: Kennen Sie diese „Frontlinien“ im öffentlichen Diskurs auch in Schwäbisch Gmünd?
Arnold: Diese Diskussionen gibt es bei uns auch. Ich denke, dass man hier mit vielen Informationen, vielen Gesprächen und viel Aufklärung aufzeigen kann, dass mehr Grün und Nachhaltigkeit in der Stadt nicht mit der Stadtentwicklung kollidieren müssen – beispielsweise in der nachhaltigen Nutzung von Brachflächen. Freilich: Dort muss man dann manchmal auch „in die Höhe“ gehen, um die Flächen effektiv zu nutzen. Hier ist dann die Kommunalpolitik gefragt, diese Entscheidungen aktiv mitzugehen und unter Umständen auch gegen Einzelinteressen in der Wohnumgebung und andere Interessen zu stimmen.
Wie ist in Schwäbisch Gmünd die gesunde, die Lebensqualität fördernde, nachhaltige Raumplanung organisiert?
Arnold: Gerade in einer sehr wertigen, attraktiven und geschützten Innenstadt wie in Schwäbisch Gmünd muss in allen städtebaulichen Fragen sehr behutsam und sehr umsichtig vorgegangen werden. Bei uns gibt es hier stets einen komplexen Abwägungsprozess. Dabei spielen die städtebaulichen Zielrichtungen ebenso eine Rolle wie der Denkmalschutz und das Thema „Grün in der Stadt“. Gerade der Stadtumbau zur Landesgartenschau 2014 und die Vorbereitungen für die Remstalgartenschau 2019 sind aus meiner Sicht sehr gelungene Beispiele für diese Vernetzung von grauer, grüner und blauer Infrastruktur.
Grün in der Stadt ist ein Kostenfaktor. Wie hoch sind die Ausgaben hier für Ihre Kommune und wie begrenzen Sie den finanziellen Aufwand?
Arnold: Da das Thema „Grün“ bei uns in zahlreichen Feldern – sozusagen als Querschnittsthema – einfließt, ist eine genaue Bezifferung sehr schwierig. Wichtig ist, dass die jeweiligen Anwohner und auch die anderen „Stakeholder“ des Engagements für eine grüne Stadt die diversen Maßnahmen als Bereicherung ihres eigenen Umfelds betrachten, annehmen und auch unterstützen. Das Beispiel des Unterhalts im Landschaftspark „Himmelsgarten“ mit zahlreichen Vereinen und Ehrenamtlichen habe ich hier ja bereits genannt.
Wie bewerten Sie den sozialen Aspekt grüner Städte?
Arnold: Sehr hoch! Es geht, wie ich schon sagte, nicht nur um ein gutes Klima für die Stadt, sondern auch um ein gutes Klima für die Seelen der Menschen. Wer kalte Orte schafft, muss sich über eine kalte Gesellschaft nicht wundern. Ich bin ja draußen auf dem Land mitten in Landwirtschaft und Natur aufgewachsen und weiß bis heute, was einem diese Umgebung geben kann.
Sind bei der Grünraumplanung in Schwäbisch Gmünd gerade auch die sozial benachteiligten Quartiere im Blick?
Arnold: Eine Flächenstadt wie Schwäbisch Gmünd mit zahlreichen Stadtteilen und Stadtquartieren neben einer historischen Innenstadt muss immer die Grünraumplanung auch als Strukturelement der sozialpolitischen Gestaltung betrachten. Bolzplätze, Kinderspielplätze, Ruheinseln, Parksituationen, Wasser, Rückzugsräume und einfach einige Stellen pure Natur in der Stadt entspannen viele soziale Begegnungen und Konflikte. Ganz konkret auch: Ich lasse immer wieder kahle Betonwände und Container-Zweckbauten mit Blumen bewachsen. Da gibt es keinerlei Probleme mehr mit Graffiti und Vandalismus.
Ob Städte naturnaher werden, hängt entscheidend auch von der Mitwirkungsbereitschaft der privaten Grundstückseigentümer ab. Wie können diese zum Mitziehen motiviert werden?
Arnold: Dies ist ein sehr wichtiger Punkt. Die Stadt alleine kann hier einiges tun, aber erst wenn sich die Menschen das Thema zu eigen machen, wird eine ganz selbstverständliche Sache daraus. Und da müssen wir hinkommen. Wir gehen deshalb beispielsweise jetzt vor der Remstalgartenschau auf Grundstückseigentümer zu, bringen Ideen ein und machen Vorschläge. Mein Rat: Nicht mit Regelungen und Vorschriften drohen, sondern Lust auf ein tolles Stück Natur in der Stadt machen. Dann sind die privaten Eigentümer auch häufig gerne mit von der Partie.
Interview: Wolfram Markus
Zur Person: Richard Arnold (Jg. 1959) wurde 2009 zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd (rd. 60.700 Einwohner, Baden-Württemberg) gewählt. Der Verwaltungswissenschaftler hat Abschlüsse der Hochschulen Konstanz und Frankfurt am Main, des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und dem Europa-Kolleg in Brügge. Er arbeitete unter anderem am Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel und als Leiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union. Überregionale Bekanntheit als Gmünder OB erlangte Arnold im Zusammenhang mit der Landesgartenschau 2014, für die er 3100 freiwillige Helfer gewinnen konnte, sowie für sein besonderes Engagement für einen nachhaltigen Stadtumbau. Diese Politik wurde 2016 mit dem Otto-Borst-Preis für Stadterneuerung gewürdigt. Der CDU-Politiker setzt sich in Wort und Tat auch für die schnelle Integration von Flüchtlingen ein. Sein „Gmünder Weg“ stößt in der öffentlichen Meinung weit überwiegend auf Zustimmung.