Nördlingen ist Teil der Citta-Slow-Bewegung. Die Stadt im Ries bietet mit ihrer historischen Bausubstanz, ihren Angeboten für Kinder, Jugendliche und Senioren alle Voraussetzungen, ihre regionale Struktur nachhaltig zu entwickeln. Oberbürgermeister Hermann Faul beschreibt in seinem Beitrag die Perspektiven.
Im Jahr 1990 wurde in Orvieto (Italien) aus der Slow-Food-Bewegung das Netzwerk Citta Slow gegründet, das die Erhöhung der Lebensqualität in kleineren Städten als Ziel hatte. Im Jahr 2000 waren bereits 30 italienische Städte Mitglied der Vereinigung, bevor 2001 Hersbruck (Bayern) die erste deutsch Citta-Slow-Gemeinde wurde. 2009 trat die Große Kreisstadt Nördlingen (20.000 Einwohnern) der Bewegung bei. Weltweit sind aktuell 252 Städte in 30 Ländern auf fünf Kontinenten, davon 17 Städte in Deutschland, Mitglied des Netzwerks.
Nördlingen hat ein weltweit einzigartiges Stadtbild. Nördlingen ist das Zentrum der einmaligen Kulturlandschaft Ries und erfreut sich einer positiven Bevölkerungsentwicklung. Neben einer prosperierenden Wirtschaft sind hoher Kultur- und Freizeitwert, aber auch Traditionsveranstaltungen wie Wochenmarkt oder Sport- und Kulturveranstaltungen Garant für eine lebens- und liebenswerte Stadt.
Im Manifest der Bewegung heißt es, „eine Citta-Slow-Stadt ist eine Stadt, in der Menschen leben, die neugierig auf die wiedergefundene Zeit sind“. Das Manifest breschreibt die Citta Slow als eine Stadt, die reich ist an Plätzen, Theatern, Geschäften, Cafés, Restaurants. Die Charakterisierung geht über zu Orten voller Geist, ursprünglichen Landschaften und faszinierender Handwerkskunst. Die Bewohner solcher Kommunen sind demzufolge Menschen, die noch das Langsame anerkennen, den wohltuenden Rhythmus der Jahreszeiten, die Echtheit der Produkte und Spontanität der Bräuche genießen, den Geschmack und die Gesundheit achten. Ergänzend heißt es im europäischen Manifest, eine Citta-Slow-Stadt stehet für Nachhaltigkeit und Qualität.
Der Stadtrat und die Verwaltung von Nordlingen sehen die Citta-Slow-Vereinigung als Ansporn und Chance, die Regionalität und die Nachhaltigkeit zu stärken. Ein breites Kulturprogramm sowie vielfältige Freizeitmöglichkeiten und Gesundheitsangebote – Boccia, Minigolf, Tennis, Bäder, Kneippbecken im kleinen Fluss Eger in der Altstadt und vieles mehr – machen das Leben in der Kleinstadt attraktiv.
Weitergehende Projekte und Maßnahmen wie Fahrradkonzept, Umstellung auf Ökostrom, verkehrsberuhigte Bereiche, Fortführung der Freizeitmöglichkeiten stehen in der Prioritätenliste der Stadt an vorderster Stelle. Nur im guten Einvernehmen mit allen relevanten Gruppierungen und Personen ist ein Paradigmenwechsel möglich. Die Veränderungen müssen von den Menschen mitgetragen werden.
Deshalb ist es unerlässlich, dass viele und Bürger mitmachen. Vor allem der Stadtmarketingverein „Nördlingen ist’s wert“ unterstützt die Bemühungen der Stadt tatkräftig. Das zum viertem Mal veranstaltete Citta-Slow-Festival zog an drei Tagen insgesamt rund 25.000 Besucheran. Das mag belegen, welchen Reiz die Vielfalt und die Regionalität der Anbieter und der Bewirtungsstände sowie des Showprogrammes hatte.
Eine Stadtentwicklung gegen die Ziele der Citta-Slow-Bewegung ist in Nördligen nicht denkbar. Selbstverständlich arbeiten wir daran, das Bewusstsein des bürgerlichen Engagements und die Ziele von Citta Slow weiter zu vertiefen, und zwar ohne spektakuläre Maßnahmen. Schaffen wir es, unsere Energiebilanz positiver zu gestalten? Gelingt uns ein Ausgleich zwischen Fußgängern, Radfahrern und Kfz-Verkehr? Schonen und sparen wir unsere natürlichen Ressourcen wie wasser und Boden optimal? Fühlen sich Kinder und Jugendliche, aber auch Senioren wohl in der Stadt? Diese Fragen und Themen müssen stetig bearbeitet werden.
Ich bin zuversichtlich, dass gerade mit der Citta-Slow-Bewegung sowie mit den Veranstaltungen und Aktionen das Bewusstsein der Menschen gestärkt wird im Sinne der Hauptziele der Stadtentwicklung: Verbesserung der Lebensqualität, Verhinderung der Vereinheitlichung und Amerikanisierung, Stärkung der kulturellen Vielfalt, Stärkung der speziellen Werte der Stadt und des Umlandes.
Um es sportlich zu formulieren: Es geht nicht darum, immer Rekorde zu erzielen, oftmals unter unverhältnismäßig hohem Einsatz von Ressourcen, sondern um die Gestaltung einer nachhaltigen Stadtentwicklung im Einklang mit Bürgerschaft und Umwelt.
Die Vision, das Ziel für die kommenden Jahre ist nicht eine einzelne Maßnahme oder ein Themenschwerpunkt, sondern vielmehr das Bewusstsein in der Bürgergesellschaft Nördlingens zu stärken, den Lebensstandard zu sichern.
Hermann Faul
Der Autor
Hermann Faul ist Oberbürhgermeister der Stadt Nördlingen in Bayern
Info: Die Große Kreisstadt Nördlingen (20.000 Einwohner) liegt im Städtedreieck Nürnberg, Ulm und Augsburg. Nördlingen ist die wirtschaftsstärkste Stadt in Nordschwaben und Zentrum im Ries. Die Gegend, vor 15 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstanden, wird immer noch als Kornkammer Schwabens bezeichnet. Der „Meteoritenkrater“ mit einem Durchmesser von 25 Kilometer wie auch die einmalige Stadtanlage ziehen Besucher aus aller Welt an. Umgeben von einer 2,7 Kilometer langen begehbaren Stadtmauer überstrahlt im Zentrum der Stadt der 90 Meter hohe Turm „Daniel“ der St. Georgskirche die Altstadt. Die Kommune feiert im Jahreslauf eine Reihe von Festen, die teils eine Jahrhunderte lange Tradition haben. Das Citta-Slow-Fest mit Schwabentag verzeichnete in diesem Jahr über 25.000 Besucher.