Politik, Energieversorger und Endverbraucher: Sie alle stehen vor der Herausforderung, wie zukünftig geheizt werden soll. Eine Möglichkeit: kalte Nahwärmenetze.
Ein Blick in die deutsche Klimabilanz zeigt, dass ein großer Teil des Energieverbrauchs auf Privathaushalte zurückzuführen ist, wo er durch Heizungssysteme und Warmwasser entsteht. Durch die Nutzung fossiler Brennstoffe werden zudem große Mengen CO2 ausgestoßen. Zur Reduktion gibt es viele Lösungsansätze an nachhaltigen Wärmequellen, Wärmespeichern und Systemkonfigurationen, die technisch und finanziell umsetzbar sind. Gleichzeitig aber werfen sie viele Fragen auf: Welche Quelle ist die richtige für ein bestimmtes Projekt? Welche Geschäftsmodelle stehen den Versorgern offen? Wer kann in der Planungsphase Unterstützung anbieten?
Ein in der Öffentlichkeit noch wenig diskutierter Ansatz sind kalte Nahwärmenetze als klimaneutrales Heizkonzept. Diese erfordern jedoch ein radikales Umdenken aller planenden Parteien, vom Architekten bis zum Versorgungsunternehmen: Die zentrale Energieversorgung mit fossilen Brennstoffen und hohen Netztemperaturen wird bei der kalten Nahwärme durch eine dezentrale Erzeugung mit niedrigen Netztemperaturen ersetzt, bei der einzelne Gebäude nun mit Wärmepumpen ausgestattet sind. Aus diesem Grund ist es laut Experten sinnvoll, die Planung von kalten Nahwärmenetzen mit einer Machbarkeitsstudie zu verknüpfen. Sie identifiziert geeignete Energiequellen und erarbeitet gleichzeitig geeignete Geschäftsmodelle für den Versorger. Wichtig sei dabei auch, quellenoffen zu arbeiten und bei jedem Projekt die individuellen Anforderungen zu berücksichtigen.
Experten sind sich darin einig, dass es eine zentrale Herausforderung bei der Umsetzung kalter Nahwärmenetze gibt: Das nötige Fachwissen ist breit verteilt, den Planern in Kommunen, aber auch den Energieversorgern fehlt es aber oft. Daher muss es das Ziel sein, Netzwerke aufzubauen, in denen Kompetenzen und Wissen vereint und ausgetauscht werden.
Praxisbeispiel Soest
Wie in vielen anderen Regionen in Deutschland herrscht im nordrhein-westfälischen Soest (rund 50.000 Einwohner) eine hohe Nachfrage nach Häusern und Wohnungen. Diesen Umstand nahm sich die Stadt zum Anlass, das Thema Wohnraum mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Im „Neuen Soester Norden“ entsteht nun ein Wohngebiet mit 600 Wohneinheiten. Was dieses neue Wohngebiet besonders macht, ist seine Energieversorgung, denn hier kommt kalte Nahwärme um Einsatz – statt fossiler Brennstoffe nutzt diese Form der Energieversorgung die natürliche Wärme der Erde, um Häuser zu heizen und sogar zu kühlen. Auf diese Weise erhofft sich die Stadt Soest, einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaneutralität zu gehen.
Das Konzept macht sich dafür die natürliche Wärme der Erde zu Nutze, denn in einer Tiefe von 1,5 bis 3 Metern herrscht ganzjährig eine konstante Temperatur von 10 °C. Wärmekollektoren nehmen diese Wärme auf, die dann von Rohren mit einem Wasser-Glykol-Gemisch in eine Energiezentrale transportiert werden. Von dort aus wird sie an die einzelnen Wohneinheiten weitergeleitet. Hier kommen Wärmepumpen zum Einsatz, welche die Wärme entziehen und sie zum Heizen nutzen, zum Beispiel in Form von Heizdecken oder Fußbodenheizung. Alternativ kann das System aber auch im Sommer dazu genutzt werden, um nachhaltig zu kühlen. Das von den Wärmepumpen auf 2 °C heruntergekühlte Wasser wird dann nach Gebrauch unter die Erde geleitet, um wieder aufgeheizt zu werden. Auf diese Weise entsteht ein nachhaltiger Kreislauf.
Die kalte Nahwärme bedeutet aber auch ein Umdenken bei den Stadtwerken. Um die einzelnen Wohneinheiten zu versorgen, gibt es zukünftig nur noch eine Quelle in Form einer Energiezentrale, welche die aus dem Erdreich gewonnene Wärme steuert, überwacht und an die Haushalte weiterleitet. In den Häusern selbst wird nur noch Strom bezogen, um Haushalt und Wärmepumpe zu versorgen. So entstehen ganz neue Geschäftsmodelle: Die Stadtwerke in Soest bieten Hausbesitzern ein „Rundum-sorglos-Paket“ an, bei dem sie die Wärmepumpe sowie die dazugehörigen Geräte wie einen Warmwasserspeicher zur Verfügung stellen und sich um Wartung und Reparaturen kümmern.
Für den Kreislauf der kalten Nahwärme ist ein umfangreiches Rohrleitungssystem nötig, welches das Wasser-Glykol-Gemisch transportiert. Insbesondere die vielen Fittings und Verbindungsstücke müssen daher sicher und zuverlässig funktionieren. Für dieses Projekt hat das Schweizer Unternehmen GF Piping Systems sein Know-how als Partner eingebracht: Im Soester Norden kommen Elektro-Schweißmuffen und Formstücke für die Führung der langen Polyethylen-Leitungen zum Einsatz. Um 360 Grad drehbare Druckanbohrventile ermöglichen zudem die zahlreichen Abzweigungen zu den einzelnen Häusern.
Durch das Baukastensystem von GF Piping Systems gestaltet sich die Installation schnell und einfach. Die Komponenten aus Hochleistungskunststoff sind darüber hinaus spannungsfrei und ermöglichen einen langlebigen und wartungsarmen Betrieb. Mit dem kalten Nahwärmenetz baut die Stadt Soest ein Wohnquartier mit ökologischem Vorzeigecharakter.
Red.