Verstärkt auftretende Hochwasser- und Starkregenereignisse, aber auch immer mehr Hitzewellen und Dürre: Wie man sich wappnen kann, hat die Stadtentwässerung Reutlingen zusammengestellt – in einem Leitfaden für nachhaltiges Regenwassermanagement.

Hochwasser tritt immer häufiger auf, verursacht unter anderem durch den Klimawandel: Es sei bereits das vierte Mal, dass er in diesem Jahr in ein Einsatzgebiet gehe, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz, als er im Frühsommer nach Bayern reiste – und rief dazu auf, den Klimawandel zu bekämpfen.
In diesen Kontext gehören auch Planung und Vorsorge, etwa die Erstellung von Hochwasserschutzkonzepten. Das Themenfeld ist längst kein ruhiger Fluss mehr, vielmehr bewegt sich einiges. Zum Beispiel Reutlingen – die Stadtentwässerung Reutlingen (SER) hat einen ausführlichen Leitfaden Regenwasser herausgegeben, der zeigt, wie die Transformation zur „wasserbewussten Stadt“ erfolgt und weiter fortschreiten soll.
Gefahrenkarten zur Vorbereitung und Warnung
Zu den Schutzmaßnahmen, die in Reutlingen ergriffen werden, gehört unter anderem die Arbeit mit Gefahrenkarten, in denen die Ausbreitungsflächen und Wassertiefen von Hochwasserereignissen dargestellt werden. Weil die Gefahr für Überflutungen nicht nur durch Flüsse und Bäche besteht, die über die Ufer treten, sondern auch durch Starkregen, erstellt die SER außerdem Starkregengefahrenkarten. Sie sollen der Feuerwehr bei ihrer Alarm- und Einsatzplanung helfen sowie gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger über die Hochwassergefahr informieren.
Gemeinsam gegen Extremwetterereignisse
Die SER ist außerdem Teil der „Hochwasserpartnerschaft Echaztal“: ein Zusammenschlusss von Reutlingen mit den Kommunen Lichtenstein, Wannweil, Kirchentellinsfurt, Pfullingen und Eningen unter Achalm. Die Kommunen kooperieren seit einem Hochwasser der Echaz im Jahr 2016, um aufeinander abgestimmte Schutzkonzepte vor Extremwetterereignissen zu erstellen.
Von Hochwasser sind potenziell alle Gebäude betroffen, nicht nur die, die sich in der Nähe von Gewässern befinden. Starkregen kann beispielsweise zur Flutung von Kellern führen. Außerdem kann ein Rückstau in der Kanalisation Wasser durch die Rohre ins Haus drücken. Auch Grundwasser kann ein Problem werden: Steigt bei starken, lang anhaltenden Regenfällen der Grundwasserspiegel, kann Wasser durch die Hauswand eindringen.
Risiko für Hochwasser
Die Echaz hat einen Höhenunterschied von 270 Metern auf einer Länge von 23 Kilometern – und damit ein großes Gefälle. Das führte in den vergangenen Jahren bereits zu Hochwasser. Durch die naturnahe Umgestaltung soll der Bach mehr Gewässerraum erhalten.
Bäche werden naturnah umgestaltet
Hochwasser lassen sich nicht verhindern – es macht jedoch einen entscheidenden Unterschied, ob das Wasser auf einer Grünfläche versickern kann oder auf versiegelten Boden fällt. Mit gezielten Regenwassermanagement setzt die SER deshalb unter anderem auf die naturnahe Umgestaltung von Flächen. So wurde in den vergangenen Jahren im Stadtteil Betzingen der Fluss Echaz mit einer Hochwasserschutzmauer naturnah ausgebaut, mit standortgerechten Gehölzen. Ebenso wurden aufwendige Renaturierungsmaßnahmen für den Dietenbach in Angriff genommen.
Eine Maßnahme, die von der SER als Baustein für eine wassersensible Stadt genannt wird, ist ebenso die Reduktion von versiegelten Flächen. Dabei spielt auch die Wahl des Bodenbelags eine entscheidende Rolle: Wenn statt Asphalt etwa Rasenfugensteine verwendet werden, kann deutlich mehr Regenwasser abfließen und versickern.

Regenwassermanagement mit grünen Dächern und Fassaden
Im Leitfaden Regenwasser sind unter anderem Retentionsflächen festgehalten, die sowohl die Verdunstung als auch die Grundwasserneubildung fördern. Das geht durch Versickerungsmulden und Tiefbeete, aber auch Rigolen und Sickerschächte. Eine wichtige Rolle bei der Klimaanpassung spielen Dach- und Fassadenbegrünung. Nicht nur für die Rückhaltung von Regenwasser, sondern ebenso gegen Hitze im Sommer.
Auch mehr Stadtbäume und öffentliche Grünflächen sowie das Anlegen von künstlichen Wasserflächen und Wasserspielen gehören zu den Maßnahmen, mit denen die baden-württembergische 117.000-Einwohner-Stadt sich auf kommende Extremwetterereignisse vorbereiten will.
Wirkungsvolle Wasserkonzepte
Im Rahmen des Leitfadens Regenwasser werden in Reutlingen aktuell drei Modellprojekte umgesetzt: In den Projektgebieten „Justinus-Kerner-Straße“, „Orschel-Hagen Süd“ und „RTunlimited“ wird eine wasserbewusste Stadtgestaltung nach dem Schwammstadtprinzip berücksichtigt. Dabei finden Dach- und Fassadenbegrünung, Zisternen zur Regenwasserrückhaltung und Bäume mit Rigolensystemen Verwendung.
Die Modellprojekte zeigen der SER zufolge, dass eine nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung starke Wirkungen zeigt: die effizientere Nutzung von Wasser, eine verstärkte Resilienz gegen Extremwetter, eine Verbesserung des Stadtklimas – und damit verbunden eine höhere Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger.
Regenwassermanagement zum Weiterlesen
Der Leitfaden Regenwasser ist auf der Internetseite der Stadtentwässerung Reutlingen abrufbar, inklusive einer
ausführlichen Vorstellung der Modellprojekte.
Hannah Henrici