Mit Wellness zu mehr Wirtschaftskraft

Der „Zukunftsmarkt Gesundheit“ ist milliardenschwer. Kommunen und Regionen, die sich konsequent auf die wachsende Nachfrage nach Gesundheitsreisen ausrichten, können von hohen Wertschöpfungspotenzialen profitieren. Wichtigster Erfolgsfaktor ist ein klares, unverwechselbares Profil.

Gesundheit bleibt nach einer repräsentativen Studie von TNS-Infratest aus dem Jahr 2016 der wichtigste Wert der Deutschen. Das Thema erlebt in der persönlichen Wahrnehmung jedes Einzelnen, aber auch in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung einen enormen Bedeutungszuwachs. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums beliefen sich die Gesundheitsausgaben im Jahr 2013 auf rund 315 Milliarden Euro – das entspricht 3910 Euro je Einwohner. Im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft werden 70 Prozent der Ausgaben durch die sozialen Sicherungssysteme finanziert. Allein die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung betrugen 2013 rund 194 Milliarden Euro (2012: 185 Mrd. Euro). Im sogenannten Zweiten Gesundheitsmarkt – dieser umfasst alle privat finanzierten Produkte und Dienstleistungen rund um die Gesundheit – flossen knapp 76 Milliarden Euro in Konsumausgaben (Stand: 2014).

Eine deutschlandweit über alle Altersgruppen repräsentative Untersuchung der auf die Bereiche Tourismus und Freizeit spezialisierten Beratungsgesellschaft Project M mit 14.500 Befragten verdeutlicht das Potenzial, das sich daraus für den Gesundheitstourismus ergibt: Knapp ein Drittel der Bevölkerung hat in den letzten drei Jahren mindestens eine Gesundheitsreise unternommen – durchschnittlich waren es sogar 2,3 Reisen. 37 Prozent der Deutschen über 14 Jahre wollen in den nächsten drei Jahren eine Gesundheitsreise unternehmen. Weitere 26 Prozent ziehen dies in Erwägung.

Gesundheitstouristen geben mehr Geld aus als durchschnittliche Reisende, insbesondere im Rahmen von Tagesausflügen. Bei ersteren sind die durchschnittlichen Ausgaben mit 108 Euro pro Tag etwa viermal so hoch. Der Gesundheitstourismus ist damit nicht nur ein großer, stark wachsender Markt, sondern auch hinsichtlich des Ausgabeverhaltens attraktiv. Für Kommunen kann sich daraus eine deutliche Wertschöpfung ergeben.

Grundvoraussetzung für den Erfolg als Gesundheitskommune oder Gesundheitsregion ist eine Spezialisierung auf wenige Schwerpunktthemen, idealerweise sogar nur auf eines. Zahlreiche Destinationen unterschiedlicher Größe haben sich bereits mit einem klaren Profil im Markt positioniert. Nachfolgend drei Beispiele:

„GesundLand“ Vulkaneifel

Drei rheinland-pfälzische Verbandsgemeinden und drei Kurorte (Daun, Manderscheid und Ulmen) spezialisieren sich auf „Gesundheit in Therapeutischen Landschaften“ und streben an, ein gesunder Lebens-, Wohn- und Arbeitsort zu sein. Ganzheitliche gesundheitliche Aspekte werden in alle Lebensbereiche getragen – von Kitas bis hin zur betrieblichen Gesundheitsförderung, von Infrastrukturmaßnahmen bis zu medizinischer Versorgung. Bemerkenswert ist der Ansatz, sich gemeinsam als Gesundheitsregion zu positionieren, anstatt sich einzeln als touristische Ziele zu präsentieren. „Weg vom Kirchturmdenken, hin zu einer Region“, lautet denn auch die Devise der Partner.

Der ganzheitliche Ansatz hebt die Schwerpunkte der Region heraus: Gesundheit durch die Kurorte Daun, Manderscheid und Bad Bertrich, dazu Wandern und Radfahren in der Vulkaneifel, die als therapeutische Landschaft bezeichnet werden kann.

Getragen wird das Projekt auf der einen Seite von der öffentlichen Hand, von den Verbandsgemeinden Daun, Manderscheid und Ulmen, die sich zunächst als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts „GesundLand Vulkaneifel“ zusammenschlossen und heute als GmbH arbeiten. Auf der anderen Seite stehen die touristischen und medizinischen Leistungsträger, die in der „Genossenschaft Gesundheitslandschaft Vulkaneifel eG“ aktiv sind. Gemeinsam werden die Produkte entwickelt und das Marketing für die Region festgelegt.

Für die erfolgreiche Umsetzung des Entwicklungskonzeptes braucht es eine breite Beteiligung: Das aktive Mittun der Leistungsanbieter (u. a. Kliniken, Ärzte, Therapeuten, Hotellerie, Gastronomie) ist Voraussetzung für ein wirksames Marketing.

Allergikerfreundliche Kommune Bad Salzuflen

Der Kurort Bad Salzufeln, der zu den bedeutendesten in Deutschland zählt, blickt auf eine lange Tradition als Staatsbad zurück. Infrastruktur und Services der nordrhein-westfälischen Stadt mit rund 52.000 Einwohnern sind voll auf Gesundheit und Gesundheitstourismus ausgerichtet. Neu: Aktuell 27 Betriebe haben sich auf die Bedürfnisse von Allergikern eingestellt.

Seit 2015 ist die Stadt als „Allergikerfreundliche Kommune“ ausgezeichnet mit dem Siegel der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF). Dieses wird nach klar definierten Kriterien vergeben. Voraussetzung ist, dass sich Kommune und Leistungsträger gleichermaßen auf Allergiker einstellen. Auf Gemeindeebene sieht dies insbesondere Maßnahmen zur Information für Allergiker und eine allergikerfreundliche Entwicklung des öffentlichen Raums, zum Beispiel durch pollenarme Bepflanzungen vor. In Salzuflen erzeugen die Gradierwerke einen Sole-Nebel und sorgen damit für eine allergikerfreundliche Luftqualität ähnlich wie in Küstenorten.

Das ECARF-Siegel ist eine Orientierungshilfe bei der Urlaubsplanung und für Bad Salzuflen ein vielversprechendes Positionierungsmerkmal. Durch die konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse von Gesundheitsgästen wird nicht nur die Gesundheits- und Tourismuswirtschaft nachhaltig gestärkt. Vielmehr werden für die Bürger in vielfacher Hinsicht Mehrwerte geschaffen: Die gesundheitliche Versorgung ist optimal – angesichts des demografischen Wandels ein wichtiger Standortvorteil. Durch Kuranlagen und eine angepasste Stadtgestaltung entsteht eine überragende Aufenthaltsqualität. In Gesundheits- und Tourismuswirtschaft werden qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen, für Unternehmen verbessern sich die weichen Standortfaktoren, was die Deckung des Fachkräftebedarfs erleichtert.

„HealthRegion“ Freiburg

In und um Freiburg (rund 222.000 Einwohner, Baden-Württemberg) kombiniert die „HealthRegion Freiburg“ mit Gesundheitswirtschaft und Tourismus die zwei stärksten Wirtschaftszweige der Region. Dazu koordiniert die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe-Gesellschaft (FWTM) die Clusterinitiative „Healthcare & Economy“. Das Projekt ist EFRE-gefördert und wird von rund 36 Unternehmen und Institutionen aus Gesundheitswirtschaft und Tourismus getragen.

Unternehmen und Einrichtungen aus beiden Sektoren und die führenden Kliniken bieten ein aufeinander abgestimmtes Angebot zur Erhaltung und Wiederherstellung von Lebensqualität und Leistungsfähigkeit mit einer klaren Betonung einer hohen medizinisch-therapeutischen Qualität. Dabei werden innovative Ansätze und die Verknüpfung mit der Wissenschaft besonders herausgestellt. Diese Ausrichtung trägt zu einem von Kompetenz und Innovationskraft geprägten Standortimage bei.

Medizin- und Gesundheitstourismus in der Region werden gestärkt und damit ein entscheidender Beitrag zur Sicherung bestehender und Schaffung neuer gesundheitsorientierter Arbeitsplätze geleistet. Kooperations-, Innovations- und Wertschöpfungspotenziale sollen durch die Zusammenarbeit konsequent ausgebaut werden. So erzielt Freiburg einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten regionalen Standortentwicklung und eine kompetenzbasierte Positionierung im Gesundheits- und Medizintourismus.

Richten sich Kommunen auf ein bestimmtes Thema im Gesundheitstourismus konsequent aus, so stellt sich der Erfolg – das zeigen die Erfahrungen vieler Vorreiter – nicht nur mit besseren Tourismuszahlen ein. Lebensqualität und Standortqualität des Ortes werden entscheidend verbessert. Hiervon profitiert der Ort insgesamt: die Bürger, die Wirtschaft, Einzelhandel und Gewerbe.

Anne Dorweiler / Cornelius Obier

Die Autoren
Anne Dorweiler ist Consultant bei der auf die Bereiche Gesundheit und Tourismus spezialisierten Beratungsgesellschaft Project M mit Standorten in Hamburg, München und Trier, Cornelius Obier ist geschäftsführender Gesellschafter der Project M und des Europäischen Tourismus Instituts (ETI)