Mit verschiedenen Strategien zu weniger Motorradlärm

Motorradkrach wird von vielen Menschen als besonders lästig empfunden. Der Lärmschutz-Beauftragte der Landesregierung von Baden-Württemberg, Thomas Marwein, erläutert im Interview die Problemlage. Große Erwartungen setzt er in die kombinierte Lautstärkemessung und -displayanzeige, die jüngst getestet wurde.

Herr Marwein, als Lärmschutzbeauftragter der Landesregierung sind Sie Ansprechpartner für die Bürger. Erhalten Sie viele Beschwerden über zu laute Motorräder?

Marwein: Der Motorradlärm hat leider einen sehr hohen Anteil an den Beschwerden und Hilfegesuchen, die mich erreichen. Vermutlich ist dies aber nur die Spitze des Eisberges. Bezeichnend ist, dass die Beschwerden mich nahezu aus allen Landesteilen erreichen. Es ist also nicht nur ein Problem von besonders attraktiven Motorradstrecken im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb, auch wenn diese einen Schwerpunkt bilden.

Was antworten Sie den Bürgern, die auf Unterstützung hoffen? Das Problem ist ja immerhin komplex und umfasst Fahrzeugtechnik, rechtliche Vorgaben und menschlichen Unverstand …

Marwein: Dass die Situation leider schwierig ist. Sie haben schon wichtige Schlagwörter genannt. Ein Problem ist das persönliche Fahrverhalten einzelner Biker. Wird im moderaten Drehzahlbereich ohne starkes Beschleunigen oder Abbremsen gefahren, dann hält sich auch der Lärm in Grenzen. Ein weiterer Punkt sind unzulässige Manipulationen an den Motorrädern. Kontrollen durch die Polizei bewirken hier viel. Das erforderliche technische Wissen und die großflächige Verbreitung des Problems machen es jedoch unmöglich, die Kontrollen in der Intensität zu betreiben, wie es sich die Lärmbetroffenen wünschen. Und dann sind da noch die europaweit gültigen Vorschriften für die Genehmigung von neuen Motorradmodellen, die leider weit hinter dem zurückbleiben, was aus Lärmschutzsicht erforderlich ist.

Das Land Baden-Württemberg hat jüngst eine Testreihe absolviert, um mit der kombinierten Lautstärkemessung und -anzeige am Straßenrand an die Vernunft der Motorradfahrer zu appellieren. Welches Resümee ziehen Sie nach den Tests?

Marwein: Ein sehr positives! Mit unseren Motorradlärm-Displayanzeigen sprechen wir mit einer Einblendung der Aufforderung „Leiser!“ nur die zu lauten Motorradfahrer an. Die Gerätekombinationen bewirken eine 40-prozentige Verringerung des Anteils der Motorräder mit besonders hohen Schallpegeln an allen Vorbeifahrten. Im Mittel führt dies zu einer wahrnehmbaren Lärmminderung von 1,1 bis 2,2 dB(A) und das auch über längere Zeiträume, ohne dass ein Gewöhnungseffekt eintritt. Und nicht zuletzt bewirken die Displays eine Reduzierung von Geschwindigkeitsüberschreitungen und haben somit eine positive Auswirkung auf mögliche Gefahrensituationen.

Sollte sich eine Gemeinde für die Messtechnik interessieren. Was kostet die Einrichtung?

Marwein: Zu den reinen Anschaffungskosten kommt noch die Einrichtung der Gerätekombination durch den Hersteller vor Ort hinzu. Insgesamt liegen die Kosten bei etwa 14.000 Euro. Gelegentlich müssen dann die Akkus des Messgerätes gewechselt werden. Das kann aber gut durch die Gemeinde selbst erledigt werden. Als Entscheidungshilfe für die Anschaffung empfehle ich den Gemeinden unseren Bericht zur Anwendung der Motorradlärm-Displayanzeigen.

Die Kommunen sollen in vielen Fällen richten, was auf höheren politischen Ebenen versäumt wurde. Konkret: Wie sollten Ihrer Ansicht nach die EU-Vorgaben und daran anknüpfend die bundesrechtlichen Bestimmungen beschaffen sein, um zu laute Maschinen erst gar nicht auf die Straßen zu lassen?

Marwein: Ich habe bereits die Vorschriften zur Genehmigung von neuen Motorradmodellen in der Zuständigkeit der EU erwähnt. Wenn ein Modell erfolgreich diese sogenannte Typgenehmigung durchlaufen hat, dann darf es bis zu seiner Verschrottung sehr lange legal auf den Straßen fahren. Daher ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass die Anforderungen hinsichtlich der einzuhaltenden Emissionswerte möglichst streng sind, und vor allem, dass die Vorschriften zur Typgenehmigung hinsichtlich der Schallabstrahlung wirklich alle real möglichen Betriebszustände abdecken. Gleiches gilt auch für die Genehmigung von Zubehörteilen. Außerdem muss die Entwicklung einer praxistauglichen Kontrollmöglichkeit vorangetrieben werden, um schwarze Schafe unter den Motorradfahrern zumindest bei Anhaltekontrollen rechtssicher überführen zu können.

Tempobeschränkungen sind eine mögliche Maßnahme, um lärmgeplagte Anwohner zu schützen, erfordern aber auch Kontrollen, um sie durchzusetzen. Bleiben den Kommunen als letztes Mittel vor der Resignation nur unpopuläre Sperrungen beliebter Bikerrouten zum Beispiel an Wochenenden?

Marwein: Bei der derzeitigen Rechtslage gibt es nicht die eine Maßnahme zur Minderung des Motorradlärms. Aus meiner Sicht müssen wir mit verschiedenen Strategien versuchen, eine Verbesserung herbeizuführen. Die Herausforderung liegt darin, dass sich eine Einflussnahme auf die maßgeblichen Entscheidungsgremien nicht nur für die Bundesländer, sondern sogar für den Bund schwierig gestaltet. Beispielsweise wird für eine Verschärfung der Typgenehmigung die Beschlussmehrheit der EU-Mitgliedsstaaten benötigt. Jedoch räumen nicht alle EU-Länder dem Schutz vor Motorradlärm eine hohe Priorität ein. Nach meiner Kenntnis sind Streckensperrungen aus Lärmschutzgründen ausschließlich für Motorräder nur dann zulässig, wenn der Verkehr nicht ortsüblich wäre, das heißt, wenn das Verkehrsaufkommen ausschließlich oder ganz überwiegend aus Motorrädern bestehen würde. Dieses ist aus Lärmschutzsicht zu bedauern, entspricht aber der geltenden Rechtslage.

Interview: Jörg Benzing

Zur Person: Thomas Marwein ist Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Offenburg in Baden-Württemberg und setzt sich als Beauftragter der Landesregierung für den Lärmschutz für eine Verbesserung des Schutzes vor Lärm in der Breite ein.