Die Stadt Oberursel im Taunus betrachtet die Lichtgestaltung im öffentlichen Raum ganzheitlich. Der Masterplan Licht trägt den Aspekten Energieeffizienz, Beleuchtungsqualität und Sicherheit gleichermaßen Rechnung. Er ist so ausgelegt, dass auch künftige Innovationen berücksichtigt werden können.
Die Beleuchtung der Straßen zählt seit vielen Jahrzehnten zu den Pflichtaufgaben jeder Kommune. Sie ist nicht rentierlich, durch neue Technologien werden jedoch hohe Potenziale zur Kosteneinsparung greifbar, und es kann ein funktioneller Mehrwert generiert werden. Die Straßenbeleuchtung dient primär der Sicherheit im Stadtgebiet. Sie gewinnt aber auch als Gestaltungselement zunehmend an Bedeutung.
Durch den Einsatz der LED-Technik sind vielfältige Leuchtenformen am Markt verfügbar, die mit technischen Funktionen wie WLAN, Notruf, Umwelt-Sensoren, Präsenzmelder und Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge angereichert werden können. Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Oberursel (Hessen) im Herbst 2015 beschlossen, einen Masterplan Licht zu entwickeln, in dem die Randbedingungen für die zukunftsorientierte Lichtgestaltung im gesamten Stadtgebiet definiert werden sollen. Dieser umfasst nicht nur die rund 5700 Lichtpunkte der Straßenbeleuchtung, sondern berücksichtigt auch markante Orte wie Plätze, Brunnen, Denkmäler in allen Stadtteilen.
Der Auftrag hierzu wurde an die Syna, ein Tochterunternehmen der Süwag Energie erteilt. Die Syna-Mitarbeiter am Standort im benachbarten Bad Homburg sind für die Planung, den Bau und den Betrieb der Straßenbeleuchtungsanlage zuständig. Der städtische Eigenbetrieb „Bau & Service, Oberursel“ (BSO) war verantwortlicher Projektpartner in der gemeinsamen Arbeitsgruppe. In dieser wurde mit der hinzugezogenen Nassauischen Heimstädte unter Federführung des Energieversorgers zunächst eine Zieldefinition für die Lichtkonzeption erarbeitet.
Die wesentlichen Aspekte: die Attraktivität städtebaulich markanter Orte steigern (Objektbeleuchtung für Denkmäler, Gebäude, Skulpturen, Brunnen); Steigerung der Wohnqualität durch optimierte Straßenbeleuchtung; Erhöhung der Sicherheit insbesondere auf Fußgängerüberwegen, Schulwegen und Plätzen; Verbesserung der Infrastruktur in Veranstaltungseinrichtungen; Einsatz neuster Technologie mit zukunftsorientierten Optionen, Senkung von Energieverbrauch und Betriebskosten, Randbedingungen für Investitionsentscheidungen festlegen.
Grundlagen für künftige Gestaltung
Damit werden die Anforderungen und Rahmenbedingungen für die lichttechnische Gestaltung des öffentlichen Raums definiert, ohne die Nutzung technischer Weiterentwicklungen einzuschränken. Ferner werden daraus Empfehlungen für die Umsetzungsmaßnahmen und deren Priorisierung abgeleitet und damit die Grundlagen für die künftige Gestaltung der öffentlichen Lichträume festgelegt. Demnach stellt der Masterplan die Leitplanken und bietet zudem eine Checkliste für die künftige Detailplanung konkreter Stadtentwicklungs-Projekte.
Als Schwerpunkte für die Ausgestaltung des Masterplans wurden die Bereiche Städtebau, Verkehr, Grünräume, Denkmäler, Sicherheit, Kultur, Technik sowie Klima und Energie festgelegt. Aus der Umsetzung der Ziele resultieren vielfältige Anforderungen und technische Faktoren, die eng miteinander verknüpft sind. Diese Komplexität wurde mit einem „Schichtenplan“ durch Herausgreifen einzelner Betrachtungsebenen aufgelöst, so zum Beispiel „Schicht 1: Stadtteilzentren / Veranstaltungsplätze / Denkmäler / Brunnen“, „Schicht 2: Schulwege“, „Schicht 6: Gewerbegebiete“.
Auf zahlreichen Ortsterminen wurden alle relevanten Situationen im Stadtgebiet durch eine Fotodokumentation erfasst. Beginnend mit der Betrachtung der Stadtteilzentren und der Veranstaltungsplätze wurden die detaillierten Randbedingungen bis hin zu den technischen Anforderungen an die Straßenbeleuchtung und die Optionen für deren Steuerung erarbeitet. Für die Betrachtungsebene der „Stadtteilzentren / Veranstaltungsplätze / Denkmäler / Brunnen“ wurde ein möglicher Handlungsbedarf anhand verschiedener Kriterien analysiert. Dazu zählen unter anderem die Anstrahlung von Einzelobjekten (Gebäude, Denkmal, Bewuchs), die Ausleuchtung der Fläche und der begrenzenden Straßen oder auch die eforderliche Netzinfrastruktur (Festplatz-Anschluss) und geforderte Optionen für künftige Nachrüstungen (z. B. WLAN, E-Mobilität, Beschallung, Public-Viewing).
Energieeinsparung von bis zu 1 Million kWh
Ein besonderes Augenmerk gilt der Energieeinsparung durch die Umstellung konventioneller Leuchten auf LED-Technik. Aus der Bestandsaufnahme der Straßenbeleuchtung wurde ein durch die ErP-Richtlinie (ErP: Energy related Products-Directive) der EU ausgelöster Handlungsbedarf erkennbar. Da diese sogenannte Öko-Design-Richtlinie den Austausch aller mit SON-H 110 Watt bestückten Leuchten erzwingt, müssen viele Leuchten im Stadtgebiet in den nächsten Jahren ausgetauscht werden. Dafür wurde eine Strategie zur Umstellung entwickelt, die durch Inkraftsetzung des Masterplans umgesetzt werden soll. Damit und mit der insgesamt angestrebten, weitestgehend flächendeckenden Umstellung auf LED soll eine Energieeinsparung von bis zu 1 Million Kilowattstunden (kWh) pro Jahr erreicht werden.
Neben Effizienzsteigerung und Verbesserung der Beleuchtungssituation bei gleichzeitiger Verbrauchssenkung spielt auch die Sicherheit eine große Rolle. Durch rechtzeitige und bessere Erkennbarkeit von Passanten und Hindernissen sollen mögliche Gefahrensituationen und auch „dunkle Ecken“ als Ausgangspunkt für Übergriffe auf Passanten erkannt und entschärft werden. Entsprechende Planungen werden daher mit den zuständigen Stellen in der kommunalen Verwaltung im Allgemeinen, sowie im Rahmen von Veranstaltungen im jeweiligen Sicherheitskonzept im Besonderen abgestimmt.
Auch im Bereich der sogenannten Halbnachtschaltung sollen Einsparungen erzielt werden. Hat man seither in weiten Teilen des Stadtgebietes um 24 Uhr in den Halbnachtbetrieb (HN) geschaltet und um 5 Uhr wieder zurück, soll der Zeitraum nun ausgeweitet werden. Der HN-Betrieb soll künftig über eine Dimmung der gesamten Anlage um etwa 50 Prozent erfolgen. Auf das seitherige abschalten jeder zweiten Leuchte soll künftig verzichtet werden.
Für alle neuen Leuchten im Stadtgebiet soll eine standardisierte Datenschnittstelle (derzeit DALI-2-Schnittstelle (DALI: digital adressable lighting interface) vorgesehen werden. Diese ermöglicht autorisiertem Personal via Tablet oder auch per Smartphone die individuelle Schaltung der Beleuchtungsanlage. Das ist zum Beispiel in Veranstaltungsbereichen wünschenswert. Die Kosten hierfür fallen bei einer Neuanlage nicht ins Gewicht. Zudem kann an einer solchen Schnittstelle heute oder auch später unterschiedlichste Sensorik betrieben werden: flächendeckend Verkehrsdaten erheben und übermitteln, Smart Parking, Temperaturmessung, um nur einige Beispiele zu nennen.
Einheitliches Leuchten-Stadtbild angestrebt
Die Umstellung auf LED-Technik stellt zahlreiche weitere Anforderungen an die Planung künftiger Beleuchtungsanlagen. Das sind zum Beispiel die Vermeidung von „Lichtverschmutzung“, weitestgehende Reduzierung möglicher Blendwirkung der Straßenbeleuchtung auf Anwohner und Passanten sowie die Vermeidung negativer Einflüsse etwa auf Insekten beispielsweise durch Einsatz von Präsenzbeleuchtung. Die Auswahl der Lichtfarbe hat erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Beleuchtung und der Umgebung. So wird für Altstadtleuchten, Ortskerne und Parkanlagen zum Beispiel warm-weiß (2400 bis 3200 Grad Kelvin) empfohlen, während auf Hauptstraßen, Wohnstraßen und auch auf Schulwegen neutral-weiß (4000 Grad Kelvin) eingesetzt werden soll.
Im gesamten Stadtgebiet ist über viele Jahrzehnte – jeweils geprägt vom Jahr der Errichtung – eine Vielzahl unterschiedlichster Leuchtentypen und Mastformen im Einsatz. Künftig wird hier ein möglichst einheitliches Stadtbild angestrebt, wobei jedoch die örtlichen Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden sollen. Im Masterplan wurden daher Empfehlungen für die künftig zu verbauenden Leuchtenformen hinterlegt. Jedoch wurden weder Hersteller noch marktgängige Leuchten ausgewählt. Weiter soll bei künftigen Planungen jeweils geprüft werden, ob die E-Mobilität durch mögliche Integration von Ladestationen in Mastleuchten gefördert werden kann (Bereiche mit höherer Verweildauer möglicher Nutzer).
Im Rahmen einer Ausstellung im Rathaus in Oberursel wurden die wesentlichen Aussagen des Masterplans der Öffentlichkeit vorgestellt und diese zur Mitwirkung durch Abgabe von Statements aufgefordert. Nach Einarbeitung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse in den Masterplan Licht hat der Gremiendurchlauf begonnen. Im Dezember 2016 soll der Masterplan Licht von der Stadtverordneten-Versammlung formal beschlossen werden.
J.-Dietrich Reinking / Frank Veith
Die Autoren
Dr. J.-Dietrich Reinking ist Standortleiter des Energieversoegers Syna in Bad Homburg, Frank Veith ist Mitarbeiter der Abteilung Tiefbau, Bau und Service der Stadt Oberursel