Die Nachfrage nach Logistikimmobilien steigt bundesweit. Wie Kommunen möglichst schnell geeignete Flächen zur Verfügung stellen können, erläutert Jim Hartley, Managing Director Northern Europe beim Unternehmen SEGRO.
Seit Pandemiebeginn wächst der Umsatz im Online-Handel kontinuierlich. Viele Kundinnen und Kunden werden auch nach Corona bequem von der heimischen Couch die unterschiedlichsten Waren bestellen. Dieses Wachstum im E-Commerce-Sektor treibt die Nachfrage nach geeigneten Logistikimmobilien in die Höhe. Gemäß einer Studie des Immobilienberaters CBRE wird der Online-Handel allein in Deutschland mehr als vier Millionen Quadratmeter an zusätzlicher Fläche benötigen. Und der E-Commerce ist bei Weitem nicht der einzige Nachfragetreiber: Auch die neue Regionalität der Produktion und der Strukturwandel im Automotive-Sektor erhöhen die Flächennachfrage.
Dennoch werden deutlich weniger Flächen entwickelt als benötigt – es mangelt an Bauland. Hinzu kommt, dass besonders in Metropolregionen Logistiknutzungen ebenso wie Gewerbeparks häufig mit anderen Immobilientypen konkurrieren. In der Folge müssen Logistikimmobilien häufig zurückstecken. Dabei ist eine funktionierende Logistik für die Versorgung der lokalen Bevölkerung unerlässlich. Sie ist eine der wichtigsten Grundlagen dafür, dass in den Städten eine moderne Wirtschaft und Lebensweise möglich sind.
Ähnliche Tendenzen zeigen sich in kleineren ländlichen Gemeinden in Autobahnnähe. Hier entstehen üblicherweise Big-Box-Logistikimmobilien, die als Zentrallager dienen. Dort werden oft Bedenken geäußert wegen steigenden Verkehrs oder hoher Energie- und Lärmemission bei gleichzeitig versiegelten Grundflächen. Und selbst wenn Kommunen aufgeschlossen sind, können sich Bürgerinitiativen gegen die Ansiedlung bilden.
Beitrag zur Klimaneutralität
Vor diesem Hintergrund haben sich die Entwicklerkonzepte bei Logistikimmobilien in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Inzwischen werden viele neue Hallen so entwickelt, dass sie nicht nur den Anforderungen der Nutzer entsprechen, sondern auch Mehrwerte für die Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger vor Ort bieten.
Unter dem Themenfeld ESG (Environment, Social, Governance) werden moderne Immobilien so konzipiert, dass sie Negativfolgen wie CO2-Emissionen durch übermäßige Energieverbräuche vermeiden. Zudem werden aktiv Mehrwerte geschaffen. Dieser Schritt von der Klimaneutralität hin zur Klimapositivität kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass großformatige Photovoltaikanlagen installiert werden. Sie produzieren mehr Energie, als sie verbrauchen. Die überschüssige Energie kann anschließend in das lokale Stromnetz eingespeist werden.
Dieser Ansatz steht im Einklang mit den ehrgeizigen Zielen der neuen Bundesregierung, den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2030 von derzeit 42 Prozent auf 80 Prozent zu erhöhen – denn aufgrund der Größe der Dachflächen kann eine hohe elektrische Leistung erzielt werden.
Brownfields weiterentwickeln
Dennoch kann kein Entwickler verlangen, dass eine Kommune unbegrenzt Baugrundstücke freigibt. Daher werden seit den 2010er Jahren verstärkt Brownfields neu entwickelt: brach liegende Industriegelände wie Zechen, alte Werksgelände oder abgeschaltete Kraftwerke, die bereits infrastrukturell erschlossen sind.
Für solche Redevelopments sind mitunter Bodensanierungen oder ähnliche Altlastenbeseitigungen notwendig. Dafür kann in einigen Fällen ein Teil der abgebrochenen Bausubstanz recycelt und wiederverwendet werden. Ergänzt wird dieser Ansatz um die Auswahl regional gefertigter Baumaterialien sowie um die Verwendung von Holz an verschiedenen Stellen der Immobilie. Dies sorgt dafür, dass möglichst wenig „graue Energie“ bei Transport und Bau freigesetzt wird.
Zudem ist es in manchen Projekten möglich, bereits versiegelte Flächen zu renaturieren und mit heimischen Tier- und Pflanzenarten zu bevölkern. Auf diese Weise können Logistikimmobilienprojekte aktiv dazu beitragen, die lokale Biodiversität zu stärken.
Wirtschaftlicher Einfluss auf die gesamte Region
Hinter diesen Ansätzen steht ein einheitliches Grundprinzip: Die Immobilie soll sich nahtlos in das jeweilige Stadtbild beziehungsweise Panorama einfügen. Dies gilt nicht nur für die Architektur, sondern auch für die Verkehrsströme. Daher ist eine gute Anbindung an die öffentlichen Linien für viele Entwickler ein wichtiges Kriterium – auch deshalb, weil die Attraktivität des Mieters als Arbeitgeber dadurch steigt.
Eine weitere Maßnahme, die auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden einzahlen kann, ist die Entwicklung von Lounges oder Außenbereichen mit Sitzgelegenheiten und Sportgeräten. Sie ermöglichen den Austausch der Mitarbeitenden untereinander und bieten darüber hinaus Gelegenheiten für den körperlichen Ausgleich in der Mittagspause.
Ebenso ist der wirtschaftliche Einfluss von Logistikimmobilien auf die gesamte Region nicht zu unterschätzen: Große Unternehmen suchen aktuell und künftig nach geeigneten Logistikflächen. Eine Logistikimmobilie bedeutet demnach, dass sich diese in der Region ansiedeln und vor Ort neue Arbeitsplätze schaffen können. Darüber hinaus wird die Logistikwirtschaft immer vielseitiger: Die unterschiedlichsten Branchen vom E-Commerce bis hin zum Gesundheitswesen erfordern immer spezialisiertere Logistikprozesse, strategisch günstige Lagen und wachsendes Know-how. Deshalb können Kommunen, die passende Flächen bereithalten, langfristig von stabilen Unternehmen aus einer der wichtigsten deutschen Wachstumsbranchen profitieren.
Der Autor: Jim Hartley ist Managing Director Northern Europe beim Unternehmen SEGRO.