Große gesellschaftliche Aufgaben erfordern Lösungen, die von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam getragen werden. Die neue Intersectoral School of Governance Baden-Württemberg nimmt diesen Impuls auf und bietet ein praxisorientiertes Weiterbildungsprogramm für Führungskräfte an.
Von Mobilitätsstrategien der Zukunft bis zur Integration geflüchteter Menschen: Gesellschaftspolitische Herausforderungen erfordern eine bessere Kommunikation und Koordination zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Notwendig ist also „intersektorale Governance“. Diese Kompetenz vermittelt die neue Intersectoral School of Governance Baden-Württemberg (ISoG BW), angesiedelt am Center for Advanced Studies der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Die ISoG BW bietet ab Mai 2020 ein berufsbegleitendes und sogar berufsintegrierendes „Executive Programme“ für leitende Mitarbeiter der drei Sektoren.
„Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollen und müssen in einer vielfach vernetzten Dynamik interagieren, um öffentliche Projekte zum Erfolg zu führen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann während der Auftaktveranstaltung des Programms Ende Oktober 2019. „Es gibt heute kaum ein Vorhaben, bei dem man es sich leisten könnte, im eigenen Saft zu schmoren. Silo-Denken hat ausgedient“, so brachte es Kretschmann auf den Punkt. Der Ministerpräsident ist seit Jahren ein großer Befürworter eines neuen intersektoralen Lernraums. Nun hat das Land ihn gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband Südwestmetall, der Dieter-Schwarz-Stiftung und der Robert-Bosch-Stiftung realisiert. Kooperationspartner der ISoG sind die Führungsakademie Baden-Württemberg und die beiden Verwaltungshochschulen des Landes. Die ISoG BW ist während der kommenden Jahre der Pilotphase mit 3,5 Millionen Euro ausgestattet.
Zentraler Baustein ist das „Executive Programme“ für Leitungs- und Fachführungskräfte aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, das erstmals im Mai startet (s. Info unten). Wer Führungsverhalten in einem umfassenden, nicht allein auf den eigenen Sektor eingeschränkten Verständnis entwickeln will und schon an Schnittstellen intersektoraler Zusammenarbeit tätig ist, ist hier richtig. Denn die Kursgruppen sollen jeweils zu einem Drittel aus Vertretern der drei Sektoren bestehen. Sie arbeiten mit direktem Bezug zu ihrem Berufsalltag – wie üblich bei einer CAS-Einrichtung.
Die DHBW hat langjährige Erfahrungen mit berufsintegrierenden Studienangeboten auf Bachelor- und Masterniveau. Das bedeutet, dass auch die Studierenden der ISoG BW ihr Wissen stets über die gemeinsame Arbeit an realen Projekten erweitern, Fragen aus der eigenen Berufspraxis einbringen und das Gelernte zurück am Arbeitsplatz anwenden und überprüfen können. Theorie und Praxis werden damit kontinuierlich und systematisch rückgekoppelt.
Bei den konkreten Fällen (case studies), an denen die Studierenden der ISoG BW in Teams arbeiten, stehen neben dem neuen Wissen vor allem dessen Anwendung und das gemeinsame Lernen im Vordergrund. Dem dienen folgende Leitthemen:
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Governance: Was ist Governance, wie sind die Strukturen und wie kann ich konkrete Problemstellungen analysieren?
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Multi-Lingualität: Was für verschiedene Kulturen, Codes, Sprachen prägen die verschiedenen Sektoren? Wie funktionieren die einzelnen Sektoren, wie funktioniert intersektorale Kommunikation?
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Konflikte und Blockaden: Wie wird Kommunikation gestört und wie gehe ich z. B. mit hoch emotionalisierter Kommunikation um?
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Multimedialität: Was sind typische/ungewöhnliche, informelle/offizielle Kommunikationsmedien? Wie nutze ich sie?
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Projekt Governance: Wie initiiere, leite und strukturiere ich Governance-Prozesse? Wie schaffe ich eine Prozessdramaturgie? Wie initiiere ich agile Prozesse?
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Governance Cluster: Wie verstetige ich intersektorale Governance? Wie kann ich sie ausweiten (auf andere Standorte, Regionen, Themen)?
Die Organisationen entsenden jeweils selbst die Teilnehmer, die an dem „Executive Programme“ teilnehmen sollen. Außerdem wird die ISoG BW gemeinsam mit ihnen öffentliche Diskurse zu Vorhaben organisieren, die ein intersektorales Zusammenwirken erfordern.
Ministerpräsident Kretschmann freute sich während der Auftaktveranstaltung auf eine rege Beteiligung aus Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft: „Wir erleben heute tagtäglich, wie eine moderne, aufgeklärte und, Gott sei Dank, auch aufmüpfigere Zivilgesellschaft transparente Verfahren und gute Begründungen erwartet. Die Intersectoral School of Governance ist daher eine Investition in die Zukunft unseres Landes, die sich auszahlen wird.“
Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, erklärte: „Wir Arbeitgeber sind darauf angewiesen, dass uns die Gesellschaft in ihren verschiedenen Facetten als Partner begreift und eine Verwaltung die Belange und Nöte der Wirtschaft richtig einschätzen kann. Deshalb sind wir von der Idee einer School of Governance überzeugt, wo sich Führungskräfte aus allen Bereichen auf Augenhöhe treffen.“
Paul-Stefan Roß
Der Autor
Prof. Dr. Paul-Stefan Roß ist Programmverantwortlicher der Intersectoral School of Governance Baden-Württemberg (ISoG BW) und Dekan des Fachbereichs Sozialwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg – Center for Advanced Studies in Heilbronn
Info: Intersektorale Führung
Das Zertifikatsprogramm „Intersectoral Governance Baden-Württemberg (ISoG BW)“ am Center for Advanced Studies der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn im Überblick:
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Dauer: sechs Module mit ca. 30 Präsenztagen (acht Blockveranstaltungen von drei bis fünf Tagen) innerhalb von 18 Monaten
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Abschluss: Programme-Zertifikat „Intersectoral Governance“; optional mit Prüfungen: Hochschulzertifikat (Diploma of Advanced Studies) mit 30 ECTS-Punkten, die ggf. auf Master-Programme angerechnet werden können.
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Kosten: 9000 Euro inkl. aller Gebühren; Teilstipendien und Ermäßigungen möglich
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Kontakt: www.cas.dhbw.de/isog