Leipzig wird zur Sponge City

Intelligente Gründach-Pilotanlage: Seit Herbst 2021 werden am Retentionsgründach-Carport am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) wichtige Kennzahlen zur Wasser- und Energiebilanz generiert und Bewässerungsexperimente durchgeführt. Foto: UFZ/M. Ueberham

Steigende Temperaturen und Starkregen: Um beiden Herausforderungen gerecht werden zu können, will Leipzig zur Sponge City werden. Dazu beitragen sollen zusätzliche Grünflächen und Versickerungsmöglichkeiten.

In der Innenstadt, aber auch in anderen stark versiegelten Quartieren der Stadt Leipzig treten die Herausforderungen des Klimawandels besonders zutage: Hitze und Dürre auf der einen und Starkregenfälle auf der anderen Seite. Mit der steigenden Verdichtung, bedingt durch das Wachstum der sächsischen Stadt, verschärft sich das Problem. Die Umgestaltung zur Schwammstadt („Sponge City“) soll beides lösen.

Über eine freiraumorientierte Stadtentwicklung schafft die Stadt Leipzig (rund 587.000 Einwohner) die Grundlage für eine „doppelte Innenentwicklung“. Sie bezieht die graue Infrastruktur – in Form von Gebäuden, Straßen und anderer versiegelter Flächen – ein, erweitert und qualifiziert die grün-blaue Infrastruktur. Dies geschieht beispielsweise durch Straßenbäume, Parks und naturnahe Gewässer, die neben Kühlung, Regenrückhalt und Erholung viele weitere Funktionen erfüllen, um die Stadt lebenswerter zu machen.

Strategien und Maßnahmen zur Sicherung sowie Entwicklung der grün-blauen Infrastruktur formuliert der Masterplan Grün Leipzig 2030. Bei der Entwicklung eines neuen Stadtquartiers, beispielsweise des Eutritzscher Freiladebahnhofs, und bei der Entwicklung neuer Grünflächen wie der Rietzschke-Aue Sellerhausen wird das Thema Schwammstadt bereits mitgedacht.

Raum für Mensch und Natur

Die Stadt Leipzig setzt einerseits die Europäische Wasserrahmenrichtlinie um, die vorgibt, dass Gewässer in einen guten Zustand gebracht werden müssen. Sie geht aber auch im Sinne der Schwammstadt darüber hinaus: Mit der Rietzschke-Aue wurde eine Klimaoase und ein Retentionsraum geschaffen, der gleichzeitig der Neugestaltung und der Renaturierung dient.

Auf einer ehemaligen Kleingartenanlage entstand auf rund 18.000 Quadratmeter Fläche ein neuer öffentlicher, naturnaher Stadtteilpark für den Leipziger Osten. Die Freifläche dient der Verbesserung des Freizeit- und Aufenthaltswertes für die hoch verdichteten, nördlich angrenzenden Wohnquartiere. Ebenso dient er als Retentionsfläche, um die Wassermassen bei starken Regenereignissen abzufangen.

Hier wurde Raum für Natur und Mensch geschaffen. Damit schlägt die Rietzschke-Aue die Brücke zwischen naturräumlichen, sozialen und klimatischen Anforderungen – und wurde dafür bereits vom Bündnis der Kommunen für Biologische Vielfalt zum Naturschutzprojekt des Jahres 2022 gekürt.

Gefahrenkarten für Starkregen

Im Quartier 416 wird das Schwammstadt-Konzept in einem wissenschaftlich begleiteten Planungsprozess für ein gesamtes neues Stadtquartier umgesetzt. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer fördert Beratung zum Thema Fassadenbegrünung im Rahmen des Projektes Kletterfix. Wesentliche Elemente, die bereits in Leipzig Anwendung finden, sind Baumrigolen, Retentionsgründächer, Rigolen und natürliche Versickerungsflächen durch Geländemodellierung.

Einen wichtigen Beitrag zur standortgerechten Planung dieser blau-grünen Infrastrukturen stellen auch Starkregen- und Abflussmodelle dar, die bereits gesamtstädtisch vorhanden sind und von Fachplanern angewendet werden. Im Rahmen des Projektes „KAWI-L – Kommunale Anpassungsstrategien für wassersensible Infrastrukturen in Leipzig“ haben Stadt und Wasserwerke eine Starkregengefahrenkarte erstellt, die drei Regenszenarien mit unterschiedlicher statistischer Wiederkehrzeit darstellt.

Der Prozess einer wassersensiblen Stadtentwicklung ist eine Daueraufgabe, die durch praktische Erfahrungen in der Umsetzung und Erkenntnisse aus der Forschung optimiert wird. Die Herausforderung besteht darin, wassereffiziente Stadtplanung von Beginn an integriert mitzudenken – in Neubauvorhaben, aber vor allem im Bestand. David Quosdorf

Der Autor: David Quosdorf ist Mitarbeiter des Referats Kommunikation der Stadtverwaltung Leipzig.