„Langfristige Nutzbarkeit steht im Vordergrund“

Herr Gildner, im mittelfränkischen Eckental realisieren Sie das erste Projekt Ihrer Initiative, dass Flüchtlingen zugutekommt. Wie fallen die Reaktionen auf Ihr Wohnraumbeschaffungskonzept „The Peoples Project“ aus?

Gildner: Anfänglich fielen die Reaktionen gemischt aus. Auf der einen Seite begrüßten die Bürger die Willkommenskultur, auf der anderen Seite bestimmten auch Ängste und Vorbehalte die Projektdiskussionen. Je weiter die Fertigstellung näherrückte und man sehen konnte, dass die Gebäude nichts mit den üblichen Unterkünften für Flüchtlinge oder mit Sozialbauten zu tun haben, sondern vielleicht sogar zu einer Aufwertung des gesamten Wohngebiets führen, verstummte die Kritik.

Wie sieht konkret das Feedback der Kommunen aus?

Gildner: Sehr positiv! Nachdem einige Vertreter von Kommunen mein Projekt besucht haben, können sich viele davon eine Zusammenarbeit gut vorstellen. Konkret planen wir im nächsten Jahr die Errichtung einer vergleichbaren Wohnanlage mit 19 Häusern und 57 Wohnungen auf einem kommunalen Grundstück in einer Nachbarstadt von Eckental. Neu ist hier die Aufteilung mit ein Drittel Wohnraum für Flüchtlinge, ein Drittel für anerkannte Flüchtlinge und ein Drittel für sozial Bedürftige, Geringverdiener, Rentner und alleinerziehende Mütter. Dies hat die Akzeptanz bei den Bürgern enorm gesteigert. Die Kommune kommt auf diesen Weg haushaltsneutral in den Genuss von einem attraktiven Bestand an Wohnungen mit Sozialbindung und erhalten damit zusätzliche Manövriermasse, aktuelle und zukünftige Herausforderungen in Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung zu meistern, ohne den sozialen Frieden zu gefährden.

Welche konstruktiven Ideen sind Ihnen vor oder während der Bauplanung eingefallen?

Gildner: Herausgekommen ist dabei das sogenannte teil-industrialisierte Architektenhaus. Mit einer konstruktiv optimierten Gebäudestruktur und einem effektiven Projektmanagement konnten wir den Anteil an Arbeits- und Fehlerkosten soweit senken, dass die Baukosten mit 1150 pro Quadratmeter Wohnfläche und Nutzfläche rund 35 Prozent unter den aktuellen Kosten des Geschosswohnungsbaus liegen.

Was steht bei der Nutzung im Fokus?

Gildner: Die langfristige Nutzbarkeit als Wohnraum steht im Vordergrund, unabhängig davon ob Flüchtlinge, Geringverdiener, Rentner oder sozial Bedürftige einziehen. Die sonst üblichen Zweckbauten, Modulbauten oder Container sind mittlerweile völlig überteuert. Sie sind im Betrieb ineffizient und oft nur auf eine kurze Lebensdauer ausgelegt. Meiner Meinung nach entstehen mit jedem Zweckbau die Investitionsruinen von morgen.

Wer gibt Ihnen das Kapital für die Wohnanlagen?

Gildner: Das Kapital stammt aus Eigenmitteln, die ich durch konventionellen Wohnungsbau erwirtschafte. Das Geld für die Refinanzierung ermöglichen lokale Sparkassen und Banken. Ich nutze auch staatliche Förderprogramme wie das Programm 153 für energieeffizientes Bauen der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Müssen die Kommunen, in denen Sie Ihre Wohnungen errichten, Geld zuschießen oder Sicherheiten geben?

Gildner: Nein, es bleibt ausschließlich mein eigenes Risiko.

Wie schnell lassen sich die Gebäude ab Auftragserteilung schlüsselfertig erstellen?

Gildner: Ab Baugenehmigung und eine stabile Wetterlage vorausgesetzt, sind es exakt sechs Monate Bauzeit, um schlüsselfertig zu sein. Wir sprechen hier von Außenanlagen von rund 1500 Quadratmeter Wohnfläche und Nutzfläche, die in einem Bauabschnitt errichtet werden können.

Wer errichtet die Gebäude?

Gildner: Ich baue am liebsten mit regionalen und familiengeführten Firmen, in Einzelvergabe. Das ist tatsächlich günstiger und wesentlich problemfreier als mit zwischengeschalteten Generalunternehmern. Die regionale Wertschöpfung liegt bei etwa 70 bis 80 Prozent.

Sind die Gebäude bautechnisch flexibel, um auf eventuell auftretende Nutzungsänderung reagieren zu können?

Gildner: Es gibt beispielsweise die Möglichkeit des Versetzens von Innenwänden oder der Aufstockung. Durch den Einsatz sogenannter DX-Fertigdecken gibt es dann keine notwendigen tragenden Wände mehr. Das heißt, dass die Grundrisse jederzeit frei gestaltbar sind. Heute sind es noch drei abgeschlossene Dreizimmerwohnungen pro Reihenhaus für die Flüchtlingsunterbringung, morgen schon kann es ein Townhouse mit offenem Wohnbereich und Essbereich im Erdgeschoss sowie drei Schlafzimmern im ersten Obergeschoss mit Studio im Penthaus-Geschoss für die sechsköpfige Familie sein. Es kann alternativ pro Reihenhaus ebenso eine kleine Zweizimmer-Erdgeschosswohnung mit einer großen Maisonettewohnung oben drauf sein. Mehr Flexibilität kann ich mir aus Investorensicht nicht vorstellen.

Welche sonstigen Leistungen gehören zu Ihrem Konzept?

Gildner: Um die Integration rasch voranzutreiben, müssen die Menschen, die zu uns kommen, kurz- bis mittelfristig von ihrem untätigen Rumsitzen in ihren Unterkünften befreit werden. Im Kleinen gelingt mir dies bereits, indem ich von allen Firmen, die für mich arbeiten, eine Zusage habe, ein bis zwei Flüchtlinge als Hospitanten zu beschäftigen, mit der Chance auf ein festes Arbeitsverhältnis. Dies macht pro Baustelle immerhin bis zu 28 potenzielle neue Kollegen.

Interview: Wolfram Markus

Zu Person und Projekt: Markus Gildner (Jahrgang 1971) ist Ex-Technologie-Unternehmer und Projektentwickler für Immobilien. Mit dem Unternehmen Solgården baut Gildner architektonisch ausgefallene Wohnimmobilien in Bayern, mit der Initiative „The Peoples Project“ widmet er sich dem sozialen Wohnungsbau und der Flüchtlingsunterbringung. Der energetische Standard dieser Gebäude entspricht der Richtlinie KfW 70, in Zukunft KfW 55. Die technische Gesamtnutzungsdauer liegt bei 100 Jahren.