Das Mittel- und Niederspannungsnetz gehört zu den kritischen Infrastrukturen – kommunale Stromnetzbetreiber tragen daher eine besondere Verantwortung. Philipp Huppertz erläutert, warum er ihnen Mess- und Monitoringsysteme auf dem Boden und nicht in der Cloud empfiehlt.
Seit dem 1. Januar 2024 gilt die Festlegung der Bundesnetzagentur zum Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Unter der sperrigen Bezeichnung „netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen“ geht es im Grunde um die Integration von Mess- und Monitoringsystemen. Während neu in Betrieb gehende Ortsnetz- und Trafostationen bereits darüber verfügen müssen, besteht für Bestandsanlagen eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2028.
Das bringt viele kommunale Netzbetreiber dazu, auf Systeme zu setzen, die zwar eine schnelle Lösung versprechen, aber häufig mit einer Reihe von Fallstricken behaftet sind. Das betrifft nicht nur ihre Unabhängigkeit und das Thema Sicherheit, sondern auch ihren ökologischen Fußabdruck.
Zur Erhebung und Verarbeitung der Netzdaten verfolgen viele Anbieter einen zentralen Ansatz über eine Cloud. Betreiber kritischer Infrastruktur gehen damit allerdings mehrere Risiken ein. So machen sie sich etwa abhängig von der Infrastruktur eines Dritten: Bei rund 66 Prozent der Ausfälle von digitaler Infrastruktur liegt die Ursache in Cloud- oder Serviceprovidern, so eine Studie des Uptime Institute.
Insbesondere bei US-Cloud-Anbietern kommt hinzu, dass amerikanische Geheimdienste und Sicherheitsbehörden einen langen Arm haben. Hintergrund sind Gesetze wie der USA Patriot Act und der Cloud Act, der ihnen unter Umständen Zugriff auf Datacenter ermöglicht. Landen kritische Netzdaten in der Cloud, sind sie daher weder jederzeit zugänglich, noch sind sie wirklich geschützt.
Wenn sie stattdessen direkt innerhalb einer Netzstation erhoben und vor Ort auch mittels Edge Computing verarbeitet werden, verlassen sie zunächst nicht die Feldebene. Das passiert erst, wenn die Netzdaten tatsächlich abgerufen werden. Auch in diesem Fall ist keine Cloud notwendig. Stattdessen lassen sich die bereits innerhalb der Ortsnetzstation konsolidierten Daten per Funk über eine Software in der IT des Netzbetreibers abrufen. Über diese kann dann auch die Steuerung aus der Ferne erfolgen, beispielsweise zur Abriegelung bei Netzengpässen.
Ein solcher hybrider Ansatz aus dezentraler Hardware und zentraler IT – wie die von PSInsight entwickelte Systemlösung GridCal – sorgt nicht nur dafür, dass die Datenhoheit und die Souveränität über die technische Infrastruktur vollständig beim Betreiber bleiben. Auch die Vorgaben des Paragrafen 14a sowohl zum Monitoring als auch zur netzorientierten Steuerung in kritischen Netzsituationen werden so realisiert.
Das Plus bei weniger Datenverkehr
Indem bei dieser Form die digitalen Netzstationen dank Edge Computing zum Taktgeber und die IT zum Letztentscheider werden, fällt auch die massenweise Übertragung von Daten weg, wie das bei einer Cloud der Fall wäre. Datensparsamkeit vereinfacht zum einen die Anwendung, da nur die notwendigen Daten genutzt werden. Zum anderen profitiert die Energiebilanz. Denn jedes übertragene Byte benötigt Energie. Werden nur die erforderlichen und bereits aufbereiteten Daten von der zentralen IT angefordert, sinkt das Datenvolumen signifikant.
Bei einer Cloud müssten durchweg alle Netzdaten zunächst zur Bearbeitung in die Wolke, bevor sie für weitere Zwecke vom Netzbetreiber abgerufen werden – und wandern zur Steuerung den umgekehrten Weg wieder über die Cloud, bevor sie in der Netzstation ankommen. Die Folge ist ein unnötig hoher Energieverbrauch, der auch die Bemühungen für eine bessere CO2-Bilanz konterkariert.
Außerdem leidet durch den so entstehenden Verlust an Souveränität bei der Infrastruktur auch die Flexibilität. Statt sich sowohl von Cloudanbietern als auch von Messstellenbetreibern – Stichwort Smart Meter – abhängig zu machen, bleiben kommunale Netzbetreiber durch eine intelligente Hardware in ihren Stationen unabhängig und flexibel. Das gilt besonders dann, wenn sie sich komplett in Eigenregie installieren und sich auf teure externe Servicetechniker verzichten lässt.
Ähnliches gilt für die Zusammensetzung der Komponenten einer dezentralen Lösung. Ein modularer Aufbau, Retrofitfähigkeit, Herstellerunabhängigkeit und einfache Updates, um den Anwendungsbereich zu erweitern: Das macht eine Lösung zu einem mitwachsenden Maßanzug und schafft langfristige Sicherheit – allem voran unter den Anforderungen des Paragrafen 14a.
Philipp Huppertz
Der Autor
Dr. Philipp Huppertz ist Gründer und Geschäftsführer des Technologieanbieters PSInsight GmbH in Krefeld.