Klug eingesetzte Leuchten

Natürliches Licht versetzt den Körper in Betriebsmodus. In weniger hellen Innenräumen kann man mit Beleuchtungskonzepten gegenwirken. Foto: Adobe Stock/ArtCookStudio

Das richtige Licht zur richtigen Zeit, zum Beispiel mit kühlen Lichtfarben und hohen Beleuchtungsstärken: Sie bringen den Frischekick am Morgen und helfen aus dem Müdigkeitstief nach der Mittagszeit. Welchen Unterschied klug eingesetzte Leuchten machen, erklärt Verbandsexperte Jürgen Waldorf.

Schon an einem bewölkten Tag liefert der Himmel eine Beleuchtungsstärke von mehreren Tausend Lux. Die übliche Bürobeleuchtung hat aber meist nur 500 Lux – ausreichend für die visuelle Leistung, doch zu wenig für den Biorhythmus. Mit Human Centric Lighting (HCL) bringen Lichtplaner ergonomische Beleuchtung nach dem Vorbild des Tageslichts in Innenräume.

Diese biologisch wirksame oder nicht-visuelle Beleuchtung ist überall dort besonders effektiv, wo sich Menschen regelmäßig und über einen langen Zeitraum aufhalten – in kommunalen Arbeitsstätten wie Verwaltungen und Büros, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie Bildungsstätten.

Studien belegen, dass in Großraumbüros HCL vor allem in tageslichtärmeren Bereichen seine Vorteile ausspielt: Mitarbeitende fühlen sich wacher und sind deswegen oft produktiver. Schüler sind morgens eher müde und unaufmerksam – in Klassenräumen kann HCL aber Konzentration, Merkfähigkeit und Motivation steigern oder für mehr Ruhe sorgen. Im Gesundheitswesen trägt es dazu bei, den Schlaf zu verbessern und die Genesung der Patienten zu fördern.

Warum werden wir überhaupt morgens wach und abends müde? Das Signal, das diese Prozesse in Gang setzt, ist Licht. Lange war unklar, wie Menschen diese Lichtreize aufnehmen. Das Rätsel wurde durch die Entdeckung der lichtempfindlichen Ganglienzellen gelöst. Sie registrieren die Helligkeit der Umgebung, regulieren biologische Prozesse und takten die innere Uhr.

Impulse für aufgehellte Stimmung

Moderne Lichtkonzepte sprechen diese „Sonnenuhr“ im menschlichen Körper gezielt an. Damit gibt Beleuchtung dem Menschen, der sich überwiegend in Innenräumen aufhält, wichtige Impulse zurück.

Tagsüber sind beispielsweise das Licht großformatiger Leuchten und flächig aufgehellte Decken für die lichtempfindlichen Rezeptoren im Auge besonders gut: Helligkeit und Blauanteile wirken belebend, und der Hypothalamus sendet wachmachende und stimmungsaufhellende Hormone aus.

In den Abendstunden lässt warmweißes Licht in reduzierter Helligkeit, das im Idealfall auf die Arbeitsfläche gerichtet ist, den Körper entspannen. Dann steigt im Blut die Konzentration des Schlafhormons Melatonin. Ein digitales Lichtmanagementsystem schafft die dafür notwendige Dynamik. Sensoren messen den Einfall des Tageslichts und regeln künstliche Beleuchtung nach Be- darf hinzu. Für die nichtvisuelle Wirkung ändern sich im Laufe des Tages Lichtfarbe, Intensität und Lichtrichtung.

Erhellendes Lichtwissen

Ein HCL-Konzept berücksichtigt, dass Licht immer eine visuelle, emotionale und biologische Wirkung hat, und bringt diese Wirkungen in ein stimmiges Zusammenspiel. Hier sind Profis gefragt. Lichtplanende setzen HCL-Konzepte mit einer sorgfältigen und verantwortlichen Planung um, mit der entsprechenden Installation für reibungslosen Betrieb sowie mit einem Wartungsplan für die regelmäßige Überprüfung der Planungswerte und Funktionsweise.

Normative Grundlage jeder HCL-Planung ist DIN/TS 67600. Auch die Arbeitsstättennorm DIN EN 12464-1 geht seit ihrer Novellierung 2021 explizit auf die nichtvisuellen Wirkungen des Lichts ein. Unter bestimmten Umständen empfiehlt sie höhere Anforderungen, etwa für den Wartungswert der Beleuchtungsstärke oder die Farbwiedergabe. Wichtig ist zum Beispiel für ältere Mitarbeiter: Sie haben einen höheren Lichtbedarf, weil sich ihre Linsen mit den Jahren trüben. Daher muss es zusätzlich zur Tageslichtautomatik Einstellmöglichkeiten für individuelle Bedürfnisse geben. Angestellte sollten gut über die Vorteile und Möglichkeiten ihrer Beleuchtungsanlage informiert werden.

Laut einer Umfrage der Brancheninitiative licht.de im Jahr 2022 ist HCL den meisten Planenden bestens bekannt, und sie verfügen über die erforderliche Expertise. Noch scheuen jedoch Auftraggeber die Komplexität und den etwas höheren Energiebedarf. Es ist aber eine Frage der Balance: Etwas mehr Strom kann die Lichtqualität deutlich verbessern und Mitarbeitende positiv unterstützen.

Licht mit anderen Augen sehen

Vielerorts stehen in den nächsten Jahren ohnehin Sanierungen von Beleuchtungsanlagen an, weil konventionelle Leuchtmittel verschwinden. Städte und Gemeinden sollten sich deshalb frühzeitig über die Chancen und Vorteile neuer Beleuchtung informieren und dabei das Wohlbefinden der Menschen im Blick haben.

Jürgen Waldorf


Der Autor

Dr. Jürgen Waldorf ist Geschäftsführer von licht.de, einer Brancheninitiative des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI e. V.