Klimawandel: Wasserinfrastruktur anpassen

Donau; Schwäbische Alb; Grundwasser; Trinkwasserversorgung
Die Schwäbische Alb: wichtiger Grundwasserspeicher für die Trinkwasserversorgung in Baden-Württemberg. Foto: Adobe Stock/Conny Pokorny

Die aktuelle Herausforderung sehen Wasserexperten klar im Klimawandel. Was das konkret vor Ort heißt, hat Bernhard Röhrle für Baden-Württemberg im Blick – streicht aber heraus, dass Grundlegendes überregional gilt.

2023 war Trockenheit wie schon in den letzten Jahren ein großes Thema – dann aber hat es zum Teil stark geregnet. Ist das mehr als der berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein?

Bernhard Röhrle: Nein – der Regen hilft zwar, aber das Wasser bleibt an der Oberfläche, geht nicht tiefer als 20 oder 30 Zentimeter in den Boden. Das ist gut für Pflanzen mit Wurzeln, nicht aber für Bäume, die Wasser aus größeren Tiefen aufnehmen. Der Regen, der jetzt gefallen ist, hilft leider kaum bei der Grundwasserneubildung.

Es sind aber doch zum Teil große Wassermengen. Was fehlt?

Röhrle: Die Kontinuität. Denken Sie an die siebziger, achtziger, aber auch noch an die Jahre danach: Wir hatten verregnete, kühle Sommer, die Sonnenhungrigen haben Italien und Spanien für sich entdeckt. Auch im Herbst und Winter hat es viel geregnet, und so hat sich Grundwasser immer neu bilden können. Jetzt aber beschert uns der Klimawandel lange Trockenphasen, der Boden ist ausgedörrt, Regenwasser dringt nicht mehr wie früher in tiefere Schichten ein.

Was bedeutet das für Ihre Region?

Röhrle: Baden-Württemberg hat eine gute Wasserversorgungsinfrastruktur. Zudem ist das Land wasserreich – noch, denn auch bei uns nimmt die Grundwasserneubildung ab. Die Prognosen der Landesanstalt für Umwelt lauten: regional unterschiedlicher Rückgang der Grundwasserneubildung um 10 bis 50 Prozent bis zum Jahr 2050. Gegenüber dem Zeitraum von 1971 bis 2000 haben wir jetzt schon einen Rückgang von 18 Prozent.

Welche Konsequenzen haben Wetter und Klima für die Kommunen?

Röhrle: Sicherlich kommen alle gut durch den Herbst und Winter. Das Problem sind die Trockenzeiten, die im Frühjahr und Sommer deutlich zunehmen. Das ist zwar nicht überall gleich: Regen-, Quell- und Grundwasser sind sehr regionale Phänomene. Grundsätzlich gilt aber für uns alle: Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die Wassersituation ändert. Für die Kommunen heißt das, dass sie ihre Wasserinfrastrukturen in allen Einzelheiten überprüfen und bei Bedarf anpassen müssen.

Leitungen; Wasser; Versickerung
Verborgen in der Erde sieht man sie nicht – sie sind allzu oft aber ein Problem: marode Leitungen, aus denen relevante Wassermengen ungenutzt versickern. Foto: Adobe Stock/Anoo

Was steht aus Ihrer Sicht konkret für die Kommunen an?

Röhrle: Erst einmal brauchen Städte und Gemeinden einen aktuellen Überblick über ihre komplette Wasserinfrastruktur. Jede Kommune muss genau hinschauen: Was hat sich durch den Klimawandel bei uns jetzt schon verändert? Wie steht es um Grund- und um Quellwasser? Wie steht es um die Leitungen und Anlagen? In Baden-Württemberg gibt es für die Bestandsaufnahme den „Masterplan Wasserversorgung“: Ziel ist, alle Kommunen bis 2025 zu durchleuchten. Die Zeit drängt, noch ist viel zu tun.

Was bereitet Ihnen Sorgen?

Röhrle: Wenn die Kommunen wissen, wo sie stehen, haben sie ja noch längst nichts unternommen – und die Maßnahmen, um die es geht, kosten Geld und Zeit. Je früher man hier loslegt, desto besser. Die Sanierung von Leitungen ist ein Aspekt: Viele sind löchrig, Wasser versickert, in einzelnen Gemeinden bis zu 30 Prozent – das können wir uns in Zeiten des Klimawandels nicht mehr leisten.

Wie kommt das?

Röhrle: Es liegt erst einmal nicht nahe, hier aktiv zu werden: Es geht um unterirdische Anlagen  — Geld zu investieren für Anlagen, die man nicht sieht, fällt vielen schwer, und so versickert das lebenswichtige Nass ungenutzt im Untergrund.

Ist der Stand überall gleich?

Röhrle: In der Regel haben kleinere Kommunen eher Probleme, auch weil qualifiziertes Personal fehlt. Dazu gehört ebenso die Vorbereitung auf einen Notfall, wie ihn das niedersächsische Lauenau 2020  erleben musste. Die Versorgung brach zusammen, die Gemeinde war für mehrere Tage auf Tankwagen angewiesen.

Wie ist so etwas zu verhindern?

Röhrle: Das Stichwort ist Redundanz: Jede Gemeinde sollte ein zweites Standbein in der Wassergewinnung oder beim Wasserbezug haben. Im Notfall kommt dann das Trinkwasser aus der Nachbargemeinde oder von einem Fernversorgungsunternehmen, wie der Landeswasserversorgung oder der Bodensee-Wasserversorgung.

Trinkwasser; Regenwasser; Klimawandel; Wasserableitung
Trinkwasser ist ein wichtiges Thema. Darüber hinaus geht es aber auch darum, das Regenwasser vor Ort zu halten und nicht nur rasch abzuleiten. Foto: Adobe Stock/I-Wei Huang

Gibt es gute Beispiele beim Thema Wasser, an denen sich Kommunen orientieren könnten?

Röhrle: Die Stadt Stuttgart: Sie hat eine Wasserversorgungsinfrastruktur auf sehr hohem Niveau. Dort wird regelmäßig investiert, und Stuttgart hat eine Roadmap: Bis 2030 werden alle wasserwirtschaftlichen Belange untersucht. Dabei geht es nicht nur um Grundwasserneubildung, sondern auch um die Entwicklung zur Schwammstadt durch Entsiegelung und andere Maßnahmen: um alle Aspekte zum Wasserhaushalt, die helfen, sich dem Klimawandel anzupassen. 

Das regionale Thema Wasserversorgung kommt auch in den überregionalen Medien zur Sprache: etwa das Tesla-Werk in Brandenburg mit seinem hohen Wasserbedarf ausgerechnet in einer Gegend, die besonders stark von Trockenheit betroffen ist. Gibt es Ähnliches auch in Baden-Württemberg?

Röhrle: Noch ist es nicht spruchreif, aber bei Weilheim an der Teck wird über eine Brennstoffzellenfabrik nachgedacht. Dort könnte Wasser tatsächlich ein großes Thema werden. Das muss aber nicht gegen die Planung sprechen. Entscheidend ist, dass wir durch Erfahrungen dazulernen. Im niedersächsischen Lauenau haben wir gesehen, dass Wasserversorgung auch in Deutschland massiv beeinträchtigt werden kann – daraus kann man lernen, wie wichtig es ist, ein zweites Standbein aufzubauen. Aus Brandenburg kann man lernen, dass man das Thema Wasser früh in die Planung einbezieht, damit ein Werk, das wichtig für den Wirtschaftsstandort ist, nicht zu wasserwirtschaftlichen Problemen führt.

Auch der private Wasserbedarf ist überregionales Thema. Wie sehen Sie das: Muss Wasser gespart werden?

Röhrle: Im Sommer werden Gärten und Swimmingpools sicherlich Dauerthemen werden. Wir müssen uns auf den Klimawandel einstellen und für die Trockenphasen Wasser sparen. Das gilt für den privaten Bereich ebenso wie für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft: Wir müssen sehr viel sorgsamer als bisher mit den natürlichen Ressourcen umgehen.

Viele sehen das inzwischen ein, wollen ihre Alltagsroutinen aber nicht ändern. Wird der Bewusstseinswandel beim Thema Wasser dennoch gelingen?

Röhrle: Es bleibt uns nichts anderes übrig – und ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird. Wir werden immer wieder und vermutlich auch immer mehr mit Trockenphasen konfrontiert. Bürger wie Kommunen erfahren inzwischen immer öfter aus eigenen Erfahrungen und über die Medien, dass die Wasserversorgung unter Druck gerät. Direkt sehen sie beispielsweise auch an Bächen, Flüssen, Böden und Wäldern, welche gravierenden Auswirkungen der Klimawandel hat. 

Was ist Ihnen jetzt aktuell vor allem wichtig?

Röhrle: Meine Hoffnung und mein Appell ist: Städte und Gemeinden sollten ihre Wasserinfrastrukturen jetzt genau unter die Lupe nehmen, jetzt für Redundanz sorgen, löchrige Leitungen sanieren, auf Energieeffizienz achten und diese Aufgaben nicht in die Zukunft verschieben.                                                                                                                                    

Interview: Sabine Schmidt


Zur Person

Dipl.-Ing. Bernhard Röhrle ist Wasserwirtschaftsingenieur und Pressesprecher bei der Landeswasserversorgung Baden-Württemberg.