Swaps sind für Kreditnehmer ein probates Mittel zur langfristigen Zinssicherung. Auch Kommunen haben solche Derivate abgeschlossen. Mit teils katastrophalen finanziellen Folgen, wie sich jetzt zeigt. Müssen Vertreter kommunaler Kapitalgesellschaften für die Schäden haften?
Bundesländer, Kommunen und Zweckverbände benötigten traditionell Fremdkapital für Investitionen. Zu diesem Vorhaben wurden seit dem Jahr 2004 in der Regel festverzinsliche Darlehen mit Laufzeiten zwischen 20 und 40 Jahren bei Banken angefragt. Fast immer wiesen die Geldinstitute darauf hin, dass Festzinsdarlehen nur mit einer Laufzeit von höchstens zehn Jahren möglich waren.
Als Alternative schlugen Kreditinstitute meist variabel verzinste Darlehen mit Laufzeiten zwischen 20 und 40 Jahren vor. Bekanntlich besteht bei solchen Kreditverträgen ein erhebliches Zinsänderungsrisiko. Doch dieses kann, zumindest theoretisch, durch sogenannte Zins-Swaps („Payer-Swaps“) vermieden werden. Weitere Vorteile, die Banken gern betonten: flexible Kreditkündigung sowie der bei variabel verzinsten Darlehen übliche Wegfall einer Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Darlehenstilgung.
Meist wurden auf Anraten der Geldinstitute „synthetische Festzinsdarlehen“ vereinbart. Deren Problem liegt im Kleingedruckten, wo sinngemäß Klauseln wie diese zu finden sind: „Falls der variable Satz negativ ist, zahlt der Zahler der Festbeträge an dem betreffenden Fälligkeitstag für variable Beträge zusätzlich den als absoluten Betrag ausgedrückten variablen Betrag an den Zahler der variablen Verträge.“
Diese Klausel besagt, dass der Schuldner zusätzlich zum Festzins Negativzinsen zahlen muss. Statt der gewünschten Zinssicherheit über mehrere Jahrzehnte und der damit verbundenen Kalkulationssicherheit erhält der Kreditnehmer eine Kombination aus Festzins und dem Risiko X, das sich aus dem nicht zu kalkulierenden negativen Euribor ergibt.
Da die Darlehensvaluten nicht selten im zehnstelligen Eurobereich liegen, sind Kreditnehmer oft mit extrem hohen Negativzinsen belastet. Nicht selten müssen sehr hohe Rückstellungen gebildet werden. Denn durch die negativen Zinsen fehlt eine Bewertungseinheit nach Paragraf 254 Handelsgesetzbuch (HGB). Ferner sind Darlehen und Swap nicht mehr „konnex“, so der Fachbegriff. Somit könnte ein Verstoß gegen das Spekulationsverbot für Kommunen und Bundesländer vorliegen.
Mit dieser nicht gerade erfreulichen Situation sind zahlreiche Landräte, Kämmerer und insbesondere Geschäftsführer kommunaler Zweckverbände konfrontiert. Mit die wichtigste Frage ist, ob und inwieweit sie persönlich haftbar gemacht werden können für die aus den Swap-Verträgen resultierenden finanziellen Einbußen; selbst wenn diese momentan größtenteils auf dem Papier stehen und noch nicht realisiert wurden.
Rechtliche Grundlage für eine mögliche Geschäftsführerhaftung sind der Paragraf 43 GmbH-Gesetz (GmbHG) sowie Paragraf 93 Aktiengesetz (AktG). Beide gelten auch für öffentlich-rechtliche Kapitalgesellschaften. Auf dieser Basis wird von einem Geschäftsführer verlangt, dass er die Geschäfte seiner Firma mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns führt. Die Haftung für sein unternehmerisches Handeln ist unbeschränkt. Zwar hat jeder Geschäftsführer einen Ermessensspielraum. Doch dieser wird bei Spekulationen oft auf null reduziert.
In der Rechtsprechung hat sich in der Folge eine „Business-Judgement-Rule“ herausgebildet. Es wird geprüft, ob und inwieweit bei einer unternehmerischen Entscheidung das Wohl der Gesellschaft berücksichtigt wurde. Grundsätzlich muss unternehmerisches Handeln angemessen sein und auf glaubwürdigen Informationen basieren.
Dies aber ist das Problem. Denn hatten Entscheidungsträger beim Abschluss jener synthetischen Festzinsdarlehen tatsächlich ausreichende Informationen? Mittlerweile häufen sich die Schadensersatzklagen gegen Banken und Sparkassen wegen Fehlberatung zu Derivaten. Als Argumente werden genannt: die mangelnde Aufklärung über die Problematiken von Negativklauseln sowie das Verschweigen anfänglicher negativer Marktwerte bei Swaps.
Objektive Pflichtverletzung
Aus Sicht der Kläger verständlich und plausibel. Dementgegen steht jedoch im Sinne jener Business-Judgement-Rule die Verpflichtung von Geschäftsführern, auch und insbesondere im Hinblick auf die vorliegende Problematik eigene Informationen (über Swap-Verträge) einholen zu müssen. Grundlegend ist hier eine Entscheidung des BGH-Strafsenats, wonach das gleichsam rückhaltlose Vertrauen in die Angaben einer Bank eine objektive Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer begründen kann. Kernaussage: Sofern die Bank ein eigenes Interesse am Vertrieb der Produkte habe, könne im Einzelfall schon das Vertrauen in die Angaben der Bank eine objektive Pflichtverletzung begründen (BGH vom 21. Februar 2017 – AZ 1 StR 296/16).
Eine tückische Einschätzung. Denn einerseits wird man dem Geldinstitut vorwerfen können, es hätte nicht ausreichend und transparent beraten. Daraus ergibt sich indes die berechtigte Frage, warum der Geschäftsführer dann überhaupt einen Swap-Vertrag abgeschlossen hat, den er nicht verstanden und dessen oben zitierte Negativklausel er nicht durchgelesen hat. Im Einzelfall kann jener für Kreditnehmer vermeintlich positive BGH-Entscheid höchstwahrscheinlich eine Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer zumindest nahelegen.
Wie lassen sich diese Probleme insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Geschäftsführerhaftung lösen? Hier kann nur empfohlen werden, das komplexe Geflecht synthetischer Festzinsdarlehen zu entwirren. Als Erstes gilt es, Banken und Sparkassen deren Fehlberatungen aufzuzeigen und nachzuweisen. Empfehlenswert sind, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, außergerichtliche Vergleiche. Und zwar dahingehend, dass negative Zinsen von den Geldinstituten übernommen werden, um eine ursprüngliche Bewertungseinheit zwischen Darlehen und Swap herzustellen. Überdies können Geschäftsführer darauf hinwirken, Swap-Verträge aufzulösen und diese in Festzinskredite umzuwandeln. Angesichts zahlreicher Vergleichsmöglichkeiten ist meist eine „kreative“ Rechtsberatung sinnvoll.
Noch bestehen vielfältige Möglichkeiten, Schadensersatzansprüche gegen Banken und Sparkassen wegen Fehlberatungen geltend zu machen. Wer dies unterlässt, setzt sich dem Risiko aus, dass diese Schadensersatzansprüche verjähren. Dies wäre eine weitere Pflichtverletzung eines Geschäftsführers, aus der wiederum Haftungsrisiken resultieren.
Lutz Tiedemann
Der Autor
Lutz Tiedemann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner der Hamburger Kanzlei Groenewold, Tiedemann, Griffel