Infektionsschutz: Weht in Dinkelsbühl die Sommerbrise?

So wird es garantiert im August 2021 auf dem Festivalgelände in Dinkelsbühl nicht aussehen. Doch eine Chance, dass das Summer Breeze unter bestimmten Voraussetzungen stattfinden darf, besteht. Foto: Summer Breeze

Können in diesem Sommer möglicherweise wieder Großveranstaltungen wie Open-Air-Festivals stattfinden? In vielen Kommunen deutschlandweit wird bereits seit Monaten zwischen Behörden und Veranstaltern an Teststrategien gefeilt. Wir stellen ein Konzept aus Dinkelsbühl vor.

Modellprojekte scheinen derzeit – vor dem Hintergrund sinkender Infektionszahlen und steigender Impfrate – ein dominierendes Thema auf kommunaler Ebene zu sein. Sei es im Bereich Kultur, Sport oder auch Freizeit. Aktuelles Beispiel ist hier die vorgezogene Öffnung des Europaparks in Rust, eines Freizeitparks in Baden-Württemberg. Das Sozialministerium ermöglicht es Besuchern, bereits ab Ende Mai wieder die Fahrgeschäfte zu nutzen – freilich unter pandemiebedingten Voraussetzungen. Doch auch Gemeinden in anderen Bundesländern finden Gefallen an den Teststrategien, die der Veranstaltungsbranche wieder Leben einhauchen sollen. So durften im Kreis Coesfeld in Nordrhein-Westfalen bereits Anfang Mai Jazzmusiker auf einer Freilichtbühne vor 170 Zuhörern auftreten. Und auch in Lübeck genehmigt das Land Schleswig-Holstein seit Mitte Mai wieder Kulturveranstaltungen wie Lesungen und Konzerte.
Wie genau gehen Kommunen bei diesen Modellprojekten vor? Was müssen die Bürgermeister und Gesundheitsämter alles bedenken und abwägen? Und wo liegen die Vorteile beziehungsweise die Risiken bei diesen Öffnungsschritten? Wir haben in der fränkischen Großen Kreisstadt Dinkelsbühl nachgefragt, wo im August ein Heavy-Metal-Festival stattfinden soll. Dafür ist vom Veranstalter in enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung eine detaillierte Infektionsschutzstrategie ausgearbeitet worden. Die Rede ist vom Summer-Breeze-Festival, welches vom 18. bis zum 21. August über die Bühne gehen könnte – sofern die Entscheidung der genehmigenden Stelle positiv ausfällt.
Oberbürgermeister Christoph Hammer äußert sich zu dieser Angelegenheit allerdings noch recht skeptisch: „Nach derzeitigem Stand und bei den stark schwankenden Inzidenzwerten ist es schwer vorstellbar, dass das Summer-Breeze-Festival im Sommer in Dinkelsbühl stattfinden kann.“

Modellcharakter für die Event-Branche

Dennoch findet der Schultes der knapp 12.000-Einwohner-Stadt, dass sich die Veranstalter umfangreiche Gedanken gemacht hätten. „Das vorgelegte Hygienekonzept ist alles andere als ein Schnellschuss, sondern stellt eine wohlüberlegte und durchdachte Risikoabwägung dar. Hierzu fanden auch schon mehrere Gespräche mit Vertretern der Stadt Dinkelsbühl statt – und weitere Termine, etwa mit dem Gesundheitsamt Ansbach, sind bereits vereinbart“, informiert Hammer. Das Konzept sei unter anderem in Zusammenarbeit mit der Universität Trier, der Fachhochschule Aalen, der Universität der Bundeswehr sowie des Bayerischen Roten Kreuzes entwickelt worden und habe Modellcharakter für die gesamte Event-Branche. Das sei auch der Grund, warum es hierfür eine Bundesförderung der Initiative Musik gab. „Ich habe absolut Verständnis für diese Vorgehensweise – droht doch die gesamte Eventkultur ansonsten wegzubrechen“, ergänzt Hammer.
Konkret setzt sich das Konzept aus drei Bausteinen zusammen: engmaschige Tests, das heißt, negativ getestet anreisen, vor Ort Schnelltestung, Festivalbetrieb mit Tests sowie vor der Abreise eine erneute Testung; geschultes Fachpersonal, sodass eine sehr hohe Zuverlässigkeit der Tests gewährleistet ist; klare, digitale Strategie mit Ticketpersonalisierung und Risikoabfrage vorab, Nachverfolgbarkeit durch DSGVO-konforme Speicherung der Daten sowie ein Armband mit RFID-Chip. „Die Stadt Dinkelsbühl hat hier absolute Profis an der Hand, aber mir ist natürlich bewusst, dass das Ganze eine Art Gratwanderung darstellt“, resümiert Hammer.

Umfangreiches Konzept

Und wie sind die Meinungen des Gesundheitsamtes in Ansbach zur Infektionsschutzstrategie für das Open Air? „Die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung untersagt in Paragraf fünf landesweit Veranstaltungen und öffentliche Festivitäten. Sie tritt nach deren Paragraf 30 mit Ablauf des 9. Mai 2021 außer Kraft“, äußert sich das Landratsamt schriftlich. Mit anderen Worten heißt das, dass das Summer-Breeze-Open-Air nach aktueller Rechtslage – und zu Redaktionsschluss – nicht aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt ist. „Einer Entscheidung des Landratsamtes Ansbach über eine Ausnahmegenehmigung bedarf es daher nach derzeitiger Rechtslage nicht. Wie diese im August sein wird, ist gegenwärtig nicht absehbar“, kommentiert die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit.
Achim Ostertag, Gründer und Veranstalter des Summer-Breeze-Festivals hat viel Zeit in das Konzept investiert, das ihm sein Event 2021 retten könnte: „Insgesamt sind mehr als 3.000 Stunden in das Konzept geflossen, begonnen haben wir bereits im Oktober 2020“, schildert er. Seit der Absage der Veranstaltung im vergangenen Jahr stand für den Geschäftsführer der Silverdust GmbH, die für das Open Air verantwortlich zeichnet, fest, dass es keine Option sei, „eine weitere Absage tatenlos hinzunehmen“. „Wir möchten da nichts unversucht lassen, vor allem weil Events unter sicheren Bedingungen wichtige Erkenntnisse für den weiteren Verlauf von Veranstaltungen aller Art liefern können“, ist der 43-Jährige überzeugt. Ende April wandte sich das Team mit seinem Konzept und einem öffentlichen Brief an Entscheider auf Bundes-, Landes- und Kreisebene. „Uns war es wichtig, hier ein wissenschaftlich fundiertes, haltbares Endprodukt zu schaffen. Darum sind Experten aus den unterschiedlichsten Feldern an der Konzeptentwicklung beteiligt gewesen“, erklärt Ostertag.
Wer entscheidet am Ende, ob das Summer-Breeze-Festival stattfinden darf – und vor allem wann? „Grundsätzlich ist die genehmigende Behörde das lokale Ordnungsamt. Aber in dieser besonderen Zeit kommt es nun auch darauf an, ob beispielsweise der Bund übernimmt und somit die Entscheidung von der Landesebene wegwandert“, weiß der Veranstalter. Zudem sei man verstärkt mit den Behörden und dem Landratsamt in Kontakt und erhoffe sich bald auch klärende Gespräche mit der Bayerischen Landesregierung. „Ideal wäre, wenn wir Ende Mai eine grobe Marschrichtung festlegen können“, ergänzt er. Natürlich sei ihm bewusst, dass die Lage weiterhin dynamisch ist, weshalb sein Team so flexibel wie möglich auf alle Entwicklungen reagiert.

Olga Lechmann