In der Verknüpfung liegen Chancen

Energiewende und demografischer Wandel sind keine Herausforderungen, die unabhängig voneinander „abgearbeitet“ werden sollten. Vielmehr gibt es Verknüpfungspunkte, die zu nutzen sich günstig auf die Gemeindeentwicklung auswirken kann. In Brandenburg wurden erstmals Zusammenhänge aufgezeigt.

Bund, Länder und Gemeinden können mittlerweile auf vielfältige positive Erfahrungen bei der Umsetzung der Energiewende zurückgreifen. Zugleich sind noch viele Fragen offen. Unter anderem wird die Energiewende durch andere große gesellschaftliche Herausforderungen überlagert. Hierzu zählt auch der demografische Wandel. Daher muss diskutiert werden, welchen Einfluss dieser auf die Möglichkeiten zur Umsetzung der Energiewende nimmt.

Wie können zum Beispiel innerstädtische Brachflächen für die Energiegewinnung eingesetzt werden? Engagieren sich ältere Einwohner in Energiegenossenschaften? Investieren Bürger in abgelegenen Regionen in die energetische Haussanierung? Die Verknüpfung der beiden Themen führt zu neuen Chancen, aber auch zu Risiken für den Umbau der Energielandschaft und die nachhaltige räumliche Entwicklung in den Gemeinden.

Themenfelder erstmals verknüpft

Bisher fehlen ausreichende Kenntnisse über diese Zusammenhänge. Sowohl in der Forschung als auch in der Praxis gibt es zwar viele Projekte zu einzelnen Aspekten, eine umfassende systematische Betrachtung fehlt aber. Vor diesem Hintergrund hat ein Studienprojekt an der Brandenburgischen Technischen Universität die beiden Themen erstmalig miteinander verknüpft.

Die systematische Auseinandersetzung erreichte man dadurch, dass die Aspekte des demografischen Wandels und der Energiewende jeweils in der Gesamtheit betrachtet und zugleich in ihre einzelnen Handlungsfelder zerlegt wurden. Die Herausforderungen der Energiewende bearbeitete man anhand der Energiekette (Energiegewinnung, -speicherung und -transport sowie Energienutzung), die des demografischen Wandels wurden zunächst hinsichtlich der Aspekte Alterung, Ausdifferenzierung der Lebensstile und Bevölkerungsentwicklung unterschieden. Es zeigte sich dabei, dass aufgrund der derzeit unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklung eine weitere Unterteilung in wachsende und schrumpfende Gemeinden und Regionen notwendig ist.

Für beide Herausforderungen wurden die Handlungsfelder in einer Matrix in Verbindung gebracht. Diese steht als Untersuchungsraster zur Verfügung, mit dem in einer integrierten Weise die Zusammenhänge der Energiewende und des demografischen Wandels, ihre Konsequenzen für die räumliche Entwicklung der Gemeinden sowie die Folgerungen für die Gemeindepolitik herausgearbeitet werden können. In der Folge wurden Hypothesen formuliert und diese beispielhaft in zwei Landkreisen und einer kreisfreien Stadt in Brandenburg daraufhin überprüft, ob sie zutreffen oder widerlegt werden.

Das Henne-Ei-Problem

Das Projekt erlaubte nicht nur, die einzelnen Annahmen zu überprüfen, sondern es konnten auch übergeordnete Erfahrungen gesammelt werden:

  • Henne und Ei: In vielen Handlungsfeldern ist der demografische Wandel Treiber, auf den die Energiewende mit lokalspezifischen Lösungen reagieren muss. So erfordert die drastisch zurückgehende Einwohnerzahl auch in der Energieversorgung neue Lösungen. Dies gilt aber nicht immer: Beispielsweise ist im Südosten Brandenburgs anzunehmen, dass mit dem Rückgang der Braunkohleförderung mehr Menschen die Region verlassen, um anderswo Arbeit zu finden.

  • Berlin-nah und berlin-fern: Das Projekt hat ermittelt, dass in Umlandgemeinden von Berlin die Bereitschaft höher ist, in Maßnahmen zur Energiewende zu investieren als in peripheren Räumen. Dies gilt insbesondere auch für Vorhaben zur finanziellen Beteiligung von Bürgern an Energiewendeprojekten. Strategien zur Akzeptanz und zur Teilhabe im Bereich der Energiewende müssen daher nach den Bevölkerungsgruppen in den verschiedenen Räumen unterschieden werden.

  • Zusammen wissen wir mehr: Die Datengrundlage ist zum Teil noch nicht ausreichend. Dies liegt zum einen an der fehlenden Verfügbarkeit der Daten für die öffentliche Hand; insbesondere im Energiebereich handelt es sich oft um betriebswirtschaftliche Daten der Privatwirtschaft, die kein Interesse hat, diese der Öffentlichkeit preiszugeben. Zum anderen aber fehlen auch verknüpfte Auswertungen der beiden Treiber. So liegen im Projektgebiet zum Beispiel kaum Aussagen über den Umfang der Bereitschaft verschiedener Bevölkerungsgruppen vor, sich in die Umsetzung der Energiewende einzubringen. Für viele Handlungsfelder ist entsprechend eine neue verknüpfte Auswertung erforderlich.

Zusammenarbeit ist unumgänglich

Insbesondere die letztgenannte Erfahrung unterstreicht, dass technologische Innovationen und ingenieurtechnisch optimierte Lösungen allein nicht die notwendige Verknüpfung von Energiewende und demografischem Wandel bewirken. Vielmehr handelt es sich hier um eine große Aufgabe zur Weiterentwicklung von Governance-Stukturen in den Gemeinden, weil das Verbinden der beiden Themen eine neue Kooperation unterschiedlicher Akteursgruppen erfordert. Mithilfe integrierter gemeindlicher Entwicklungskonzepte ist es möglich, die planerischen Grundlagen zu schaffen und somit das kooperative Zusammenspiel der vielen Beteiligten zu stärken.

Die in dem Projekt entwickelte Matrix hat sich als Untersuchungsraster bewährt, anhand dessen Konflikte und Synergien herausgearbeitet und, darauf aufbauend, gemeinsam mit den Akteursgruppen Lösungen für die Gemeindeentwicklung gefunden werden können. Die Matrix ist als Untersuchungsraster allgemeingültig und kann in allen Gemeinden angewendet werden.

Christian Strauß

Der Autor
Dr.-Ing. Christian Strauß ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozioökonomie des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg

Info: Dieser Artikel ist Teil des Ratgebers „Mission 2030 – Kommunen gestalten die Energiewende“. Weitere Artikel sowie Informationen über den neuen Ratgeber der edition der gemeinderat finden Sie auf der Themenseite