Im Bürgermeisterwahlkampf das richtige Podium wählen

Im Bürgermeisterwahlkampf muss der Kandidat Profil zeigen. Im ersten Teil unserer Serie ging es um die Präsentation der Persönlichkeit, im zweiten Teil um den Umgang mit Sachinhalten. Der dritte und abschließende Beitrag zeigt auf, wie diese beiden Komponenten an die Wählerschaft herangetragen werden.

Wo findet der Kandidat einer Bürgermeisterwahl seine Wählerschaft? Wie kann er sich und seine Ziele bekannt machen? Das klassische Instrument ist der Infostand. Dessen Leumund ist eher schlecht, er gilt als Inbegriff politischer Banalität und Oberflächlichkeit, wahlweise auch als Bezugsquelle für Kugelschreiber, eingewickelt in Altpapier. Ein Haken ist auch, dass der Infostand vor allem entweder überzeugte Anhänger oder unzugängliche Querulanten, die einmal ihre Meinung geigen wollen, zum Anhalten animiert. Wird doch einmal ein Unentschlossener gewonnen, steht der Aufwand in keiner Relation zum Gesamtstimmengewinn. Nicht einmal in kleinen Kommunen! Trotzdem ist der Infostand unverzichtbar. Denn obwohl die meisten Passanten die kleine politische Trutzburg aus Schirm und Aufsteller instinktiv eher meiden, signalisiert sie doch Gesprächsbereitschaft und Präsenz „vor Ort“. Wahlkampfrückgrat ist sie aber nicht.

Als ewig junges Wundermittel erscheint dagegen der Haustürwahlkampf – seit Jahrzehnten immer wieder. Greifbare Belege für den Erfolg in Deutschland fehlen aber. Zwar ist der Haustürwahlkampf in den USA durchaus ein Erfolgsrezept. Vergessen wird dabei aber dreierlei: Im Mehrheitswahlrecht, hierzulande nur bei der Stichwahl zu finden, gestaltet sich die Auffindung potenzieller Anhänger wesentlich einfacher – es gibt ja nur A oder B. Die andersartige amerikanische Datenschutzkultur erlaubt ein sehr viel besseres Targeting (Zielgruppenauswahl), was zwangsläufig zu mehr Erfolg führt. Überdies ist es in den Vereinigten Staaten sehr viel üblicher, politisch Farbe zu bekennen. Die deutsche Wählerschaft hingegen tendiert oftmals dazu, die eigene Wahlentscheidung als etwas Privates zu sehen. Fremden wird sie nicht offenbart. Selbst, wenn man mit ihnen politisch sympathisiert. Genau deshalb wird der Haustürwahlkampf auch in den kommenden Dekaden ein Nischenphänomen bleiben, mit dem sich forsche Jungwahlkämpfer profilieren.

Traditionell wird immer wieder aufs Neue probiert, mit Großveranstaltungen zu punkten. Da gibt es ein regelrechtes Programm, Gastredner und Verpflegung. Allerdings erreicht auch dieses Format vorwiegend den Kern der eigenen Anhängerschaft. Es werden also viele knappe Ressourcen aufgewandt, ohne dass Unentschlossene oder Wahlabstinente in größerer Zahl mobilisiert würden. Ganz zu schweigen davon, dass dem ungleich schwierigeren Unterfangen, gegnerische Anhänger umzustimmen, gedient würde.

Formate mitlerer Reichweite

Empfehlenswert sind dagegen Formate mit mittlerer Reichweite, die von Dritten organisiert werden. Gerade hier hat sich in der kommunalpolitischen Kultur einiges getan. Ob Podiumsdiskussionen in Schulen, Veranstaltungen bei Vereinen oder Ähnliches: Klug ist es, sich hier einzuklinken. Zwar gibt es oft Gegenwind, aber das Kandidatenprofil wird geschärft. Im Idealfall sollte vermieden werden, vor allem Bilder vom Würstchenessen zu produzieren oder die berühmt-berüchtigten politklischeehaften Maskeraden aufzuführen, bei dem etwas Ortstypisches ausgeführt und ausprobiert wird. So entstandene Bilder mit Schutzbrille, Hygienehaube oder verstörten Kindern können schnell zum bösen Geist des Wahlkampfes mutieren.

Jedoch sind solche Anlässe ideal, um mit Multiplikatoren oder neudeutsch Influencer genannten Menschen ins Gespräch zu kommen. Dabei kommt es auf vielfältige Gegenüber und die im Zweifelsfall notwendige inhaltliche Distanz an. Auch eine Vereinnahmung durch Aktivisten und Initiativen ist zu vermeiden. Keine Wählermehrheit möchte sich ihren Bürgermeister als verlängerten Arm einer Interessengruppe denken.

Auf die Art und Weise der Kommunikation kommt es an. Nötig ist, auch einmal sagen, was nicht möglich sein wird. Messianisches Auftreten ist politisch schon wieder etwas abgenutzt und gerade in der Kommunalpolitik eher skurril. Auch die schon angesprochene und vom Zeitgeist diktierte pluralistische Mitwirkungs- und Bürgerbeteiligungskultur sollte nicht missachtet werden. Das bedeutet: Keine Prinzipienreiterei, aber auch kein Opportunismus. Und vor allem nicht gruppenspezifisch erzählen, was das jeweilige Publikum hören möchte und dabei Widersprüche produzieren.

Unterstützer sollten die Zielgruppe kennen

Sehr wichtig ist auch der Stab, mit dem der Kandidat sich umgibt. Häufig ist es leider so, dass Wahlkampfteams die Hackordnung im Ortsverband der Partei widerspiegeln. Die Wahlkampfführung fungiert da als Ehrentitel für verdiente Infostandveteranen. Geboten ist aber ein Unterstützertableau, das auf die Struktur jener Mehrheit der Wählerschaft zugeschnitten ist, die erreicht werden soll. Fehlen diese Antennen zu den politisch Ungebundenen, ist die Gefahr groß, den Zuspruch der ganz und gar Gleichgesinnten mit der allgemeinen Stimmungslage zu verwechseln.

Nicht zuletzt ist die Digitalisierung im Kommunalwahlkampf angekommen. Zu bespielen ist eine veränderte Medienwelt. Lokalblogs spielen wie soziale Netzwerke eine große Rolle. Präsenz dort ist unverzichtbar. Es muss aber die richtige Balance gefunden werden. Nicht jede Provokation in der Kommentarspalte sollte zu Endlosdiskussionen führen, die bestenfalls langweilen, schlimmstenfalls kontraproduktiv sind, weil der Kandidat sich vergaloppiert hat. Nur Weniges lohnt der Entgegnung. Entgleisungen sollten gelöscht werden, Kritik nicht. Generell gilt: Keine Trolle füttern, aber Facebook, Twitter und Co. auch nicht als Verlautbarungsorgane nutzen.

Auch für den digitalen Auftritt empfiehlt sich also der gegenwärtig wohl erfolgversprechendste Wahlkampfstil: eine disziplinierte Authentizität (s. Teil 1). Diese funktioniert umso besser, wenn die Inhalte stimmen (s. Teil 2). Nicht vergessen werden darf aber, dass alle Wahlkampffinessen, selbst die meisterhaft ausgeführten, nur Trendverstärker sind, nicht aber für einen Gezeitenwechsel sorgen können. Kein Wahlsieg wird gegen die Stimmung des Souveräns, der Bevölkerung, eingefahren. Diese demokratische Tatsache wird auch von der besten Kampagne nicht widerlegt werden.

Markus Karp

Der Autor

Dr. Markus Karp ist Professor unter anderem für Personalmanagement und öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau bei Berlin, Fachbereich Wirtschaft, Informatik und Recht

Zum Weiterlesen: Wahlkampfstratege Markus Karp behandelt in seiner Beitragsserie über Bürgermeisterwahlen die Bedeutung der persönlichen, sachlichen und kommunikativen Profilbildung. Teil 1 ist unter dem Titel „Authentischer Auftritt“ in der Mai-Ausgabe von der gemeinderat erschienen, Teil 2 unter dem Titel „Die richtigen Themen überzeugen“ in der Juni-Ausgabe. Beide Artikel finden Sie auch online unter www.treffpunkt-kommune.de > Themen > Bildung & Wissen.