Hochwasserschutz: Wie lässt sich das Ausmaß von Katastrophen reduzieren?

Wie lassen sich Hochwasserkatastrophen vermeiden? Foto: Adobe Stock/Gina Sanders

Über 100 Tote, ebensoviele Menschen werden noch vermisst, dazu ein Sachschaden in Millionenhöhe: Die Folgen der schrecklichen Hochwasserkatastrophe von diesem Sommer werden uns noch lange beschäftigen. Wie lassen sich Katastrophen dieser Art in ihrem Ausmaß reduzieren? Kommunen, auch abseits bislang gefährdeter Regionen, müssen sich rechtzeitig rüsten und auch ihre Bürger mobilisieren. Hochwasserexperte Georg Johann erklärt, wie es gehen kann.

Die Folgen des Klimawandels sind in Deutschland bereits spürbar und werden sich in den kommenden Jahren weiter verstärken. Wetterextreme werden zunehmen, dabei sind Dürre- und Niederschlagsereignisse die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die immer intensiver werdenden Niederschlagsereignisse bringen hohe Schäden und Gefahr für Leib und Leben mit sich. Die Überschwemmungen durch Starkregen und Hochwasser verursachen nicht nur private Katastrophen, sondern auch bedeutende volkswirtschaftliche Schäden.

Der Gesamtverband deutscher Versicherungen stellte fest, dass allein Starkregen über einen Zeitraum von 16 Jahren (2002 bis 2017) Werte an Wohngebäuden von rund 6,7 Milliarden Euro zerstört hat. Extremer Starkregen kann in Deutschland, dem Deutschen Wetterdienst zufolge, überall auftreten.

Wetterextreme nehmen zu – was tun?

Durch die Zunahme von Starkniederschlägen rücken auch Sturzflutereignisse abseits der großen Gewässer und in innerstädtischen Lagen in den Fokus. Die übergeordneten Schutzmaßnahmen der öffentlichen Hand können den potenziell großen Schaden mindern. Sie können allerdings nicht die einzige Lösung sein: Zum einen, weil für Maßnahmen in der eng bebauten Stadt wenig Platz für Retentionsraum zur Verfügung steht. Zum anderen bringen die Starkregen so große Wassermengen, dass auch die zusätzlichen, nachhaltigen Maßnahmen nicht alle extremen Starkregen schadlos zurückhalten können. Das zeigen auch die Starkregengefahrenkarten, die schon in vielen Kommunen vorhanden sind. Die Natur hält sich eben nicht an unsere Bemessungsgrößen.

Wir müssen also feststellen, dass die Einwohner, das Gewerbe und die Industrie trotz der zusätzlichen siedlungswasserwirtschaftlichen Infrastrukturmaßnahmen immer öfter von Starkregen betroffen sein werden – ob uns das gefällt oder nicht. Die unausweichliche Konsequenz ist, dass die immer weiter nachverdichtete Bebauung an die neue Wirklichkeit mit ihren extremen Wetterphänomenen angepasst werden muss. Nur so kann die Resilienz der Kommunen gegenüber Überflutungen gesteigert werden. Und nur so kann die wirtschaftliche Kraft der Kommunen erhalten werden. Es geht also um Werteerhalt in Zeiten des Klimawandels.

Eigenvorsorge aktivieren

Zahlreiche soziologische Studien zeigen: Überflutungen durch Starkregen und Hochwasser sind eine von der Zivilgesellschaft unterschätzte Gefahr. Weniger als die Hälfte der Hauseigentümer in Deutschland besitzt eine Elementarschadenversicherung, noch viel weniger Menschen wissen, ob ihr Gebäude durch eine Überflutung bedroht ist, und noch weniger Menschen wissen, dass sie etwas dagegen tun können.

Dabei sind Eigenvorsorgemaßnahmen in der Regel kostengünstig und verhindern großen Schaden. Eine Sensibilisierung für die Überflutungsgefahr sowie Realisierung einfacher und wirkungsvoller Eigenvorsorgemaßnahmen ist also notwendig. Aus zahlreichen Studien geht jedoch hervor, dass diese kommunizierten Karten nur von einer kleinen Anzahl von Menschen geschätzt und verstanden werden. Das liegt meist daran, dass die Gefahrenkarten keine Gefahrendarstellung und Schutzmaßnahmen auf Haushaltsebene enthalten.

Der zusätzliche Hinweis auf Überflutungsschutzmaßnahmen und damit die Stärkung der Eigenverantwortung der Betroffenen hat gezeigt, dass Schäden durch Überflutungen wesentlich reduziert werden. Eine Risikokommunikation, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Menschen abgestimmt ist, beeinflusst also deren Risikowahrnehmung und fördert damit das Anpassungsverhalten.

Mit ganz praktischen Beispielen kann vor Ort – zum Beispiel in der Fußgängerzone, auf Bürgerfesten oder ähnlichem – die Bevölkerung über die Vorteile und die Möglichkeiten der Eigenvorsorge aufmerksam gemacht werden. Dabei können Informationen zur Rückstausicherung, zu baulichen Maßnahmen am Gebäude oder zur Verhaltensvorsorge gegeben werden. Dies kann beispielsweise mit dem Hochwasser-Infomobil des „HochwasserKompetenzCentrums“ (HKC) gemacht werden. Das HKC-Infomobil beinhaltet Starkregen-und Hochwasserschutz zum Anfassen. Zur Grundausstattung des HKC-Infomobils gehört eine Ausstellung von Modellen und Anschauungsmaterialien zur Eigenvorsorge. Das Infomobil kann von Kommunen oder anderen Institutionen online gebucht werden. Auch verfügt das HKC auf seiner Webseite über Informationen darüber, wo welche Objektschutzmaßnahmen erhältlich sind.

Hilfe durch Hochwasserpass

Grundstücksbesitzer, Hauseigentümer oder Gewerbebetriebe können Hilfe bei der Realisierung von Eigenvorsorgemaßnahmen mit dem Hochwasserpass erhalten (siehe www.hochwasser-pass.com). Mit ihm erhalten sie eine direkte Anleitung zu sinnvollen Eigenvorsorgemaßnahmen, die individuell auf ihr Objekt zutreffen. Der Hochwasserpass hilft, sich an die bestehenden Gefahren und auch an weitere Veränderungen durch den Klimawandel anzupassen und handlungsfähig zu sein. Alle in Deutschland relevanten überflutungsbezogenen Gefährdungen sind dabei integriert:

  • Flusshochwasser,
  • Starkregen/Sturzfluten,
  • Kanalrückstau,
  • Grundhochwasser.

Auch die Stadt Bonn nutzt das Konzept des Hochwasserpasses bei der Risikokommunikation für ihre Bürger. Hier kann auf der Grundlage eines kurzen Fragebogens ein Risikocheck durchgeführt werden, bei dem der Wasserstand und mögliche Eindringwege am Haus identifiziert werden. Daraufhin wird der potenzielle Schaden ermittelt und Eigenvorsorgemaßnahmen werden vorgeschlagen.

Diese Beispiele können Kommunen mit der Unterstützung des HKC realisieren. Die Aktivierung der Gemeinschaftsstärken ist ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung einer resilienten Gesellschaft. Für Kommunen ist es die Entscheidung für eine sichere Zukunft in Zeiten des Klimawandels, die Eigenvorsorge zu unterstützten. Werkzeuge stehen bereit.

Der Autor:
Georg Johann ist Geschäftsführer des HochwasserKompetenzCentrums (HKC) mit Sitz in Köln.