Gute Gestaltung zeichnet die Stadtentwicklung aus

Die Einflussnahme auf die Pflege des Baubestandes und die Gestaltung von Neu- und Umbauten sowie des öffentlichen Raumes sind eine wichtige Aufgabe der Kommunalpolitik. Eine Gemeinde bleibt nur attraktiv für Bürger, Besucher und Unternehmen, wenn sie ein ansprechendes Ortsbild und eine hohe Aufenthaltsqualität aufweist und wenn sich Investitionen lohnen.

Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs hatten der rasche Wiederaufbau und die verkehrsgerechte Funktionalität Vorrang beim Städtebau in Deutschland. Auf Baukultur wurde oft wenig Wert gelegt. In den letzten zwei Jahrzehnten hat aber eine Neubewertung der Baukultur und ihrer Bedeutung für die Stadtentwicklung stattgefunden. Mit der steigenden Mobilität von Menschen und Unternehmen hat sich ein interkommunaler Wettbewerb der Standorte entwickelt, dem sich heute jede Stadt und Gemeinde ausgesetzt sieht.

Die Menschen ziehen dorthin, wo sie sich wohlfühlen. Unternehmen bevorzugen Standorte mit hohem Wohnwert, an denen sie leichter qualifizierte Fachkräfte gewinnen und halten können. Als zentraler Faktor der Attraktivität hat sich die Baukultur erwiesen. Die bewusste Gestaltung der baulichen Umwelt und der öffentlichen Räume dient der Pflege der Identität einer Gemeinde und trägt zum Wohlbefinden der Einwohner und Gäste bei.

Politische Initiativen fördern die Baukultur

Zu diesem neuen Verständnis der Baukultur haben eine Reihe von politischen Initiativen beigetragen, die bis in die Kommunen hinein wirken. Im Mai 2007 beschlossen die für Stadtentwicklung zuständigen Minister aller EU-Mitgliedsstaaten die „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“. Mit dem Ziel, die Inhalte der Charta in Deutschland umzusetzen, wurde von der Bundesregierung seit 2007 die „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ etabliert. Sie ist als Gemeinschaftsinitiative von Bund, Ländern und Kommunen aufgesetzt.

Dazu heißt es aus dem Bundesbauministerium: „Die Nationale Stadtentwicklungspolitik stellt das gute Bauen sowie die Strategie und Handlungsfelder der Baukultur in den Mittelpunkt von Projekten und Maßnahmen. Dabei geht es nicht allein um einzelne baukulturelle ‚Highlights‘; mehr Baukultur bedeutet vor allem, eine durchgängige Gestalt- und Verfahrensqualität zum festen Bestandteil aller Projekte und Programme der Nationalen Stadtentwicklungspolitik zu machen. Denn Baukultur bedeutet auch Planungskultur.“

Ein wichtiger Schritt zur Umsetzung dieses Ziel war die Einrichtung der Bundesstiftung Baukultur (analog zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz). Zu den Hauptaufgaben der Bundesstiftung zählt die Herausgabe der Baukulturberichte (aktuell: Band 2016/17). Er ist eine Fundgrube nützlicher Daten und Fakten und er hat sich mit seiner Fülle konkreter Handlungsempfehlungen für ein Mehr an Baukultur als wertvolles Beratungsinstrument für die Kommunalentscheider bewährt.

Auf Ebene der Bundesländer sind inzwischen viele Institutionen und Organisationen zur Förderung der Baukultur aktiv. So vor allem die Landesarchitektenkammern als gesetzlich fundierte Einrichtungen und Inititativen wie zum Beispiel die Landesinitiative Baukultur in Hessen, die Landesinitiative Stadtbaukultur Nordrhein-Westfalen, die Stiftung Baukultur Saar oder auch die Initiative Baukultur Sachsen.

Eine bundesweit abgestimmte Aktivität der Kammern ist der Tag der Architektur. Er hat sich als Veranstaltungstermin am letzten Wochenende im Juni etabliert. In den vergangenen Jahren lockte der Tag der Architektur bundesweit rund 150.000 Besucher an.

Aktivitäten auf regionaler Ebene wie Baukultur Altmühlfranken, Baukultur Eifel, Baukultur Schwarzwald oder das Bündnis für Baukultur Westfalen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe sind in der Regel mit den Institutionen auf Landesebene abgestimmt. Das Motiv ist hier oft die Förderung des Tourismus, für den baukulturelle Attraktionen von erstrangiger Bedeutung sind.

Rechtliche Aspekte

Zug um Zug haben sich die baukulturellen Initiativen in der Rechtsetzung niedergeschlagen. Seit 2004 ist der Begriff „Baukultur“ Gegenstand des Planungsrechts auf Bundesebene. In Paragraf 1 Absatz 5 Nummer 2 des Baugesetzbuches (BauGB) ist er als allgemeines Ziel der Bauleitplanung verankert und steht dort gleichrangig neben Umwelt- und Klimaschutz.

Das Gesetz legt fest: „Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: (…) die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes“ (§ 1, Abs. 6 Ziff. 5 BauGB).

Mit der sogenannten Innenentwicklungsnovelle wurde das Instrumentarium der Städtebaulichen Verträge um baukulturelle Belange ergänzt (§ 11, Abs. 1, Satz 2 BauGB). Betroffen sind städtebauliche und architektonische Maßnahmen, deren Ziel die Qualitätssicherung ist, zum Beispiel die Durchführung von Gestaltungswettbewerben oder die Mitwirkung von Gestaltungsbeiräten oder Bürgerforen an den städtebaulichen Entscheidungen der Kommunen. Paragraf 248 BauGB schließlich koppelt auch die Durchführung von Maßnahmen der Energieeinsparung an die Vereinbarkeit mit baukulturellen Belangen.

Verwaltungsinterne Abwägung

Auf der Ebene der Fachplanungsgesetze spielt die Baukultur bisher weder auf Bundes- noch auf Landesebene eine wesentliche Rolle. Belange wie Umweltschutz, Wirtschaft, Verkehr und Infrastruktur werden in der konkreten Verwaltungspraxis durch Bedarfs- und Interessenwahrer, sogenannte Träger öffentlicher Belange, professionell vertreten. Eine solche institutionelle Trägerschaft gibt es bisher für die Baukultur nicht. Sie könnte durch Baukulturinitiativen oder Gestaltungsbeiräte erfolgen. Der Abwägungsprozess wird heute dagegen in der Regel lediglich verwaltungsintern vollzogen und in der Planakte niedergelegt.

In Fachkreisen wird seit Längerem diskutiert, ob nicht analog zur Umweltprüfung, die als Bestandteil der Bauleitplanung ihren Niederschlag in einem Umweltbericht findet, auch Nachhaltigkeitsberichte oder Baukulturatteste in Planungs- und Genehmigungsverfahren notwendig sind.

Kooperation vor Ort

Entsprechend dem heutigen Verständnis von Baukultur sind alle wesentlichen gestaltenden Kräfte vor Ort in die Meinungs- und Willensbildung einzubeziehen. Dazu gehören neben Kommunalpolitik- und verwaltung die Träger öffentlicher Belange, örtliche Experten, aber auch Bürger, die sich für die Gestaltung ihrer Gemeinde einsetzen. Herausragend ist bundesweit das Engagement der Kirchen und der regionalen Banken, vor allem der seit jeher mit der Kommunalpolitik besonders verflochtenen Sparkassen.

Ein schönes Beispiel örtlicher Zusammenarbeit im Sinne der Nationalen Stadtentwicklungs- Politik bietet die Willkomm-Gemeinschaft Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz). Der lokale Zusammenschluss von Unternehmern und Immobilieneigentümern hat sein jährliches Forum Stadtentwicklung im Herbst 2017 dem Thema Baukultur gewidmet.

Karl J. Eggers

Der Autor
Dr. Karl J. Eggers ist freiberuflicher Unternehmens- und Kommunalberater in Lambrecht/Pfalz

Info: Die Links zu den Landesinstitutionen der Baukultur – Landesarchitektenkammern und Initiativen – finden sich unter www.bak.de/baukultur/links

Info: Empfehlungen für die Praxis

Was können Akteure und Interessierte vor Ort tun, um die Themen Baukultur und Kommunalentwicklung bestmöglich anzugehen? Die folgenden Maßnahmen sind der Kommunalverwaltung zu empfehlen, weil sie sich in der Praxis bewährt haben:

  • Beschaffen Sie die Baukulturberichte 2014/15 und 2016/17 und werten Sie sie für Ihre Zwecke aus; prüfen Sie vor allem, welche der jeweiligen konkreten Handlungsempfehlungen für Ihre Gemeinde nützlich und anwendbar sind.

  • Erfassen Sie die Personen, Institutionen und Unternehmen, die in Ihrer Gemeinde als Mitwirkende bei der baukulturellen Gestaltung im Sinne der Vorschläge der Bundesstiftung Baukultur infrage kommen.

  • Prüfen Sie in Zusammenarbeit mit örtlichen Architekten, wie weit Sie sich mit Projekten und Führungen am kommenden Tag der Architektur 2018 beteiligen können.

  • Prüfen Sie, welche der bestehenden regionalen Baukultur-Initiativen als Projektpartner für Sie infrage kommen oder ob es Interessenten für die Gründung einer solchen Institution in Ihrer Region gibt.

Karl J. Eggers