Bei Bestandsgebäuden ist es häufig möglich, ohne Abstriche bei der Sicherheit Kosten für Brandschutz einzusparen. Der Ausgangspunkt sollte immer die Erreichung der Schutzziele sein. Das kann wie im Beispiel einer Schule in Süddeutschland auf unterschiedliche Wege geschehen.
Eine Schule in Süddeutschland, eine von tausenden in ganz Deutschland. Das Gebäude aus den 1970er-Jahren ist in die Jahre gekommen, das Brandschutzkonzept soll im Rahmen einer Sanierung überarbeitet werden. Ein Architekturbüro hat Planungen vorgelegt – die Kosten dafür liegen bei 20 Millionen Euro. Vorgesehen sind neue, rauchdichte Türen, alle Flurwände müssen erneuert werden, die Eingangshalle soll als Fluchtweg ausgebaut werden.
Um die Kalkulation von unabhängiger Seite validieren zu lassen, zog der Oberbürgermeister der Stadt Experten des Prüfunternehmens TÜV Süd hinzu. Sie legten nach eingehenden Untersuchungen ein alternatives Konzept vor, mit dem die Kosten um die Hälfte reduziert wurden.
Grundsätzlich gilt: Brandschutz ist kein Selbstzweck, sondern dient immer dazu, Menschen und Gebäude zu schützen. Deshalb sollten alle Maßnahmen innerhalb des rechtlichen Rahmens auf dieses Ziel ausgerichtet sein. Umzusetzen ist nicht alles, was aus technischer Sicht machbar, sondern was sinnvoll und notwendig ist.
Tatsächlich arbeiten Fachplaner heute vor allem mit Blick auf Regelwerke und empfehlen – auch wegen möglicher Haftungsrisiken – tendenziell eher zu viele als zu wenige Maßnahmen. So waren in der ursprünglichen Planung für die Schule alle Maßnahmen an den Brandschutzvorschriften für Neubauten ausgerichtet, obwohl es sich um ein Bestandsgebäude handelt.
Technisches und juristisches Wissen erforderlich
Wenn es jedoch um Brandschutz in Bestandsbauten geht, sind durchaus Abweichungen von den Normen möglich. Dafür allerdings ist spezifisches Wissen im technischen und juristischen Bereich gefordert. Was genau bedeuten Begriffe wie „Bestandsschutz“, „Sicherheit“ und „allgemein anerkannte Regel der Technik“? Fakt ist: Hat ein Gebäude bei seiner Einrichtung den Brandschutzrichtlinien entsprochen und haben sich Bau sowie Nutzung seitdem nicht geändert, dann darf es ohne Veränderung weiter genutzt werden. Nur wenn eine „konkrete Gefahr“ besteht, gilt kein Bestandsschutz, und Abweichungen von Vorschriften sind unzulässig.
Die Beurteilung einer „konkreten Gefahr“ ist nicht einfach. Der Brandschutzplaner muss sowohl Bauwerk und Nutzung als auch die Zahl der betroffenen Personen und die Wahrscheinlichkeit eines Schadens in die Berechnungen einbeziehen. Anschließend muss die Bauaufsichtsbehörde dieser Argumentation zustimmen. Im Falle des Schulgebäudes – ein Stahlbeton-Skelettbau mit Erdgeschoss, zwei Obergeschossen und über 10.000 Quadratmetern Grundfläche für mehr als 2000 Schüler – prüften die Gutachter Alternativen zu den ursprünglichen Planungen. So sollte die etwa 2000 Quadratmeter große Eingangs- und Pausenhalle zu einem Flucht- und Rettungsweg ausgebaut werden. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche neue Wände und Türen eingeplant.
Die Gutachter hingehen konnten nachweisen, dass die Schüler und Lehrer im Gefahrenfall nicht auf die beiden offenen Treppen in die Halle angewiesen sind. Stattdessen könnten sie über elf weitere Treppenräume an den Außenwänden das Gebäude verlassen. Dass auf diesen Wegen eine zügige Räumung des Gebäudes sichergestellt ist, wurde mithilfe einer unangekündigten Räumungsübung bestätigt. Demnach kann auf den Umbau der Halle verzichtet werden.
Türen können ertüchtigt werden
Im Maßnahmenkatalog waren neue Treppenraumtüren vorgesehen. Die Prüfer kamen zu dem Ergebnis, dass die vorhandenen Türen in Stahlrahmenbauweise mit Drahtglasfüllung durch Ertüchtigungen im Dichtungs- und Falzbereich auf das mit neuen rauchdichten Türen vergleichbare Sicherheitsniveau gebracht werden können.
Ein weiteres Thema waren die Flurwände, die die Geschossflächen von den Rettungswegen abgrenzten. Beim Bau des Schulgebäudes hatten sie zwar die erforderlichen Nachweise für den Brandschutz erfüllt, haben aber einen deutlichen Nachteil: Sie reichen nur bis zur sichtbaren Unterdecke des Raumes, nicht aber bis zur tatsächlichen Geschossdecke. In dem Hohlraum dazwischen ist die Verbindung zwischen Räumen und Fluren offen. Der Plan des Architekturbüros sah daher vor, die Flurwände vollständig durch neue Trockenbauwände zu ersetzen.
Das Prüfunternehmen entwickelte einen deutlich weniger aufwendigen Vorschlag. Ein spezielles Detail wurde entwickelt, das die brandschutztechnischen und statischen Erfordernisse erfüllt und auch zulassungsgerecht verwendet werden konnte. Es bestand aus einer Stahlkonstruktion zur Lastabtragung sowie einer Konstruktion aus Brandschutzplatten, durch die sich der Raumabschluss sicherstellen ließ. Ein „Unterzug“ wurde konstruiert, an den die bestehende Systemwand nun abschloss. Sicherheitshalber haben Experten einer Materialprüfungsanstalt diesen noch einmal begutachtet. In die Planung eingebunden wurden ebenso Bauherren, Planer und Behörden sowie Sachverständige, Juristen und die Feuerwehr.
Herbert Gottschalk
Der Autor
Herbert Gottschalk ist Leiter Bautechnik bei TÜV SÜD Industrie Service in München