Die Hamburger Binnengewässer sind ökologisch besonders empfindlich. Um sie zu schützen, unternimmt der städtische Abwasserentsorger Hamburg Wasser erhebliche Anstrengungen. Teil der langfristig angelegten Bemühungen ist die Sanierung und Entlastung des historischen Mischkanalnetzes in der Innenstadt.
Das Hamburger Kanalnetz hat heute eine Ausdehnung von rund 5800 Kilometern und leitet die Abwässer von über zwei Millionen Einwohnern aus dem Hamburger Stadtgebiet sowie von 26 Gemeinden im Umland zum zentralen Klärwerksverbund Köhlbrandhöft-Dradenau im Hamburger Hafen. Der Abwasserentsorger Hamburg Wasser hat in den letzten Dekaden erhebliche Investitionen in die Sanierung und den Ausbau der historischen Mischkanalnetze unternommen, die in Hamburg Siele genannt werden. Zudem wurden mit den 2005 und 2015 fertig gestellten Programmen zur Entlastung für die Hamburger Gewässer Alster, Elbe und Bille rund 600 Millionen Euro in die Herstellung von unterirdischen Ableitungs- und Speicherkapazitäten zur Reduzierung von Mischwasserentlastungen investiert.
Von den dargestellten Sanierungsmaßnahmen ausgenommen waren bislang das westlich der Alster gelegene Isebekstammsiel (DN 2400) und der südwestliche Teil des Geeststammsieles (DN 3000). Diese historischen Sammler leiten das Regen- und Schmutzwasser von rund 270.000 Einwohnern der Innenstadt zum Hauptpumpwerk Hafenstraße am Nordufer der Elbe. Von dort wird das Abwasser durch einen Elbedüker zum zentralen Klärwerksverbund gefördert. Diese Siele sind bereits über 140 (bzw. 115) Jahre alt und damit sanierungsbedürftig.
Eine Erneuerung der Stammsiele in gleicher Trasse und Tiefenlage wurde aufgrund der bestehenden Überbauung, des schlechten Gefälles sowie der fehlenden Umleitungsmöglichkeiten während der Bauphase ausgeschlossen. Auch für eine Renovierung der Stammsiele ist eine bauzeitliche Vorfluthaltung über einen Zeitraum von mehreren Jahren erforderlich. Diese muss aufgrund der dicht bebauten Innenstadtlage sowie der ökologisch sensiblen Gewässersituation hohen Anforderungen an den Überflutungs- und Gewässerschutz gerecht werden.
Unter den geschilderten Randbedingungen hat das Unternehmen daher im Jahr 2007 eine Neukonzeption der Entwässerungssituation für die Hamburger Innenstadt erarbeitet. Dieses Konzept wird seit 2011 als Innenstadt-Entlastungsprogramm umgesetzt. Primäre Zielsetzungen sind die Sanierung der historischen Stammsiele westlich der Alster zur Sicherstellung einer nachhaltigen Abwasserentsorgung für die Innenstadt und die weitere Verbesserung des Gewässerschutzes, insbesondere für den Isebekkanal, ein ökologisch sensibles Nebengewässer der Alster.
Neues Transportsiel bis zum Pumpwerk Hafenstraße
Der Bau der neuen Transportsiele sollte einerseits temporär die erforderlichen Ableitungskapazitäten für eine spätere Renovierung der alten Stammsiele mittels Rohr-Relining bereitstellen, andererseits die damit verbundene dauerhafte Querschnittsreduzierung mindestens kompensieren. Darauf aufbauend wurden verschiedene Profil- und Trassenvarianten untersucht und mithilfe eines hydrodynamischen Simulationsmodells bewertet.
Auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse wurde entschieden, parallel zum von Norden kommenden Isebek-Stammsiel ein tiefliegendes Transportsiel Isebek als DN 2400 Kreisprofil herzustellen. Das Transportsiel verläuft auf einer Länge von 3425 Meter vom Weidenstieg in Eimsbüttel südwärts durch das Schanzenviertel bis zum Pumpwerk Hafenstraße in St. Pauli. Für das bestehende Geeststammsiel im Bereich zwischen Binnenalster und Pumpwerk Hafenstraße wurde ein tiefliegendes Transportsiel geplant, das vom Stephansplatz in neuer Trasse entlang des Wallrings zum Betriebsschacht im Alten Elbpark führt und dort in das Transportsiel Isebek mündet. Für dieses 1685 Meter lange Transportsiel Wallring wurde ein Querschnitt DN 1800 vorgesehen.
Zur Entlastung des Isebekkanals ist als ergänzende Maßnahme am nördlichen Endpunkt des Transportsieles Isebek der Bau eines 880 Meter langen Speichersiels Bismarckstraße als Drachenprofil 1800 vorgesehen, durch das die Mischwasserentlastungen in das Gewässer abgefangen und dem Transportsiel Isebek zugeleitet werden können.
Zur Gewährleistung einer möglichst ablagerungsfreien Ableitung des Trockenwetterabflusses im Innenstadtbereich sollten die neuen Siele ein besseres Gefälle aufweisen und Hindernisse wie U-Bahn- und S-Bahntunnel dükerfrei kreuzen. Dies hatte zur Folge, dass das neue Transportsiel Isebek am Endpunkt Hafenstraße rund 6,50 Meter unterhalb des Pumpensumpfes des Hauptpumpwerkes Hafenstraße ausmündet. Um das Abwasser auf das Niveau des Hauptpumpwerks zu heben, musste daher ein Zwischenpumpwerk zwischen dem Endpunkt des Transportsiels Isebek und dem vorhandenen Pumpwerk Hafenstraße vorgesehen werden. Die maximale Förderleistung des Zwischenpumpwerkes wurde auf 1800 Liter pro Sekunde festgelegt.
Für die bautechnische Umsetzung des Innenstadt-Entlastungskonzeptes wurde das Bauvorhaben in vier zeitlich gestaffelte Bauabschnitte gegliedert. Die Ausführung der einzelnen Bauabschnitte wurde jeweils separat ausgeschrieben und im Rahmen europaweiter Vergabeverfahren an geeignete Bieterfirmen beauftragt.
Die Baumaßnahmen vorbereitend wurden für das Innenstadt-Entlastungsprogramm im Bereich der geplanten Sammlertrassen umfangreiche Baugrundaufschlüsse bis zu einer Tiefe von 55 Metern unter Geländeoberkante durchgeführt. Die daraus resultierenden geologischen Längsschnitte stellen eine unentbehrliche Grundlage für den Entwurf, die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen sowie für die spätere Bauausführung dar.
Stahlbetonrohre mit innerem Korossionsschutz
Insbesondere die Wahl der Rohrvortriebsverfahren und die Herstellung der Schachtbauwerke hängen maßgeblich von den Baugrundverhältnissen ab. Für alle Vortriebsstrecken werden Stahlbetonrohre in unterschiedlichen Segmentlängen (abgestimmt auf die aufzufahrenden Radien) mit einem werksseitig eingebrachten inneren Korrosionsschutz aus High Density Polyethylen (PE-HD) eingebaut.
Für die Bauabschnitte I bis III wurden zunächst jeweils die Start- und Zielbaugruben hergestellt. Die Startbaugruben haben einen inneren Durchmesser von zwölf Metern und eine mittlere Tiefenlage von 20 bis 25 Metern. Die Größe der Startbaugruben ergab sich aus den Rohrsegmentlängen sowie den Abmessungen der Pressenwiderlager und der einzubauenden Einfahrdichtungen für den jeweiligen Vortrieb.
Die Zielbaugruben haben einen kleineren Durchmesser von neun Metern, da hier nur die noch ausgefahrene Rohrvortriebsmaschine mit dem entsprechenden Nachlauf zu bergen war. Die Baugruben wurden im Schlitzwandverfahren oder als Bohrpfahlwände hergestellt.
Das Transportsiel Isebek wurde Ende 2016 fertig gestellt. Neben zahlreichen baugrundbedingten Schwierigkeiten, geringen Überdeckungen zwischen trassenquerenden S-Bahnlinien sowie den umfangreichen Abstimmungen mit anderen Leitungsträgern stellten insbesondere die zahlreichen baubegleitenden Großveranstaltungen im Innenstadtbereich (Marathon, Hafengeburtstag, Triathlon, Radrennen, Dom, Schlagermove, etc.) die Bauausführung vor erhebliche logistische Herausforderungen.
Im März 2017 ist mit der Schildtaufe für den Vortrieb des Transportsiels Wallring (DN 1800) der dritte Bauabschnitt begonnen worden. Die Fertigstellung ist für 2018 geplant. Parallel zu den Vortriebsarbeiten wurde im vierten Bauabschnitt die technische Ausrüstung für das Zwischenpumpwerk Hafenstraße im Endschacht des Transportsieles Isebek fertig gestellt. Das Zwischenpumpwerk wurde nach Abschluss der Vortriebsarbeiten des Transportsieles Isebek in den unmittelbar westlich des Hauptpumpwerkes Hafenstraße gelegenen Vortriebsschacht am Endpunkt des Transportsieles Isebek integriert und mit drei Pumpen à 600 Liter pro Sekunde ausgerüstet.
Ergänzend zu den Maßnahmen des Innenstadt-Entlastungsprogramms erfolgt der Bau des Speichersieles Bismarckstraße vom Weidenstieg bis zur Hoheluftchaussee als Drachenprofil DR 1800 mit einer Länge von 880 Metern. Das Speichersiel soll bis Ende 2019 fertig gestellt werden. Die Sanierung der historischen Stammsiele soll nach Fertigstellung der Maßnahmen des Innenstadt-Entlastungsprogramms auf Grundlage einer detaillierten Zustandsbewertung erfolgen.
Klaus Krieger
Der Autor
Klaus Krieger ist Abteilungsleiter Eigentümeraufgaben Netze bei Hamburg Wasser