Die Zahl der Gemeinden und Regionen, in denen Gesundheitsnetze aufgebaut werden, wächst. Ziele und Organisationsformen sind dabei ganz unterschiedlich, auch die Bandbreite des kommunalen Engagements. Sie reicht von der Rolle des Fürsprechers bis hin zur der des Initiators und Motors.
Mittlerweile dürfte es weit über 1000 lokale, regionale und überregionale Gesundheitsnetze geben. Alle zusammen mit den unterschiedlichsten Bezeichnungen, Zielen, Herangehensweisen, Organisationsformen und Aktivitätsgraden. Nichts ist dabei heterogener als die Initiatoren, die Macher und die beteiligten Akteure aus der gesamten Breite des Gesundheitswesens und des Zweiten Gesundheitsmarktes. Häufig – und das mögen durchaus die innovativsten Netze sein – führen sie den Begriff„Gesundheit“ nicht einmal im Namen.
Wie können sich nun einzelne Kommunen, Zweckverbände oder Landkreise einbringen beziehungsweise die Initiative ergreifen? Grundsätzlich gilt: Ohne den „richtigen Macher“ als „Gesicht“ nach außen und innen läuft nichts. Von gleicher Wichtigkeit ist die Frage nach der eigenen Rolle: Soll die Kommune beziehungsweise die Region als (Anschub-)Finanzierer (z. T. gibt es auch passende Fördermittel), aktiver Unterstützer und Förderer oder nur als reagierende Institution vereinzelt mitwirken und sich ansonsten passiv verhalten?
Ländervorgaben sind zu beachten
Hier sind in einer frühen Phase insbesondere die formalen Handlungsmöglichkeiten zu klären, die immer abhängig von landesspezifischen rechtlichen Vorgaben sind. Gleichzeitig muss auf Gemeinde- beziehungsweise Regionsebene die Frage nach den einzubringenden ideellen, personellen, organisatorischen, infrastrukturellen und finanziellen Ressourcen – in dieser Reihenfolge – beantwortet werden.
Welches gemeinsame Verständnis haben die Initiatoren und die Schlüsselakteure eines Gesundheitsnetzes? Ist dieses „nur“ lose gemeint, sollen mittelfristig formale Strukturen bis hin zu einer Kapitalgesellschaft aufgebaut werden oder passt zum Start die Form „e. V.“ Die folgenden Praxisbeispiele spiegeln die inhaltliche Breite des Begriffs „Gesundheit“ wider, skizzieren die Hintergründe möglicher Initiatoren und Macher und zeigen unterschiedliche „Tiefen“ und Verbindlichkeiten des Einbringens der kommunalen Ebene auf.
Initiative einer Krankenkasse
Ein eher lockeres Einbringen der kommunalen Ressourcen zeigt das Beispiel der Initiative einer regional tätigen Krankenkasse. Diese nutzt die seit Jahrzehnten durchgeführte europaweite EPIC-Studie unter dem Motto „Länger-besser-Leben“, um in mehreren Kleinstädten das Bewusstsein für die individuelle Verantwortung für die eigene Gesundheit zu verankern. Dabei wirken weit über 100 Unternehmen der Gesundheitswirtschaft – und jetzt wird es spannend für die Mobilisierung der Bevölkerung – auch des Handels, der Banken und des Handwerks mit. Wieso sollte ein begeisterter Bio-Bäcker nicht Flyer zum Thema „Jeden Tag 3000 Schritte“ an seine Kundschaft verteilen und mit seinen Beschäftigten bei einem Business-Lauf mitmachen? Die Rolle der Kommunen ist hier auf die Motivation und Aktivierung der Bevölkerung, die Bereitstellung kommunaler Infrastrukturen und die Mitarbeit bei der Organisation von Initiativveranstaltungen, begrenzt.
Beim Projekt eines „Gesunden Quartiers“ organisieren sich nach dem Motto „Alte Bäume verpflanzt man nicht!“ Akteure aus den Bereichen Pflege, Altenbetreuung, karitative Organisationen, aber auch Hausärzte, Heilmittelerbringer, Sanitätshäuser, Apotheker mit Handwerkern, Dienstleistern, Architekten, Bio-Anbietern sowie Immobilien- und Baugenossenschaften. Hier ist die Kommune in der Rolle des Initiators, betreibt zum Beispiel das notwendige Quartiersbüro, stellt die Organisations- und Internetplattform zur Verfügung und bringt sich mit der Seniorenbeauftragten ein. Formal reicht ein nach der Startphase sich entwickelnder gemeinnütziger Verein auch langfristig aus. Kommunalvertreter wirken in einem Beirat flankierend mit.
Ärztliche Versorgung im Fokus
Auch zur Bewältigung der zunehmend gefährdeten ärztlichen Versorgung auf dem Land bieten sich zahlreiche kommunale Initiativmöglichkeiten. Dies beginnt mit einer Bestandsanalyse und entsprechender Prognosen für die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte zur Mobilisierung aller Akteure. Die Vielfalt des folgenden Engagements ist enorm: Es reicht (im Zusammenspiel mit der jeweiligen kassenärztlichen Vereinigung) von der finanziellen Förderung zuziehender Nachfolgeärzte beziehungsweise von neuen Ärzten in der Kommune beziehungsweise in der Region bis hin zur Unterstützung von überörtlichen Gemeinschaften der Berufsausübung. Auch ein Beteiligen beziehungsweise Betreiben eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit angestellten Ärzten kann erwogen werden. Hier kann allerdings Landesaufsichtsrecht „freizügiges“ Bundesrecht (Sozialgesetzbuch, SGB) blockieren. Deshalb ist die Kommunalaufsicht bereits im Vorfeld einzuschalten.
Auch bei bislang isoliert agierenden „Gesundheitszentren“ können sich die Kommunen und entsprechende Akteure einbringen: Durch attraktive gemeinsame Aktionen und Initiativen rund um das Objekt bis hinein in das ganze Stadt- oder Gemeindezentrum, kann in Verbindung mit der kommunalen Volkshochschule, ein (neuer) Schub in Richtung Gesundheitskultur und -bildung erfolgen: Die Kommune wird attraktiver. Wenn hier das gewählte Gemeindeoberhaupt die Festansprache hält, den Immobilienbetreiber zum Mitmachen überzeugt und ansonsten ein Gesundheitsnetzwerk mit Akteuren der Gesundheitswirtschaft, beharrlich „anmahnt“, mag das durchaus reichen.
Adrian W.T. Dostal
Der Autor
Adrian W. T. Dostal ist Geschäftsführer der Dostal & Partner Managementberatung in Vilsbiburg () und Sprecher der mit einem dritten Platz des Award Demographie Exzellenz 2015 ausgezeichneten niederbayerischen Gesundheitsregion Xundland Vils-Rott-Inn
Info: EPIC-Studie
Die EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, prospektive Studie über Krebs und Ernährung) ist Teil des 1992 gestarteten Forschungsprogramms „Europa gegen den Krebs“. Wissenschaftler wollen herausfinden, wie sich der Lebensstil auf das Erkrankungsrisiko für Krebs und andere chronische Krankheiten auswirkt. Als eine der weltweit umfangreichsten Langzeitstudien umfasst EPIC über eine halbe Millionen Teilnehmer.