Geld für das Stadtwerk und Bindung an den Kunden

Um als starke Unternehmen im Wettbewerb auf dem Energiemarkt mitmischen zu können, sind Stadtwerke auf Kapital angewiesen. Dieses lässt sich mit großem Erfolg bei den Bürgern einsammeln, wie das baden-württembergische Stadtwerk am See mit seiner ersten Genussrechts-Emission bewies.

Zehn Millionen Euro hat das Stadtwerk am See in Friedrichshafen und Überlingen am Bodensee 2017 durch die Ausgabe von Genussrechten eingesammelt. Hunderte Bürger und Kunden beteiligten sich an dem Versorger, der die Energiezukunft für die Region aktiv gestaltet und mit Blick auf die erforderlichen Investitionen sein Eigenkapital stärkte. Für andere kommunale Versorger kann diese erfolgreiche Bürgerbeteiligung Ermunterung sein, Ähnliches auf die Beine zu stellen. Die Redaktion erkundigte sich beim Stadtwerk am See nach Details des Projekts, nach dem Vorgehen und nach den Erfolgsfaktoren.

Was war der Grund für die Bürgerbeteiligung?

Zur Umsetzung der Wachstumsstrategie wurde die Kapitalbasis gestärkt. Daneben war die Kundenbindung wichtig, die mit einer Bürgerbeteiligung erreicht werden kann. Der differenzierte Zinssatz – 2,7 Prozent für Stadtwerk-am-See-Energiekunden, 2,0 Prozent für Nicht-Energiekunden – gibt einen Anreiz, Kunde zu werden, und für alle, die bereits Kunden sind, bedeutet er einen positiven Verstärker.

Gibt es noch andere Gründe, diesen Weg der Kapitalbeschaffung zu gehen?

Eine Diversifizierung der Kapitalstruktur hat auch Wirkungen auf das Bankenrating und verbessert somit die Ausgangsposition des Unternehmens bei Finanzierungsverhandlungen.

Welche anderen Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung stehen grundsätzlich offen?

Es gibt zahlreiche Finanzierungsalternativen, zum Beispiel verschiedene Varianten von Genussscheinen mit unterschiedlichen potenziellen Anlegergruppen oder verschiedene Darlehensformen. Das Stadtwerk am See hat diese nach Kriterien bewertet, die für das Unternehmen relevant sind: insbesondere Kundenbindung, Zielgruppen, Wirksamkeit hinsichtlich des Eigenkapitals, Verwaltungsaufwand, Emissionskosten.

Wäre die Zusammenarbeit mit Finanzinvestoren eine Alternative gewesen?

Institutionelle Anleger waren im ersten Schritt nicht im Fokus. Das ist jedoch eine Option für die Zukunft.

Wie ist die Vorgehensweise bei einem derartigen Anlageprojekt?

Definition der Ziele, Auswahl des passenden Modells und gegebenenfalls eines Dienstleisters zur Unterstützung, Ausarbeitung der Verträge und des Wertpapier-Prospektes, Einleitung des Genehmigungsverfahren bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Erarbeitung des begleitenden Kommunikations- und Marketingkonzepts, dann Projektumsetzung einschließlich Monitoring und Abschlussbericht.

Welche Partner waren für die Vorbereitung und Durchführung des Projekts eingeschaltet?

Eine Bank, ein Wirtschaftsprüfer, um Bilanzierungsfragen sicher im Voraus zu klären, ein Beratungsunternehmen, Rechtsanwälte zur Erstellung und Beantragung des Emissionsprospektes bei der Bafin, ein Dienstleister in der Projektbegleitung und in der technischen Umsetzung der IT.

Was muss im Zusammenhang mit derartigen Anlageprojekten vonseiten des emittierenden Unternehmens beachtet werden?

Die Rechnungslegung und die darauf erfolgende Prüfung des Jahresabschlusses muss den Vorschriften des Vermögensanlagengesetzes genügen. Dies gilt bereits für den Jahresabschluss, der der Emission vorangeht. Außerdem ist wichtig zu wissen, dass die Erstellung des Emissionspros-pektes und die Abstimmung mit der Bafin tiefgehendes Know-how erfordern.

Wie sicher sind Einlagen der Bürger bei einem solchen Beteiligungsprojekt?

Eine 100-prozentige Sicherheit kann es bei einer unternehmerischen Beteiligung wie dieser nicht geben. Die Bürgerbeteiligung beinhaltet ein geringes Ausfallrisiko im Fall eines operativen Verlustes oder einer Insolvenz des Stadtwerks – beides bei einem gesunden, kommunalen Unternehmen sehr unwahrscheinlich. Davon konnten sich die Kunden auch überzeugen, denn die Wirtschaftszahlen stehen im Verkaufsprospekt.

Worauf lässt sich der große Erfolg der Bürgerbeteiligung zurückführen?

Zunächst einmal auf das große Vertrauen der Bürger in das Stadtwerk am See. Zusätzlich wurde die Botschaft klar auf den Kundenvorteil sowie die Kunden- und Nichtkundenansprache über verschiedene Kanäle (online, offline) fokussiert.

Was sind bei einem derartigen Projekt die Do’s and Don’ts?

Rechtzeitig planen, das macht die Ausgestaltung besser. Das heißt auch, frühzeitig zu entscheiden: Wie werden die Bürger beteiligt? Mit welcher Botschaft tritt man an sie heran? Wie wird bilanziert? Welcher Zinssatz soll gewählt werden? Darauf achten, was die gesellschaftsrechtlichen Regelungen zulassen. Das Ganze muss vor Start mit mehreren Juristen und Wirtschaftsprüfern durchgespielt werden. Erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn die oben genannten Entscheidungen getroffen sind, sonst erzeugt man Frustration bei Interessenten. Frühzeitig sicherstellen, dass man die Anfragen seriös und zeitnah abwickeln kann. Klare Kommunikation, woran sich der Zeichner beteiligt (an zweckgebundenen Projekten oder am Unternehmen an sich). Rechtzeitig ein Projektteam ins Leben rufen, in dem folgende Kompetenzen vertreten sind: Finanzabteilung, Marketing, Vertrieb, Kundencenter. So viel wie möglich auf Online-Abwicklung achten. Was solchen Projekten nicht dienlich ist: Angst davor zu haben, dass man überzeichnet wird. Es gibt keine bessere Werbung, als wenn etwas ausverkauft ist. Ebenfalls ein „Don’t“: Unehrlichkeit dem Anleger gegenüber: Es muss ihm klar sein, dass er sich unternehmerisch beteiligt.

Wolfram Markus

Stadtwerk am See: Das Stadtwerk am See, ein Zusammenschluss der Stadtwerke Überlingen und der Technischen Werke Friedrichshafen, versorgt mit über 300 Mitarbeitern mehr als 80 000 Haushalte im Bodenseekreis und darüber hinaus mit Strom, Erdgas, Wärme und Trinkwasser. Dabei setzt das Unternehmen auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Auch als Dienstleister für Unternehmen, Stadtwerke und Kommunen im Bereich Energie und Wasser engagiert man sich. Neue Geschäftsfelder sind insbesondere E-Mobilität und Smart Home. In den Bereichen Verkehr und Telekommunikation ist das Unternehmen ebenfalls erfolgreich. So stellt die Tochtergesellschaft Teledata schnelle Datenverbindungen unter anderem für weltweit agierende Industrieunternehmen bereit. Mehr Infos unter www.swseebericht.de