Geestland wird zum „plietschen Dörp“

In Geestland sind sie bald nicht mehr Zukunftsmusik: Autonome Busse stehen schon in den Startlöchern. Foto: Adobe Stock/kinwun

Geestland ist Teil des Modellprojektes Smart Cities – aber wie macht man eine abstrakte Idee erleb- und vorstellbar? Plattdeutsch hilft ebenso wie ein „Rathaus auf Rädern“ oder die „zeit:maschine“: ein Informations- und Anregungsort.

Busse, die wie von Zauberhand von A nach B fahren. Ein intelligentes Funknetzwerk, das Energieverbräuche in Echtzeit ans Rathaus übermittelt. Eine Smartphone-App, die alle wichtigen Dienstleistungen der Verwaltung an einem Ort bündelt  – und darüber hinaus den Dialog mit den Bürgern verbessert. Zukunftsmusik? Nicht in Geestland. Die 32.000-Einwohner-Kommune im niedersächsischen Landkreis Cuxhaven ist eine von bundesweit 73 Kommunen, die am Modellprojekt Smart Cities teilnehmen.

Die Bundesregierung fördert die ausgewählten Kommunen mit insgesamt 820 Millionen Euro. Zusammen mit der Zivilgesellschaft sollen sie lebens- und liebenswerte Städte und Regionen gestalten, in denen die Bedarfe der Menschen im Mittelpunkt stehen. Die Modellprojekte Smart Cities entwickeln mithilfe der Digitalisierung etwa Lösungen zum Umgang mit dem Klimawandel oder setzen sie zur Verbesserung kommunaler Prozesse und Dienstleistungen ein.

Acht Handlungsfelder

„Unter dem Begriff Smart City können sich die wenigsten etwas vorstellen“, sagt Geestlands Bürgermeisterin Gabi Kasten (CDU). „Aus diesem Grund sprechen wir in der Kommunikation nach außen häufig vom plietschen Dörp.“ Das ist Plattdeutsch und heißt übersetzt: das intelligente Dorf. „Wir wollen intelligente Technologien einsetzen, um Geestland effizienter und nachhaltiger, sozialer und lebenswerter zu machen.“

Auf dem Weg dorthin braucht es jedoch einen klaren Fahrplan, genauer gesagt: eine Smart City-Strategie. Darin hat die Stadt Geestland alle Maßnahmen niedergeschrieben, die sie im Rahmen des Modellprojekts umsetzen möchte. Sie verteilen sich auf mehrere Handlungsfelder: Mobilität, Energie, Bildung, Gesundheit/Ernährung, Wirtschaft, Wohnen/Leben, nachhaltige digitale Stadtentwicklung und Digitalisierung.

Eine der größten Maßnahmen betrifft das Themenfeld Mobilität: Ab Ende 2024 sollen in der Ortschaft Bad Bederkesa zwei autonome Busse fahren, die zwischen der Ortsmitte und dem Handels- und Gewerbepark pendeln. Zweieinhalb Kilometer hin und zweieinhalb Kilometer zurück – vollautomatisiert, also ohne Fahrer. Auf der Strecke werden mehrere Haltestellen eingerichtet, an denen die Fahrgäste ein- und aussteigen können.

Mit Digitalisierung Ressourcen sparen

Damit schlägt Geestland zwei Fliegen mit einer Klappe. „Zum einen erschließen wir so eine ÖPNV-Verbindung, die es in dieser Form noch gar nicht gibt“, erläutert die Bürgermeisterin. „Zum anderen erproben wir eine neue Technik und schauen, ob und wie autonomes Fahren die Mobilität im ländlichen Raum verbessern kann. Von den Erfahrungen, die wir in Geestland sammeln, können dann auch andere Kommunen profitieren.“

Doch bis der Bus in Betrieb gehen kann, muss die Stadt noch einige Hürden meistern: Zum Beispiel einen passenden Bushersteller finden, Genehmigungen vom TÜV einholen und für eine flächendeckende 4G-Versorgung im Ortskern sorgen. Im Sommer 2023 enthüllte die Verwaltung – gemeinsam mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies – das Bauschild für die Zentrale der autonomen Busse. Sie entsteht auf dem Gelände des städtischen Bauhofes – Garage und Ladestation in einem.

Auch das Thema Daten und die Frage, wie sich mithilfe der Digitalisierung Ressourcen einsparen lassen, spielen eine wichtige Rolle in der Smart City Geestland. In dem Zusammenhang möchte die Stadt ein smartes Energie- und Wassermonitoring aufbauen. Die Idee: Sensoren messen die Energie- und Wasserverbräuche in Schulen, Kitas und Co. Diese Daten werden dann mehrmals am Tag ans Rathaus gesendet und in einer Software aufbereitet.

Die Bürger mit in die Zukunft nehmen

Doch was bringt die Technik? „Aktuell werden die Zählerstände in unseren Liegenschaften nur einmal jährlich abgelesen“, berichtet Geestlands Klimaschutzmanagerin Katharina Koop. „Indem wir die Energie- und Wasserverbräuche täglich erfassen, können wir den Bedarf besser kontrollieren und nachvollziehen. Wir erkennen, wo zu viel Energie verbraucht wird, wo wir nachsteuern müssen. Das wird zum Beispiel dann wichtig, wenn ein Gebäude einen hohen Wärmeverbrauch meldet, obwohl es gerade nicht benutzt wird. Oder wenn der Wasserverbrauch sprunghaft ansteigt, ausgelöst durch einen technischen Defekt wie etwa ein Leck im Rohr.“ Aktuell befindet sich die Stadt Geestland in den Vorbereitungen für die Ausschreibung.

Das Thema Smart City ist in Geestland eng mit Bürgerbeteiligung verknüpft. „Unser Ziel ist es, möglichst viele Bürgerinnen und Bürgern an der Stadt der Zukunft zu beteiligen“, betont Gabi Kasten. Deshalb hat die Stadt die sogenannte „zeit:maschine“ eingerichtet. Sie befindet sich in einem ehemaligen Ladenlokal in der Mattenburger Straße, einer zentralen Einkaufsstraße in Bad Bederkesa. „Hier erzählen wir die Geschichte von einer Stadt, die in die Zukunft reist. Hier können sich die Bürgerinnen und Bürger über unsere Maßnahmen informieren und ihre Ideen einbringen. Ein analoger Ankerort, der all das, was wir als Smart City realisieren wollen, erlebbar macht.“

Und weil Geestland mit 356 Quadratkilometern flächenmäßig eine der größten Kommunen Deutschlands ist, hat sich die Verwaltung noch ein weiteres Instrument gesucht, um mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen: Seit kurzem tourt die Stadt Geestland mit einem auffälligen Elektrobus durch die insgesamt 16 Ortschaften, beantwortet Fragen, sammelt Ideen – quasi ein Rathaus auf Rädern.

„So bringen wir unsere Inhalte in die Fläche“, sagt Gabi Kasten. „Dabei machen wir immer deutlich: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern dem Leitbild einer nachhaltigen und ganzheitlichen Stadtentwicklung untergeordnet.“                

Merlin Hinkelmann


Der Autor

Merlin Hinkelmann ist Pressesprecher der Stadt Geestland.