Fünfzig Jahre und kein Jahr mehr

Hans Stallkamp gehörte sage und schreibe 50 Jahre dem Rat seiner Heimatgemeinde Wallenhorst an. Woher kam die Kraft für solches Engagement? Der 77-Jährige sagt: „Es hat mir immer Freude gemacht, in der Gemeinschaft dabei zu sein.“

Die Entscheidung hat er ganz heimlich getroffen. Am 18. Dezember 2014 war es soweit: Hans Stallkamp schrieb dem Bürgermeister von Wallenhorst (Niedersachsen), Otto Steinkamp, dass er noch an diesem Tag um 0 Uhr sein Mandat niederlege. Am Tag seiner Ehrung. Am Tag, an dem Stallkamp für 50 Jahre Arbeit im Gemeinderat in Wallenhorst vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund ausgezeichnet wurde. „Selbst meine Familie war überrascht“, erinnert sich der heute 77-Jährige.

Er hatte sich vorgenommen, nach 50 Jahren aufzuhören und er ist sich treu geblieben. „Im Herzen war einfach nach 50 Jahren Schluss“, sagt Stallkamp, der aber keine Minute seiner Mitgliedschaft im Gemeinderat bereut. Dabei waren es doch ein paar Tage mehr: Seine Vereidigung war am 27. Oktober 1964.

Im Jahr 1964 kam sein Nachbar, den er liebevoll „Onkel Franz“ nennt, auf ihn zu und motivierte ihn, zu kandidieren. Da sei er gerade 25 Jahre alt gewesen, arbeitete als ausgebildeter Landwirt auf dem elterlichen Hof mit. Stallkamp war außerdem Vorsitzender der katholischen Landjugend und hatte im Ort einen „ordentlichen“ Namen. „Dann habe ich erst mal mit meinen Eltern überlegt. Und wir kamen zu dem Entschluss: ‚Kann man ja mal versuchen‘“, erklärt der Träger des Bundesverdienstkreuzes. Aber er war parteilos. „Da nehme ich dich schon drin auf“, habe Onkel Franz zu ihm gesagt und schon gehörte Stallkamp zur CDU. Ähnlich schnell ging es dann und er wurde gewählt – in den Gemeinderat von Wallenhorst.

„Ich erinnere mich genau an die erste Sitzung. ‚Du junger Dachs, du musst erst mal zuhören lernen‘, hat ein älteres Ratsmitglied zu mir gesagt. Damit muss man erst mal fertig werden“, sagt der Landwirt. Er habe zwei Möglichkeiten gehabt: einknicken oder Selbstbewusstsein aufbauen. Stallkamp hat sich für letzteres entschieden.

„Das ist Demokratie“

Neben seiner Arbeit für den Gemeinderat, war Stallkamp auch 25 Jahre lang im Kreistag tätig. 1976 wurde er gewählt. Im Jahr 2001 sei er dann „der Frauenquote zum Opfer gefallen“, sagt das ehemalige Ratsmitglied: „Ich hatte nicht vor, aufzugeben. Aber das ist Demokratie.“

„Mir war besonders wichtig, mich einzubringen. Politik machen heißt, das Zusammenleben der Gemeinschaft, in der wir leben, zu gestalten. Da war ich immer ein Ansprechpartner für die Schwächeren“, erklärt der Mann, der momentan sein ehemaliges Bauernhaus umbaut, um es an die Gemeinde zu vermieten, damit syrische Flüchtlinge einziehen können. Seine Frau Maria, die er 1967 geheiratet hat, und er haben entschieden: „Wir haben so oft Glück in unserem Leben gehabt. Jetzt wollen wir helfen.“ Aber der vierfache Vater und dreifache Großvater habe schon immer zugunsten der Schwächeren entschieden. Und das solle sich nun auch nicht ändern.

Aber woher hat Stallkamp die Kraft genommen, immer wieder bei den Wahlen anzutreten? „Es hat mir immer Freude gemacht, in der Gemeinschaft dabei zu sein – vorne anzustehen und Freunde zu haben, die gesagt haben: ‚Ja, wir wählen Stallkamp‘. Das alles ist ein großer Kraftgeber für die Arbeit, die man leisten muss.“

Natürlich habe er sich auch immer wieder die Frage gestellt „Mache ich es oder mache ich es nicht?“ Seine Familie hätte mit ihrer Unterstützung immer wieder dafür gesorgt, dass er angetreten ist.

Sein Markenzeichen: Rote Socken

Denn auch seine Zeit im Gemeinderat und im Kreistag sei nicht immer einfach gewesen. „Es gab auch kritische Situationen – auch innerhalb der Fraktion.“ So war er ab und zu außen vor – hat als Einzelkandidat auf der CDU-Liste kandidiert. Aber die CDU-Fraktion und Stallkamp kamen immer wieder zueinander. Und das, obwohl seine Socken immer rot sind – und nicht schwarz, wie man meinen könnte. Das ist sein Markenzeichen. „Es ist immer das gleiche Rot – das der deutschen Fahne. Und die Socken passen zu jedem Anzug und zu jedem Hemd“, lacht der Wallenhorster selbst über sein Markenzeichen.

Heute verfolgt der 77-Jährige die Arbeit des Gemeinderats immer noch sehr gerne. „Aber ich habe es fertig gebracht, dass ich mich aus der aktiven Politik komplett zurückgezogen haben“. Mit drei ehemaligen Kollegen treffe er sich noch regelmäßig, dann werde auch diskutiert. Aber eben nur privat.

Aber eines hat sich Stallkamp noch zur Aufgabe gemacht: „Nun suche ich in meiner Ecke einen jungen Typen, der ähnlich ist wie ich.“ Einen, der wie er von Onkel Franz, an die Ratsarbeit rangeführt werden kann. Denn die nächste Wahl in Wallenhorst ist im Herbst 2016. Und Zeit für die Begleitung habe er auch noch genug: „Ich will 100 Jahre alt werden.“

Anja Gladisch

Zur Person: Hans Stallkamp (Jg. 1938) machte eine Ausbildung zum Landwirt und führte einen Bauernhof in Wallenhorst. Mit zwölf Hektar Land hat er gestartet – bis der Bio-Landwirt später 200 Hektar Land bewirtschaftete und in die Geflügelwirtschaft einstieg. Er war Präsident der niedersächsischen Geflügelwirtschaft. Neben seinen lokalpolitischen Funktionen war er als ehrenamtlicher Richter tätig. 2007 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Momentan macht der 77-Jährige eine Ausbildung zum Schiedsmann.