Extremwetter: Kommunen und Bürger müssen wissen, was zu tun ist

Köln unter: Kommunen müssen sich gegen die zunehmende Gefahr von Strakregen schützen. Foto: HKC

Wie können Kommunen sich und ihre Bürger vor den Folgen von Extremwetterereignissen schützen? Georg Johann vom Kölner Hochwasser- KompetenzCentrum will Städte bei der Lösungsfindung unterstützen.

Hätte die Hochwasser- und Unwetterkatastrophe vom Juli diesen Jahres verhindert werden können?

Georg Johann: Das Ausmaß der Überflutungen bei diesem extremen Regen am 14. Juli hätte nicht wesentlich abgemindert werden können. Für Hochwasserschutzanlagen, die so einen großen Niederschlag auffangen können, haben wir in Deutschland, mit den aktuellen Gesetzen, keinen Platz. Auch solche Extremereignisse, die selten auftreten, gehören zum Geschehen der Natur. Beispielsweise fanden ähnliche Starkregen und Hochwasser im Ahrtal 1910 und 1804 statt. Hochwasser sind an sich nichts Unnatürliches, das Problem ist, dass wir ihnen Häuser in den Weg stellen.

Wie können sich Kommunen gegen Ereignisse dieser Art schützen?

Johann: Für katastrophale Extremniederschläge, wie im Juli, gibt es keinen Überflutungsschutz, der alle Schäden verhindert. Für die Vorbereitung auf Extremereignisse ist eine leicht zugängliche und verständliche Kommunikation mit der Bevölkerung vor und während des Ereignisses wichtig. Davor sollte darüber informiert werden, was geschehen kann, wie man Vorsorge betreibt und wie man sich während dem Ereignis verhält. Währenddessen ist eine verständliche Warnung wichtig, die trotz aller Unsicherheiten so früh wie möglich gegeben werden sollte. Dabei müssen auch Fehlwarnungen möglich sein.

Städte und Gemeinden an Flüssen besitzen meist schon einen gewissen Schutz vor Hochwasser. Dieser hält Starkregen und extremen Ereignissen aber nicht stand. Worauf sollten sich Kommunen in Zukunft einstellen?

Johann: Extreme Niederschläge und Überflutungen nehmen mit der Erhitzung der Erdatmosphäre zu, das weiß inzwischen jedes Kind. Die Hochwasserschutzanlagen werden in Zukunft immer öfter an ihre Grenzen und darüber hinaus geführt. Was bleibt ist, dass die Menschen über ihr Risiko Bescheid wissen müssen. Sie müssen wissen, wo die Hochwasser- und Starkregengefahrenkarten zu finden und wie sie zu lesen sind. Das ist aber nur die eine Hälfte der Geschichte, denn die Bürgerinnen und Bürger müssen auch wissen, was sie für ihre Vorsorge zum Werterhalt tun können und wie sie sich im Ereignisfall am besten verhalten, um ihr Leben zu schützen.

Immer wieder werden Rinnsale zu reißenden Strömen, die Gemeinden überschwemmen. Wie kann man mit so einem unerwarteten Ereignis umgehen, das eigentlich überall zur Bedrohung werden kann?

Johann: Als allererstes ist es wichtig zu wissen, wo die Gefahr durch wild abfließendes Wasser durch Starkregen auftreten kann. Dazu müssen Starkregengefahrenkarten erstellt werden, was schon viele Kommunen sehr gut gemacht haben. Auf dieser Grundlage können Maßnahmen realisiert werden. Dabei geht es um Notwasserwege und Wasserrückhalt, wo immer das mög-lich ist. Unsere Städte müssen zu Schwammstädten umgebaut werden, das ist ein Prozess, der seine Zeit benötigt, jedoch für eine lebenswerte Zukunft enorm wichtig ist.

Wie können Bürger mobilisiert werden, mehr für den Eigenschutz zu tun?

Johann: Die Menschen müssen nicht nur wissen, ob und wie sie durch Überflutungen bedroht sind, sondern auch, was sie dagegen tun können. Viele Menschen wissen nicht, dass mit einfachen und kostengünstigen Maßnahmen am eigenen Haus großer Schaden vermieden werden kann. Eine Aufklärung dazu bietet das HochwasserKompetenzCentrum mit dem Hochwasser-Infomobil. Hier gibt es Objektschutzmaßnahmen zum Anfassen wie wasserdichte Kellerfenster, Kanalrückstausicherungen und Barrieresysteme für bodennahe Türen. Mit dem Hochwasser-Infomobil bekommen die Menschen auch eine kompetente Beratung für ihr Haus.

Das Infomobil des HochwasserKompetenzCentrums Köln kommt kostenlos in Städte und Gemeinden und zeigt Bürgern, wie sie sich und ihre Häuser schützen können. Foto: HKC

 

Lassen sich überhaupt alle Kommunen schützen? Oder sind manche Orte aufgrund ihrer Lage einfach nicht ausreichend schützbar?

Johann: Hier stellt sich die Frage, was ein ausreichender Schutz ist. Es gibt kein Gesetz in Deutschland, dass einen Ausbaugrad des Hochwasserschutzes einer Kommune vorschreibt. Lediglich, dass in HQ100-Überschwemmungsflächen nur unter strengen Auflagen neu gebaut werden darf. Hier wird offensichtlich, dass die Bürgerinnen und Bürger offensiv und transparent über ihre Überflutungsgefahr informiert werden müssen. Damit können die Menschen selbst entscheiden, wo sie mit ihren Liebsten hinziehen oder noch leben wollen.

Wenn die Ortslage zum unkalkulierbaren Risiko wird, sollte dann über Umsiedlung nachgedacht werden?

Eine bestehende Bebauung umzusiedeln, ist in Deutschland schwer vorstellbar, auch wenn das, angesichts mancher Risiken, logisch wäre. Auch hier ist wieder einmal eine verständliche Risikokommunikation wichtig. Wenn zum Beispiel Sirenen wieder aufgestellt werden, müssen die Menschen auch wissen, was zu tun ist, wenn die Sirene heult. Die Kommunen müssen sich die Frage stellen, ob in überflutungsgefährdeten Gebieten tatsächlich neue Baugebiete ausgewiesen werden sollten. Das gilt auch für Überflutungsflächen, die von einem extremen Starkregen oder Hochwasser überflutet werden könnten. Wenn das unausweichlich erscheint, muss eine hochwasserangepasste Bauweise konsequent durchgeführt werden, die nicht nur potenziellen Schaden vermeidet, sondern ganz besonders auch Leib und Leben der Menschen schützt.

Interview: Denise Fiedler

Zur Person:
Dipl.- Hydrologe Georg Johann ist Leiter Hydrologie & Hydraulik der Emschergenossenschaft/Lippeverband und Geschäftsführer des HochwasserKompetenzCentrums e.V. in Köln, das zur örtliche Starkregen- und Hochwasservorsorge und -sensibilisierung beitragen will.

Dipl.-Hydrologe Georg Johann