„Es wird jetzt mehr Wissen benötigt“

Die Leuchtdiode ist für die Straßenbeleuchtung als alternativlos anzusehen, technische Gründe für den Weiterbetrieb alter Lichtanlagen gibt es heutzutage nicht mehr. Allerdings stellt die Technologie hohe Anforderungen an Hersteller, Lichtplaner und Betreiber, sagt Professor Stephan Völker von der TU Berlin im Interview.

der gemeinderat: Herr Professor Dr. Völker, warum brauchen die Städte „intelligente“ Lichttechnik und wie intelligent muss diese überhaupt sein?

Völker: Die Erneuerungsrate in der Stadtbeleuchtung liegt derzeit im Durchschnitt bei 30 Jahren. Dabei gibt es Stadtteile und Straßen, in denen auch 50 Jahre alte Anlagen betrieben werden. Mit dieser Beleuchtung kann weder die Verkehrssicherungspflicht der Kommunen gegenüber ihren Bürgern erfüllt werden, noch stellt die Nutzung einen verantwortungsvollen Umgang mit Energie dar. Bei der Umrüstung auf moderne LED-Leuchten wird das Helligkeitsniveau in der Regel an den Stand der Technik – sprich unsere Normen – angepasst. Dies hat zwei Konsequenzen: Erstens ist das prognostizierte Einsparpotenzial nicht so hoch wie versprochen, da die Straßen jetzt heller beleuchtet werden, und zweitens empfinden Anwohner ihre Straßen nicht selten als zu hell und klagen über Schlafstörungen. Beides ist vermeidbar, wenn die Leuchten mit einer gewissen Intelligenz ausgerüstet werden. Das heißt, dass nur soviel Licht bereitgestellt wird, wie es für das jeweilige Verkehrsaufkommen benötigt wird.

der gemeinderat: LED gilt als Zukunftstechnik. Hält sie, was sie verspricht, insbesondere im Hinblick auf Leistung, Lichtfarbe, Regelbarkeit, Standfestigkeit und reduzierte Wartung?

Völker: Die LED hält, was sie verspricht, solange Beleuchtungsprodukte von Fachpersonal entwickelt werden, das Erfahrung auf dem Gebiet der Leuchtenkonstruktion hat – Stichworte hier sind Dichtungen, Thermomanagement, Zuverlässigkeit der Elektronik, optische Auslegung –, und das auch die Anforderungen des Betriebs kennt mit Aspekten wie Schalt- und Blitzspannungen. Es gilt: Alle Beteiligten brauchen nicht weniger, sondern mehr Wissen.

der gemeinderat: Worauf sollten die kommunalen Beschaffungsstellen achten, um Fehlinvestitionen und unnötige Folgekosten zu vermeiden?

Völker: Neben einer fachgerechten Planung der Beleuchtungsanlage sollte stets eine lichttechnische Messung während der Abnahme in der Ausschreibung angekündigt werden. Bei Nichterfüllung der versprochenen Normwerte sind Nachbesserungen einzufordern. Dies scheint zurzeit der einzige Weg zu sein, um die schwarzen Schafe, die es leider gibt, auch als solche zu erkennen. Zudem sollte innerhalb einer bestimmten Gewährleistungszeit der Austausch der Leuchten auf Kosten der Hersteller erfolgen. Je länger allerdings dieser Zeitraum gewählt wird, desto höher dürfte der Beschaffungspreis sein. Ich rate dazu, zu vergleichen.

der gemeinderat: Ist der Umstieg auf LED in jedem Fall zu empfehlen oder gibt es Bedingungen, unter denen es sinnvoll für Kommunen erscheint, die bestehende konventionelle Straßenbeleuchtung weiter zu betreiben?

Völker: Für das Weiterbetreiben alter Beleuchtungsanlagen gibt es heutzutage keine Gründe mehr. Mit LED-Leuchten haben Kommunen die Möglichkeit, das Licht sehr viel zielgenauer dorthin zu bringen, wo es auch benötigt wird.

der gemeinderat: Was ist von Ansätzen zu halten, aus Kosten- und Klimaschutzgründen die Straßenbeleuchtung nachts zeitweise abzuschalten, anstatt in die Sanierung mit moderner LED-Technik zu investieren?

Völker: Grundsätzlich ist Abschalten besser als jede zweite Leuchte auszuschalten. Wenn es dunkel ist, sollte jeder wissen, dass er nicht gesehen wird. Wenn jede zweite Leuchte ausgeschaltet wird, entstehen große Tarnzonen, in denen Passanten kaum oder gar nicht zu erkennen sind. Dies ist den Fußgängern aber nicht bewusst. Alternativ könnte die Kommune auch Zäune aufstellen lassen, da sie damit genauso ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommt. Eine an die Bedürfnisse anpassbare Beleuchtung halte ich jedoch für die beste Lösung.

der gemeinderat: Warum ist die Erneuerung der Straßenbeleuchtung in Deutschland nur im Schneckentempo unterwegs?

Völker: Wir haben zurzeit eine Erneuerungsrate von 4,5 Prozent. Diese liegt damit um 50 Prozent über der üblichen Erneuerungsrate der letzten 50 Jahre von drei Prozent. Wie bereits erwähnt werden Beleuchtungsanlagen für 30 Jahre geplant und ausgelegt. Kürzere Umstellungszeiten sind daher weder hinsichtlich der Planungs-, Produktions- und Verwaltungsressourcen noch bezüglich des verfügbaren Kapitals möglich.

der gemeinderat: Was würde das Erneuerungsprojekt beschleunigen?

Völker: Die Beschleunigung wird in erster Linie durch Ausbildung erreicht. Der Mehrwert und die Möglichkeiten, die moderne LED-Technik bietet, können nur so erschlossen werden.

der gemeinderat: Retrofit verspricht, Straßenbeleuchtungsanlagen ohne kostspieligen Austausch der Leuchtenkörper ins LED-Zeitalter zu heben. Wie sinnvoll sind ist das aus der Sicht des Lichtexperten?

Völker: Leider ist dies eine sehr unsinnige Lösung. Die LED ist eine komplett neue Lichtquelle, die spezielle Anforderungen an das Thermomanagement stellt. Ein Schraubsockel wird die Wärmeabführung niemals in der notwendigen Form sicherstellen. Die Folgen sind Frühausfälle der Leuchten und zu geringe Helligkeiten auf der Straße. Optisch macht es zudem keinen Sinn, einen Reflektor, der zum Beispiel für ein Natriumdampfhochdrucklampe entwickelt wurde, mit einer LED-Retrofit-Lösung zu versehen, da diese eine komplett andere Lichtverteilung aufweist.

Interview: Wolfram Markus

Zur Person: Prof. Dr.-Ing. Stephan Völker leitet an der Technischen Universität Berlin das Fachgebiet Lichttechnik der Fakultät Elektrotechnik und Informatik