Der Erhalt und die energetische Sanierung ihrer Liegenschaften kostet die Kommunen Geld, das sie in vielen Fällen nicht haben. Ein neues Instrument erlaubt ihnen, verschiedene Finanzierungsmodelle durchzurechnen und detailliert zu vergleichen. Das erleichtert die strategische Planung von Investitionen.
Die Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude in der Nutzung erneuerbarer Energien sowie in der energetischen Sanierung der Liegenschaften wird sowohl von der EU (Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG) als auch von der Bundesregierung (EEWärmeG) gefordert. Seit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes von 2011 sind hier auch Bestandgebäude einbezogen. Diese Forderungen sind aufgrund des Klimawandels mehr als berechtigt. Auch die langfristig steigenden Energiepreise nötigen die Kommunen, sich schon heute strategisch mit ihrem Gebäudebestand zu beschäftigen.
Zu diesen Herausforderungen wurde in Kooperation mit zehn deutschen Kommunen an der Universität Flensburg mit Mitteln des BMUB das Forschungsprojekt „Klimaschutzkonzept 2050 Kommunale Gebäude“ durchgeführt, in dem Finanzierungsoptionen für die energetische Sanierung kommunaler Bestandsgebäude identifiziert und evaluiert werden sollten. Als Sanierungsziel wurde eine Unterschreitung der Werte der Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2009 um 30 Prozent gewählt. Dieses Ziel ist konservativ, und entspricht bei weitem keinem Passivhausstandard, sondern einem durchschnittlichen Wärmebedarf von rund 60 kWh/m2*a über alle Gebäude einer Kommune resp. alle kommunalen Gebäude bundesweit. Es entspricht bei Sanierung aller Gebäude einer Halbierung des Energiebedarfs. In der Praxis gibt es – zum Glück! – Kommunen, die ambitioniertere Ziele verfolgen aber auch Kommunen, die es aus verschiedenen Gründen kaum schaffen die geltende EnEV zu erfüllen.
Im Rahmen des Projekts wurde deutlich, dass die Finanzierung der energetischen Mehrkosten einer Sanierung nicht das eigentliche Problem darstellt. Bund und Länder haben den Kommunen über Jahre neue und zum Teil kostspielige Aufgaben auferlegt, die oft nicht durch eine entsprechende Erhöhung der Finanzmittel begleitet wurden. Somit fehlen häufig bereits die Mittel für notwendige grundlegende Maßnahmen zur Bestandserhaltung. Der energetische Anteil macht bei solchen Sanierungen nur einen Anteil von 10 bis 25 Prozent aus und kann dabei die Wirtschaftlichkeit der Gesamtsanierung durch zukünftig geringere Energiekosten sogar erhöhen.
Belastbare Vergleichsdaten
Die Kommunen sollen einerseits in Bezug auf die Sanierung ihres Gebäudebestand eine Vorbildrolle einnehmen, kämpfen gleichzeitig aber mit hoher Verschuldung und starken Kreditbeschränkungen. Diesem Dilemma kann weder mit bekannten Instrumenten aus der Wirtschaft wie Contracting oder Öffentlich-Privaten Partnerschaften noch mit existierenden Förderinstrumenten oder verbilligten Krediten begegnet werden. Christian Gleim, Leiter des Energie- und Umweltmanagements im Gebäudemanagement der Stadt Wuppertal (GMW), bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen eine Strategie, die es Kommunen wieder erlaubt, ihre Liegenschaften – nicht nur energetisch – auf den aktuellen Stand zu bringen und zu halten.“
Hier stellt nur die gezielte Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Kommunen eine Lösung dar. Eine einfache Erhöhung des kommunalen Anteils am Steueraufkommen wäre jedoch nicht zielführend. Die zusätzlichen Mittel würden laut Befragungsergebnissen zur Deckung von allgemeinen Defiziten genutzt.
Vielmehr muss ein Sondervermögen „Kommunale Liegenschaften“ eingerichtet werden, das rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Sanierung von kommunalen Gebäuden bereitstellt und so eine Förderquote von 50 Prozent erlaubt. Gleichzeitig müssen Kommunen aber auch dazu verpflichtet werden, ihre Sanierungsquote auf knapp drei Prozent zu erhöhen, um alle Gebäude bis 2050 zu sanieren.
Für die Ausgestaltung eines solchen Sondervermögens wurden im Rahmen des Forschungsprojekts zusammen mit Praktikern aus verschiedenen Kommunen erste mögliche Kriterien zur Mittelvergabe ausgearbeitet. Darunter fallen das Vorhandensein eines qualifizierten Energiemanagements, die Höhe der Energieeinsparung und die weitere Gebäudeverwendung. Besonders hervorgehoben wurde eine unbürokratische Mittelvergabe.
Um den Kommunen die Erarbeitung einer langfristigen Gebäudesanierungsstrategie zu erleichtern, wurde das „FinSa“-Tool entwickelt. Es ermöglicht Entscheidungsträgern, den Finanzierungsbedarf für (energetische) Sanierungen bis 2050 abzuschätzen. Anhand weniger Angaben zum Gesamtgebäudebestand können drei Sanierungsszenarien hinsichtlich des Energiebedarfs, der resultierenden CO2-Emissionen sowie der Energie- und Sanierungskosten verglichen werden (Verlinkung einbauen auf PDF-Download).
Die Szenarien sind ein Business-as-usual-Szenario (Entwicklung bei Fortsetzen der gegenwärtigen Sanierungstätigkeiten), ein Klimaschutzszenario (notwendigen Sanierungstätigkeiten zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung) sowie ein individuelles Szenario entsprechend den Zielen der Kommune. Dieser Szenarienvergleich über einen langen Zeitraum unterscheidet das Instrument von ähnlichen Werkzeugen, die entweder nur eine grobe Einordnung in Vergleichswerte erlauben oder sehr detailliert auf einzelne Gebäude und Sanierungsvorhaben bezogen sind.
Robert Persch von der Abteilung Energie des Amt für Umweltschutz, Gewerbeaufsicht und Energie der Stadt Heidelberg bewertet das Instrument positiv: „Ich bin überrascht und erfreut. Das FinSa-Tool kann in der Praxis sicher sehr nützlich sein.“
Aus dem Projekt konnten Handlungsempfehlungen für zwei Akteursgruppen abgeleitet werden: Die Kommunen müssen durch eine verpflichtende Erhöhung der Sanierungsrate und eine zügige, schrittweise Verschärfung der Sanierungsstandards in die Pflicht genommen werden, die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Die Bundes- und Landespolitik muss gleichzeitig den finanziellen Handlungsspielraum der Kommunen vergrößern, indem gezielt und unbürokratisch Zuschüsse für Sanierungen bereitgestellt werden.
Hannah Köster / Simon Laros / Martin Jahn / Olav Hohmeyer
Die Autoren
Hannah Köster, Simon Laros, Martin Jahn und Olav Hohmeyer sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für nachhaltige Energiesysteme (ZNES) der Europa-Universität Flensburg