Entlastung in Sicht

Die infrastrukturelle Anpassung an den Klimawandel hat viele Facetten. Dazu zählt die Abkoppelung des Regenwassers von der öffentlichen Kanalisation. Die dadurch mögliche Versickerung von Niederschlagswasser entlastet das Kanalnetz und ist eine Maßnahme zum Schutz vor Überflutungen.

 

Wenn Städte, Bürger und Unternehmen an einem Strang ziehen, haben Umweltprojekte auf kommunaler Ebene gute Aussichten auf Erfolg. So renaturierte beispielsweise die Stadt Kamen (Nordrhein-Westfalen) erfolgreich einen Flusslauf.

Im Rahmen des vom Lippeverbands koordinierten Projekts „Future Cities – Grün-blauer Klimakorridor Kamen“ koppelten rund 80 Bürger das Regenwasser auf ihren Privatanwesen von der öffentlichen Kanalisation ab. Der Kamener Stadtplaner Uwe Liedtke erläutert: „Die Bürger haben Regensammelbecken im Garten eingebaut, Dachterrassen und Terrassenflächen vom Mischkanal abgekoppelt und Mulden zur oberirdischen Einleitung des Regenwassers in den ökologisch umgebauten Heerener Mühlbach angelegt.

Die Renaturierung des Bachs bringt für die Stadt viele Vorteile mit sich. „Durch die naturnahe Gestaltung des Gewässerbetts werden Ziele der biologischen Vielfalt und des Gewässerschutzes erreicht“, betont Liedtke. Die Lebensqualität steigt ebenfalls: Radwege und öffentliche Nutzungsbereiche der Uferzonen dienen Anwohnern inzwischen der Naherholung.

Als entscheidend für den positiven Projektverlauf sieht der Stadtplaner „die enge Kooperation der Stadtplanung und der Stadtentwässerung Kamen sowie die politische Unterstützung durch den Rat der Stadt.“

Ausgezeichnetes Projekt

Mit ihrem Projekt beteiligte sich Kamen am Wettbewerb „Blauer Kompass – Anpassungspioniere gesucht“ des Umweltbundesamts und wurde bei der Preisverleihung Mitte Juni dieses Jahres ausgezeichnet. In den Augen der Jury setzen auch die Städte Bonn mit dem Projekt „Natur in graue Zonen“ sowie Berlin mit der Initiative „Kiezklima“ ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen den Klimawandel.

Die Stadt Wiesloch (Baden-Württemberg) ist ebenfalls erfolgreich im Umwelt- und Klimaschutz aktiv. Auch sie nahm an dem Projekt „Natur in graue Zonen“ teil, das vom Wissenschaftsladen Bonn ins Leben gerufen wurde. Das Ziel der Kampagne: Entsiegelung und naturnahe Begrünung innerstädtischer Funktionsflächen. Im Juli 2012 wurde das Projekt an die Stadt und die Bürgerstiftung herangetragen. Ein Tagesworkshop des Wissenschaftsladens im Juli 2013 eröffnete die Kampagne.

„Das Projekt erzeugte Nachhaltigkeit im positiven und wahrhaftigen Sinne“, erklärt Monika Stein, bei der Stadtverwaltung Wiesloch für den Umweltschutz zuständig. Allerdings räumt sie ein, dass es anfangs nicht leicht war, Unternehmen vor Ort für das Umweltprojekt zu gewinnen. „Ohne den enormen Einsatz der Bürgerstiftung hätten wir es nicht geschafft, die lokalen Unternehmen mit ins Boot zu bekommen“, sagt Stein.

Auf rund 14.000 Euro belief sich das Budget der Bürgerstiftung, um das Projekt in Wiesloch zu starten. Insgesamt sieben Unternehmen wirkten an der Initiative mit – darunter unter anderem der Energieversorger EnBW, ein Solartechnikhersteller sowie ein Autohaus.

Grüne Flächen

Monika Stein bekräftigt, dass die positiven Effekte an allen sieben Projektstandorten spürbar sind: „Es sind jetzt dem Standort angemessene, grüne, lebende und auch ästhetisch ansprechende Flächen entstanden, die für eine hohe Aufenthaltsqualität sorgen sowie Kleinlebensräume für Tiere und Pflanzen darstellen.“ „Auch die Kommune selbst hat sich anstecken lassen und an kleinen versiegelten Orten in der Stadt Blumen gepflanzt oder ausgesät“, beschreibt Stein den erhofften Nachahmeffekt.

Die Preisverleihung durch das Umweltbundesamt für die erfolgreiche Teilnahme am Projekt „Natur in graue Zonen“ ist für die Stadt Wiesloch ein Ansporn, um beim Klimaschutz weiterhin am Ball zu bleiben. „Wir sind seit mehr als zehn Jahren Mitglied im Klimabündnis und beschäftigen uns intensiv mit einem Aktionsplan für nachhaltige Energie“, so Stein. Die Einbindung von Wiesloch in der Metropolregion Rhein-Neckar wird die Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes forcieren, ist sich die Umweltexpertin sicher. Nach einem einstimmigen Gemeinderatsbeschluss wird der Strom in der Kurpfalzstadt bereits zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen erzeugt. „Derzeit rüstet die Stadt außerdem die Straßenlaternen auf intelligente LED-Lampen um“, fügt Stein hinzu.

Neben Wiesloch wurden auch Duisburg und Erfurt als Pilotstädte der Bonner Initiative vom Umweltbundesamt im Juni 2016 ausgezeichnet.

Andreas Scholz

Der Autor
Andreas Scholz, Schwäbisch Hall, ist freier Journalist

Info: Tipps für die kommunale Praxis

Das „Handbuch zur guten Praxis der Anpassung an den Klimawandel“ des Umweltbundesamts zeigt Handlungsfelder und Beispiele aus der kommunalen Praxis auf. Die Broschüre (88. S.) geht außerdem auf Finanzierungs- und Beratungsmöglichkeiten ein und nennt Literatur- und Internetquellen. – Download auf der Website des Umweltbundesamts