Die Zahl der E-Fahrzeuge soll stark zulegen, noch aber fehlt es an vielem, so die Kritik von Markus Emmert, Vorstand beim Bundesverband eMobilität. Er sieht die Kommunen in der Pflicht und erläutert, was aus Verbandssicht dringend ansteht.
Alles ist in Bewegung gekommen − unsere Mobilität und unsere Energieversorgung sind im Umbruch. Sei es durch die Vorgaben der Politik aus dem Green Deal für die Verwaltung, das ESG-Reporting für die Wirtschaft oder schlicht der Preisdruck aus den gestiegenen Kosten: Jedes Unternehmen, jede Organisation hat ein ureigenes Interesse, ökologisch zu agieren, um Kosten zu sparen. Die Frage nach dem Warum ist der Frage nach dem Wie gewichen.
Eine der zentralen Antworten liefert die Elektromobilität. Sie ist die einzige massentaugliche, ökologisch sinnvolle, energetisch bezahlbare, bereits verfügbare und mit weiteren Entwicklungschancen versehene Technologie, mit der unser CO₂-Ausstoß im Verkehr reduziert werden kann – und die sich zudem elegant mit den Ansätzen der erneuerbaren Energien vernetzt. Als Industrieland und Autonation hat Deutschland sehr großes Interesse, in diesem Markt eine Führungsposition zu übernehmen; realpolitisch und realökonomisch sind wir davon aber weit entfernt.
Der Anteil rein elektrischer Pkw auf deutschen Straßen liegt bei unter zwei (!) Prozent. Viele glauben, dass der Anteil höher ist, doch tatsächlich ist es noch ein weiter Weg oder vielmehr ein großer Kraftakt, 15 Millionen E-Autos bis 2030 in den Markt zu bringen, so wie es der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vorsieht. Wir wissen schon heute, dass der Umbau nur mithilfe der internationalen Angebotspalette realisiert werden kann, China hat einen großen Vorsprung im Markt; der deutsche Automobilbau wird den hiesigen Bedarf nach den jetzigen Kapazitäten nicht decken können.
Doch allein an der Fahrzeugherstellung hängt nicht der Erfolg der Elektromobilität. Sie ist weit mehr als eben nur ein Antrieb, die Elektromobilität ist ein Netz von Funktionalitäten. Verständlicher wird es, wenn man sich in die Zukunft versetzt, also in das Jahr 2030, wenn ein Drittel aller Fahrzeuge elektrifiziert sein wird. Was bedeutet das? Mobile Menschen fahren dann nicht mehr zur Tankstelle. Sie bevorzugen Orte mit Ladeinfrastruktur, die ihre Bedürfnisse bedienen. Das wird zuhause sein, am Arbeitsplatz oder an öffentlichen Ladeorten, die gut vernetzt sind – mit dem Internet, mit gängigen Bezahlmöglichkeiten für Sharing und Pooling und für verschiedene Verkehrsmittel.
Vollgas für mehr Vernetzung
Nicht nur Pkw benötigen Ladeinfrastruktur, auch der öffentliche Nahverkehr, die Fernlogistik oder der Last-Mile-Verkehr in die Kommune werden für die Mobilitätswende gebraucht. Im Idealfall haben diese Knotenpunkte auch eine Funktion innerhalb des Stromnetzes. Denn wo ein großer Bedarf an erneuerbarer Energie anliegt, sollte er auch im Einklang mit den Lastzeiten gemanagt werden.
Und in der Realität? Wie das Bundesverkehrsministerium im vorigen Jahr feststellen musste, gibt es bei der Hälfte aller Kommunen in Deutschland noch keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt. Zu Recht weist die Politik den Kommunen die Verantwortung für diese Grundversorgung zu. Sie sind in der Pflicht, hier aktiv zu werden, sofern privatwirtschaftlich kein Ladenetz entsteht.
Nun heißt das nicht, dass Kommunen wahllos Ladesäulen aufbauen sollen. Selbstverständlich müssen die Kommunen sie auch nicht betreiben, aber sie müssen aktiv werden, die Elektromobilität zu ermöglichen und zu gestalten. Damit geht es an zentrale Fragestellungen der Standortversorgung und der Standortentwicklung:
- Steigt mit der geplanten Gewerbeansiedlung die Bevölkerungszahl?
- Sind die Städtebau- und die Verkehrsleitung eingebunden und der Hoch-Tief-Bau?
Hier sollten die Ämter miteinander Ziele und Prozesse erarbeiten, damit es zu den passenden Beschlüssen und Ausschreibungen mit den entsprechenden Guidelines kommen kann.
Weitsichtige und intelligente Lösungen zum Energiehaushalt, die auch die Mobilitätsfragen einschließen, sind dann essenziell für großvolumige Investitionsvorhaben. Das ist ein klarer Kostenfaktor, aber auch ein klares umweltpolitisches Zeichen, auf das die Kommunen erheblichen Einfluss haben. Hier muss mehr passieren!
Was ist also zu tun? Sinnvoll ist es, die Mobilitätswende vom Ende her zu denken. Man sollte über Nachhaltigkeitsbeauftragte oder Innovationsmanager nachdenken, die entsprechende Kompetenzen für das Einfangen der Zukunft erhalten. Kommunen bestimmen Bauverordnungen, Bauanträge, Baugenehmigungen. Ob ein privater Stellplatz gleich ein Ladeplatz und dann auch ein Speicherplatz ist, entscheiden sie. Womöglich mit Solardachpflicht, digital und allgemein zugänglich. Die Mobilitäts- und die Energiewende sind nur zu bewerkstelligen, wenn alle daran mitwirken − auch die Regelsetzenden und Bewilligenden.
Markus Emmert
Der Autor
Markus Emmert ist Vorstand beim Bundesverband eMobilität (BEM).