Digitalisierung in der Weiterbildung

Studium; Digitalisierung; Unternehmen
Sich im Studium mit Digitalisierung vertraut machen: Dafür plädiert Carsten Gabbert – und auch für Praxisphasen in Tech-Unternehmen oder Start-ups. Foto: Adobe Stock/Kalim

Carsten Gabbert war 16 Jahre lang Bürgermeister und weiß, wie Verwaltung tickt: Er schlüsselt auf, welche Rolle Studium und Weiterbildung für Digitalisierung spielen könnten – und macht sich für Veränderungen im Denken und für neue Formen der Zusammenarbeit stark.

Die öffentliche Hand tut sich mit der Digitalisierung schwer. Dies hat strukturelle Gründe. Schließlich ist unser Staat föderal organisiert, setzt auf die kommunale Selbstverwaltung, und darüber hinaus gibt es viele Zwischenebenen und Stakeholder, die mitsprechen (wollen). Daraus ergeben sich zahlreiche Stolpersteine. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) beweist dies eindrucksvoll.

Gleichzeitig gibt es aber wenig Austausch des öffentlichen Bereichs mit anderen Sektoren, wie zum Beispiel mit Start-ups. Für junge Unternehmen ist die Digitalisierung eine Selbstverständlichkeit. Auch im Rahmen der Verwaltungsausbildung und des Verwaltungsstudiums kommen kaum Impulse für digitale
Ansätze oder New Work in die Verwaltung.

Digitalisierung
Für Homeoffice braucht es nicht nur Laptops, sondern ebenso entsprechende Mindsets – und die werden wie auch Digitalisierungserfahrungen im Studium vermittelt und verstärkt. Foto: Adobe Stock/agcreativelab

Damit ist das Mindset an vielen Stellen leider in den 1990er Jahren stehengeblieben. Man hat das Gefühl, Digitalisierung sei schwerfällig, teuer und bindet Kräfte. Dabei gibt es heute so viele Ansätze – die Verwaltung muss nicht einmal etwas tun, aber die Digitalisierung kann etwas für die Verwaltung tun.

Gleichzeitig gibt es große Herausforderungen für den öffentlichen Sektor: zunehmende Komplexität, höhere Anforderungen, neue Themen und gewachsene Ansprüche aus der Bevölkerung. Das Ganze wird durch die demografische Entwicklung und den Fachkräftemangel noch verschärft. Ich sehe überhaupt nur einen Lösungsansatz für die Verwaltung: Digitalisierung.

Über den Verwaltungstellerrand hinausblicken

Der Publizist Sascha Lobo sagt: „Die digitale Transformation ist eine Bildungs- und vor allem eine Fort- und Weiterbildungsfrage.“ Genau darum geht es. Die Mitarbeitenden müssen sich damit auseinandersetzen. Sie müssen ausprobieren und sich mit den Themen beschäftigen.

Hierzu sind auch Masterstudiengänge sehr geeignet. Allerdings halte ich es für entscheidend, dass die Studierenden dort über den Verwaltungstellerrand hinausblicken können. Es muss unbedingt Praxisphasen in Tech-Unternehmen oder Start-ups geben, um neue Impulse zu gewinnen und sie in die Verwaltung zu transferieren.

Digitalisierung gelingt nur, wenn sich auch die Führungsebene damit auseinandersetzt. Die Verwaltungsspitze muss den Mitarbeitenden die Möglichkeiten und Freiräume lassen, sich auszuprobieren und weiterzubilden. Digitalisierung sollte vorgelebt werden. Mitarbeitende schauen heute sehr genau, welche digitale Basis und Kultur in einem Unternehmen vorherrscht. Nur wer hier etwas bietet, bleibt als Arbeitgeber attraktiv. Die bereits begonnene gewaltige Transformation gelingt nicht durch Zusehen. Sie will gestaltet werden.

Hierbei sollten unbedingt die Mitarbeitenden mitgenommen werden. Strategien und Maßnahmenkataloge von oben oder von extern bringen wenig. Meine Erfahrungen mit der Beteiligung der Mitarbeitenden an diesen Themen sind fast ausschließlich positiv. Die Menschen gestalten mit und bringen sich ein, wenn man sie lässt. So entstehen Ängste erst gar nicht.

Durch mehr Offenheit attraktiver für Mitarbeitende werden

Alle Umfragen zeigen, dass die deutliche Mehrzahl der Mitarbeitenden hybrid und selbstbestimmt arbeiten will. Dies muss ermöglicht werden und hat mit weit mehr als einem Notebook zu tun. Es braucht hier eine neue Kultur und neue Formen der Zusammenarbeit. Wer dieses Employer-Branding nicht tun will, wird schon bald keine oder aber zumindest keine guten Mitarbeitenden mehr gewinnen.

Wir brauchen für die Digitalisierung eine positive Fehlerkultur und müssen endlich versuchen, in der Zeit, in der wir an zwei 100-Prozent-Lösungen arbeiten, lieber etliche 80-Prozent-Lösungen umzusetzen. Ich weiß, dass das nicht in allen Bereichen geht (Hohheitsaufgaben): unbestritten. Aber es ginge in vielen Bereichen.

Die Digitalisierung bringt und braucht neue Methoden. Diese sind alle schon da, in den meisten Fällen auch breit eingeführt und etabliert, aber eben leider nur in anderen Sektoren als der Verwaltung.

Projektmanagement, Agilität, Moderation, Kreativitätstechniken, Scrum, Kanban, Kaizen, Lean-Management, Getting-Things-Done –  die Liste ließe sich beliebig verlängern. All diese Methoden können helfen. Digitale Werkzeuge für das Projektmanagement, für die Kommunikation ohne E-Mail, Wikis, Aufgabenverwaltung, Datenmanagement, auch hier gibt es Chancen über Chancen. Im Rahmen des New Work etablieren sich diese und weitere Aspekte immer mehr.

Digitalisierung muss gewollt sein – und sollte unterstützt werden

Dies ist keine Umsetzungsliste – vielmehr sollten die Verwaltungen in diese Bereiche hineinschnuppern und ausprobieren. Und nur das, was wirklich weiterhilft, sollte eingesetzt werden. Auch die Kommunalpolitik sehe ich gefordert. Die Gremien müssen die Digitalisierung der Verwaltung konstruktiv begleiten. Sie müssen aber auch Mittel bereitstellen, um in der Verwaltung einen guten Digitalisierungsrad zu erreichen.

Noch nie war es so einfach, schnell und niedrigschwellig möglich, die Menschen an der (Kommunal-)Politik zu beteiligen. Dabei geht es weder darum, Entscheidungen der Gremien zu ersetzen, noch die umstrittensten Themen ins Internet zu verlagern. Gerade für junge Menschen bieten sich Möglichkeiten, Themen abzufragen, Ideen zu generieren oder Feedback für die Kommunalpolitik einzuholen. So erreicht man Transparenz und hat die Chance, Politik nachvollziehbarer zu machen.

Alles ist da für die Digitalisierung

Mit all diesen Themen sind wir weit weg von den sperrigen Themen, bei denen wir erst auf die Gesetzgebung warten müssen oder für die wir Unsummen ausgeben müssen. Es steht uns eigentlich nur eines im Wege und verhindert, dass wir morgen beginnen: der innere Schweinehund.

Carsten Gabbert


Der Autor

Carsten Gabbert war 16 Jahre Bürgermeister der Gemeinde Schuttertal im Ortenaukreis. Seit 2020 arbeitet er selbstständig unter anderem für IT-Unternehmen und kommunale Verwaltungen, in Digitalisierungs-, Moderations- und Beteiligungsprojekten sowie in der Organisationsentwicklung und Personalberatung.