Digitales Lernen schafft Chancen

Umfassende Veränderungen in nahezu allen Bereichen bringt die Digitalisierung mit sich. Insbesondere an Schulen wird sich diese in den kommenden Jahren durchsetzen. Im Interview beleuchtet Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, welche Folgen sich daraus ergeben.

Herr Habbel, Sie halten eine Reform in der Kultur- und Bildungspolitik für nötig. Um was geht es Ihnen?

Habbel: Die drei Megatrends Globalisierung, Urbanisierung und Digitalisierung verändern das Leben und Arbeiten der Menschen, aber auch die Aufgabenerfüllung der Kommunen. Besonders intensiv wirkt die Digitalisierung auf die Bildung. Orte der Wissensvermittlung sind künftig nicht mehr nur die Schulen und Universitäten, die ganze Stadt wird zum Bildungsraum. Wissen wird durch das Internet überall verfügbar. Bildung sollte sich an den vier K orientieren: Kompetenz, Kollaboration, Kommunikation, Kreativität.

Was muss bei einer Bildungsreform beachtet werden?

Habbel: Jegliche Reformen müssen den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Ihn gilt es individuell zu fördern, ihm Chancen zu teil werden zu lassen. Es geht nicht darum, alles über den Haufen zu werfen, sondern Bewährtes weiterzuführen und sich dem Neuen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen. Wichtig ist dabei zu wissen: Die digitale Bildung ist kein Ersatz für den Unterricht, sondern eine Ergänzung, aber eine bedeutende.

Was sind die Vorteile der digitalen Bildung?

Habbel: Unterrichtsformen und -orte lassen sich flexibel gestalten. Alle an der Bildung Beteiligten können etwa in einer Bildungs-Cloud intensiv und umfassend zusammenarbeiten. Diese umfasst weit mehr als nur die sichere Speicherung der Daten. Durch Vernetzung verschiedener Informationen entsteht neues Wissen, durch virtuelle Arbeitsräume neue Formen von Kollaboration. Clouds haben den Vorteil, dass dort aktuell und umfangreich Lehr- und Lernmaterialen zur Nutzung abgelegt werden können. Außerdem können sich unterschiedliche Lerngruppen bilden und ein Großteil der Schuladministration wird sich über diese Lösung abwickeln lassen.

Bildung ist Ländersache. Wo sehen Sie die Kommunen in der Pflicht?

Habbel: Die strikte Trennung zwischen inneren und äußeren Schulangelegenheiten, wie wir sie heute praktizieren, wird vermutlich nicht zukunftsfähig sein. In den skandinavischen Ländern haben die Kommunen schon heute eine größere Verantwortung, Schulen stehen dort auf kommunaler Ebene im Wettbewerb. Die Digitalisierung wird den Prozess der Dezentralisierung weiter vorantreiben. Die Kommunen sollten sich aktiv in die Debatte um gute Bildung vor Ort einbringen. Die Bildungsinfrastruktur wird sich verändern, die Schule von morgen anders aussehen: Mit flexiblen und kommunikativen Strukturen, die sich den jeweiligen Notwendigkeiten anpassen. Diesem Anspruch müssen auch die gebauten Räume in den Schulen Rechnung tragen.

Eine Position Ihres Verbandes lautet: Wirtschaft 4.0 braucht Bildung 4.0. Was verstehen Sie darunter?

Habbel: Die Digitalisierung verändert massiv die Unternehmen. Das Stichwort heißt intelligente Vernetzung. Das betrifft alle Abläufe, Produkte und Dienstleistungen. Neue Wertschöpfungsketten entstehen, Start-Ups bringen Konzerne unter Druck. Diese Entwicklung zur vernetzen Wirtschaft 4.0 erfordert neben einem massiven Ausbau der Breitbandinfrastruktur in unserem Land eine umfassende Digitalkompetenz aller Beschäftigen. Die Führungsebene und die Mitarbeiter sind gleichermaßen betroffen. Um die notwendige Kompetenz in der Wirtschaft sicherzustellen, braucht es Bildung 4.0. Sie fördert etwa Projektmanagement, Kollaboration und Kooperation, stärkt die kommunikative und soziale Kompetenz als wichtige Faktoren für eine moderne Wirtschaft. Deshalb: Ohne Bildung 4.0 keine Wirtschaft 4.0.

Interview: Annika Wieland

Zur Person: Franz-Reinhard Habbel ist Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) und Leiter des Innovators Club