Als Mitarbeiter eines Ingenieurbüros verdient man so viel, dass man sich ein Chalet in der Schweiz leisten kann! Oder etwa nicht? Unser Autor, Geschäftsführer eines technischen Beratungsunternehmens, stellt in der Verwaltung große Unkenntnis in dieser Frage fest. In seinem Beitrag will er Aufklärung betreiben und plaudert dazu aus dem Nähkästchen der Gehalts- und Bürokostenberechnung.
Vor einiger Zeit hatte ich Besuch von zwei mir seit Langem freundschaftlich verbundenen Kollegen, einer Baudirektor, einer Leitender Regierungsdirektor (beide inzwischen pensioniert). Ihnen berichtete ich, dass ich gerade aus einem Vorstellungsgespräch mit einem potenziellen neuen Mitarbeiter käme. Ich fragte die beiden, ob sie eine Vorstellung davon hätten, was ein junger Berufsanfänger als Einstiegsgehalt in einem Bewerbungsgespräch nennen würde. Als ich dann den vom Kandidaten geäußerten Erstgehaltswunsch nannte, schauten sie mich sprachlos an, lag dessen Forderung doch bei weniger als der Hälfte des von ihnen (sicher vom eigenen Gehalt ausgehend) geschätzten Betrages.
Bei anderer Gelegenheit sprach ich mit einem ehemaligen Kollegen aus der Verwaltung, der in Pension zu gehen plante. Da er schon vor etwa 30 Jahren einige Zeit im Lärmbereich gearbeitet hatte, bot er mir seine Dienste an. Die noch vorhandene Qualifikation war zwar nicht unbedingt die, die wir vorrangig suchen, dennoch fragte ich ihn nach seinen Gehaltsvorstellungen. Die Antwort darauf kam prompt: „6000 Euro im Monat müssen drin sein.“ Ob brutto oder netto gemeint war, blieb offen.
Etwas überrascht fragte ich, wie er auf diese Summe käme. Er sagte: „Ich gehe mal davon aus, dass in einem Ingenieurbüro 160 bis 200 Stunden im Monat gearbeitet wird, die Stunde zu 85 Euro (Anm. des Autors: inkl. 19 % MwSt.), macht etwa 14.000 bis 17.000 Euro im Monat. Ich würde aber nur drei Tage arbeiten wollen. Und da du auch etwas verdienen willst und natürlich auch sollst, wäre ich mit 6000 Euro pro Monat zufrieden.“ Mir dazu nur ein sehr knappes „Aha“ abringend, entschloss ich mich, für ein bisschen Aufklärung anhand einer exemplarischen Ingenieurbüromitarbeiterin zu sorgen.
Natürlich ist das Bruttogehalt einer solchen Mitarbeiterin ein relevanter Bestandteil der Kostenstruktur, aus der die Stundensätze ermittelt werden. Hinzu kommen jedoch die Anteile des Arbeitgebers an der Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Unfall-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) in Höhe von gut 20 Prozent. Das wären bei einem Gehalt von 4000 Euro brutto im Monat dann insgesamt etwa 4800 Euro.
Bedenkt man zudem, dass der „durchschnittliche Beschäftigte“ sechs Wochen Urlaub im Jahr hat, eine Woche krank und eine Woche zur Fortbildung ist, dann würde auch die hier exemplarisch behandelte Mitarbeiterin von zwölf Monaten nur etwa zehn tatsächlich am Schreibtisch sitzen. Daraus errechnen sich in den Stundensatz einfließende Kosten in Höhe von 5800 Euro (4800 Euro geteilt durch 10 mal 12) pro Monat.
Nicht alle Kosten sind abrechenbar
Hinzu kommen arbeitszeitunabhängige Gehaltsbestandteile (etwa für Weihnachtsfeiern, Betriebsausflüge oder Fortbildungen), die hier der Einfachheit halber mit 200 Euro (brutto, inkl. Arbeitgeberanteile) pro Monat angesetzt werden, sodass beim Arbeitgeber gehaltsbezogene Kosten von 6000 Euro pro Monat für die exemplarische Ingenieurbüromitarbeiterin entstehen.
Üblicherweise wird bei einer 40-Stundenwoche unter Berücksichtigung der Feiertage im Mittel etwa 160 Stunden im Monat gearbeitet. Das ergäbe einen Stundensatz von 37,50 Euro (6000 Euro geteilt durch 160 Stunden), der allein aus Personalkosten resultiert.
Leider sind nicht alle Stunden der Ingenieurbüromitarbeiterin gegenüber dem Kunden abrechenbar. So wird etwa die Erstellung von Angeboten in aller Regel nicht honoriert. Auch die Ausbildung neuer Kollegen kann ebenso wenig einem Auftrag zugeschrieben werden wie die Erstellung und Aktualisierung des bürointernen Qualitätsmanagements. Der Aufwand für solche Tätigkeiten macht im Mittel etwa 20 Prozent der täglichen Arbeitszeit aus. Damit erhöht sich der personalkostenbedingte Stundensatz auf 45,00 Euro (37,50 Euro plus 20 %)
Hinzu kommen weitere keinem Auftrag direkt zurechenbare Kosten, die sogenannten Gemeinkosten: Diese entstehen durch die Büromiete, die Kosten für Energie, Raumpflege, Versicherungen und Telefon, Rechts- und Steuerberatung sowie Abschreibungen für Büroausstattung, Computer, Software oder Firmenwagen. Zu den Gemeinkosten zählen aber auch die Kosten für Buchhaltung, Sekretariat oder IT-Betreuung.
Diese laufend anfallenden Kosten, machen je nach Bürostruktur ungefähr 50 bis 70 Prozent der Personalkosten aus. Wenn man die Gemeinkosten mit 60 Prozent der Personalkosten ansetzt, kommt man auf einen Stundensatz von 72,00 Euro (45,00 Euro plus 60 %). Addiert man hierzu noch einen kalkulatorischen Gewinn von vier Prozent, ergibt sich ein Stundensatz von 75 Euro, auf den die Mehrwertsteuer aufzuschlagen ist. Insgesamt ergibt sich so für eine qualifizierte Projektingenieurin ein Stundensatz von 89 Euro (brutto), der einem Auftraggeber berechnet werden muss.
Übrigens bleibt von 4000 Euro (brutto) der Ingenieurbüromitarbeiterin je nach Steuerklasse und Familienstand ein Nettolohn von 2400 bis 2800 Euro. Davon kann man in der Schweiz vielleicht zelten, aber kein Chalet erwerben!
Christian Popp
Der Autor
Christian Popp ist Vositzender der Geschäftsführung des Beratungsunternehmens Lärmkontor in Hamburg
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