Die Gigabitstrategie aus Sicht des VATM

Glasfaser- und Mobilfunkausbau: Beide treiben die Digitalisierung voran. Die Politik wie die Telekommunikationsbranche wollen die Prozesse beschleunigen. Foto: Adobe Stock/Proxima Studio

Im März hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Eckpunkte seiner Gigabitstrategie vorgestellt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, meint Jürgen Grützner vom Verband für Telekommunikation und Mehrwertdienste (VATM). Er fordert aber neue Wege für die Umsetzung.

Die Erwartungen, die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik an die Kommunikationsnetze der Zukunft stellen, sind hoch. Und die Branche liefert: Fast 50 Milliarden Euro Investitionszusagen für den Glasfaserausbau – insbesondere auf dem Land – stehen in Deutschland in den nächsten Jahren zur Verfügung. Der Mobilfunkausbau ist ebenfalls Turbo für die Digitalisierung. Für den beschleunigten Infrastrukturausbau braucht die Branche aber dringend die richtigen Rahmenbedingungen, die von der Politik gesetzt werden müssen.

Am 17. März 2022 hat Bundesverkehrs- und -digitalminister Volker Wissing die Eckpunkte einer neuen Gigabitstrategie vorgelegt. Sehr ambitionierte Ziele, ein sehr ambitionierter Zeitplan – ohne Zweifel. Dafür brauchen die Beteiligten jetzt schnellstmöglich ein Konzept, das für alle Seiten tragfähig ist und der Ausbaubeschleunigung dient, eine kluge Verzahnung von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau.

Die hohen Investitionszusagen machen es zwingend erforderlich, die staatliche Förderung zu überprüfen und sie nur gezielt dort einzusetzen, wo sie wirklich benötigt wird. Milliardenschwere Förderung ist in 80 Prozent der grauen Flecken nicht nur unnötig, sondern würde auch eigenwirtschaftliche Investitionen verhindern – und dies nicht etwa in den Städten, sondern gerade in den Kommunen auf dem Land.

Taskforce von Bund, Ländern und Kommunen

Gerangel um Fördermittel macht auch deshalb für die betroffenen Kommunen keinen Sinn, da die Bagger fast immer schneller den Ort erreichen werden, wenn eigenwirtschaftlich gebaut wird. Ohne Priorisierung können wir nicht gezielt dort zuerst bauen, wo dies am wichtigsten ist. Zur Anpassung der Förderung an die hohe Dynamik privater Investitionen in den Gigabitausbau muss nun schnell eine Taskforce aus Bund, Ländern und Branche eingerichtet werden. Sie muss in kürzester Zeit ein für alle Seiten tragfähiges, sinnvolles Konzept erarbeiten.

Statt überflüssiger Förderverfahren und Bürokratie beim Glasfaserausbau in Deutschland werden beschleunigte Genehmigungsverfahren benötigt. Die Digitalisierung der Verfahren und in den Kommunen ist dringend erforderlich. Niemand rechnet damit, dass die riesige Welle an Planungs- und Genehmigungsverfahren, die auf die Kommunen ohnehin zurollt, mit dem meist unterbesetzten Personalstand bewältigt werden kann, geschweige denn neues Fachpersonal gefunden oder eingestellt wird. Genau hier hakt es auch beim 5G-Ausbau.

Die Eckpunkte der Gigabitstrategie sind noch sehr allgemein gehalten. Gerade zu den Feldern Digitalisierung von Genehmigungsverfahren und moderne Verlegetechniken, die für die Ausbaubeschleunigung enorm wichtig sind, fehlt es noch deutlich an konkreten Gestaltungsideen. Bei der Erarbeitung einer differenzierten Gigabitstrategie werden die Branchenvertreter gerne ihre Expertise einbringen.

Raus aus der Ankündigungspolitik

Dass der Bund schnelle Verbesserungen auf Seiten der Länder und Kommunen einfordert, ist vor dem Hintergrund der Ziele und eingesetzten Fördermittel logisch und richtig. Aber auch der Bund selbst muss endlich mit klaren eigenen Vorgaben für die Einhaltung der Ziele und Umsetzung vor Ort sorgen. Nicht weniger als der Investitionsstandort Deutschland steht auf dem Spiel.

Die Messlatte für die Politik liegt hoch. Es ist dringend erforderlich, dass die Länder und die Kommunen jetzt ernsthaft mit der Bundesregierung zusammenarbeiten, Best-Practice-Lösungen austauschen und zu einer wirklichen Entbürokratisierung beitragen, wie es die Bundesregierung im Rahmen der Gigabitstrategie auch gefordert hat.

Bei den alternativen Verlegetechniken muss zudem die Normierung schnell sinnvoll abgeschlossen werden. Noch immer besteht bei diesen hilfreichen Techniken ein Informationsbedarf bei den Kommunen. Auch die Erwägung des Bundesdigitalministeriums, unerwartete Bauschäden abzufedern, begrüßt die Branche. Sie schlägt vor, für Schäden außerhalb der üblichen Gewährleistung und für Umverlegungsmaßnahmen einen Bundesfonds zur Verfügung zu stellen. Es ist wichtig, dass Deutschland aus der Ankündigungspolitik rauskommt. Es muss konkret werden – und alle müssen alle an einem Strang ziehen. Jürgen Grützner

Der Autor: Jürgen Grützner ist Geschäftsführer des Verbands für Telekommunikation und Mehrwertdienste (VATM).