Die deutsche Krimihauptstadt liegt in der Eifel

Viele Kommunen bemühen sich um Standortprofilierung. Wie das im ländlichen Raum gelingen kann, zeigt das Beispiel der kleinen Stadt Hillesheim. Dort haben private Initiative und die systematische Zusammenarbeit der Beteiligten eine bemerkenswerte Entwicklung bewirkt.

Große Kommunen setzen im Sinne des Standortmarketings auf „Cluster“, also die Ballung sich gegenseitig fördernder örtlicher Institutionen zur Entwicklung gemeinsamer Stoßkraft zur Marktbearbeitung. Auch ohne solche strukturellen Voraussetzungen können Gemeinden im ländlichen Raum ihre Attraktivität steigern und bedeutende wirtschaftliche Effekte erzielen.

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Das Städtchen Hillesheim (Rheinland-Pfalz) mit seinen 3100 Einwohnern ist Sitz der Verbandsgemeinde Hillesheim im Landkreis Vulkaneifel. Die rund 8800 Einwohner der Verbandsgemeinde leben auf einer Fläche von 130 Quadratkilometer, die Bevölkerungsdichte liegt folglich bei nur 67 Personen pro Quadratkilometer. Die Landschaft mit ihrem eifeltypischen Gepräge ist reizvoll; etwa ein Drittel der Fläche ist bewaldet. Die Entfernung zur nächsten Autobahnauffahrt beträgt knapp 30 Kilometer.

Im MitteIalter war Hillesheim befestigt und ein bedeutender Marktort. Heute haben Stadt und Region mit den Folgen des wirtschaftsstrukturellen und des demografischen Wandels zu kämpfen, aber es gibt es eine funktionstüchtige Infrastruktur mit inhabergeführten Fachgeschäften und Dienstleistungsbetrieben und eine sehenswerte Innenstadt. Hillesheim mit seiner teilweise erhaltenen Stadtmauer ist ausgezeichnet als Europäische Beispielstadt für Stadtsanierung und seit einigen Jahren beansprucht es selbstbewusst den Titel „Deutschlands Krimihauptstadt“. Welche Faktoren haben das bewirkt?

Die Erfolgsfaktoren

Einen Masterplan gab es für die „Krimi-Hauptstadt“ nicht, aber in der Rückschau passt alles so gut zusammen als wäre es geplant gewesen. Es gab aber eine Reihe von Faktoren und Köpfen, deren Zusammenwirken zum heutigen Ergebnis geführt hat. Dies sind vor allem die kommunale Wirtschafts- und Tourismusförderung, der Lokale Agenda-/Standortmarketing-Prozess, das Ehepaar Kramp, Jaques Berndorf sowie die regionale Tourismusförderung.

Wirtschafts- und Tourismusförderung

Die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde, Heike Bohn, und ihr Wirtschaftsförderer Stefan Mertes kümmern sich um den kommunalen Gewerbepark HIGIS und um die Förderung der Zusammenarbeit im Tourismus, der für den Standort Vulkaneifel in den letzen 20 Jahren als Arbeitsplatzbeschaffer, als Einkommens- und Steuerquelle immer wichtiger geworden ist.

Der Verein Urlaubsregion Hillesheim/Vulkaneifel bewirbt die Verbandsgemeinde touristisch als Hillesheimer Land und betreibt als zertifizierter Betrieb der Servicequalität Deutschland die Tourist-Information der Stadt und der Verbandsgemeinde Hillesheim. Sein Geschäftsführer Manfred Schmitz mit seinen vier Mitarbeitern arbeitet eng mit der Verbandsgemeindeverwaltung und mit der Tourismusförderung der benachbarten Verbandsgemeinde Gerolstein zusammen.

Als ehemaliger Vorsitzender des Gewerbevereins ist Schmitz zudem die Klammer zwischen Tourismus- und Handels- und Dienstleistungsbetrieben am Ort. Zum Gewerbeverein Hillesheim gehören auch die am Ort vertretenen regionalen Banken, die Gastronomie und Rechtsanwälte.

Lokale Agenda und Standortmarketing

Bürgermeisterin Heike Bohn nutzte die Chance, dass das Land Rheinland-Pfalz die Einführung der Lokalen Agenda in die Kommunalpolitik förderte und beantragte erfolgreich einen Landeszuschuss für die Verbandsgemeinde Hillesheim. Während andere Kommunen die Lokale Agenda vor allem als Umweltschutz-Programm interpretierten, wurde der 2006 begonnene LA-Prozess in Hillesheim ganzheitlich konzipiert. Als Ziel wurde die dauerhafte Sicherung und Erhöhung der wirtschaftlichen, der sozialen und der kulturellen Wertschöpfung des Gemeinwesens festgelegt.

Ehepaar Kramp und Jacques Berndorf

Ideengeber und Motor der Entwicklung des Krimi-Clusters Hillesheim waren und sind Monika und Ralf Kramp. Monika Kramp betreibt seit 1999 in Hillesheim die Buchhandlung „Lesezeichen“ und pflegt als Spezialität die Kriminalliteratur. Ralf Kramp ist einer der bekannten Eifel-Krimi-Autoren und betreibt den KBV-Verlag. Dessen Schwerpunkt bilden Krimis und die Eifel (Edition Eyfalia). Zu den mehr als 50 Autoren des Verlags zählt Jacques Berndorf (Jahrg. 1936), einer der beliebtesten und bekanntesten Kriminalschriftsteller Deutschlands. Seine Eifel-Krimis haben eine Gesamtauflage von 4,5 Millionen erreicht. Der Kreis Euskirchen und der KBV-Verlag riefen 2012 den „Jacques-Berndorf-Preis Förderpreis für Eifelkrimis“ ins Leben.

Regionale Tourismusförderung

Als Verstärker für die Vermarktung des Krimi-Clusters Hillesheim wirken sich die Aktivitäten der Eifel-Tourismus aus, die ihren Sitz in Prüm hat und seit 2003 die touristischen Aktivitäten der rheinland-pfälzischen und der nordrhein-westfälischen Eifel bündelt. Zentrales Element der Kooperation ist der Eifelsteig, ein Fernwanderweg von Aachen bis Trier. Die Krimi-Hauptstadt Hillesheim mit dem Hillesheimer Land stellt eine seiner Hauptattraktionen dar. Das Thema Krimi ist – obwohl nur in Hillesheim intensiv bespielt – zu einer der Dachmarken für das Marketing der Eifel insgesamt geworden.

Projekte, Attraktionen und Gemeinschaftsaktivitäten

Aus den vielen Projekten unter dem Motto „Krimi“ ragen drei heraus: das Kriminalhaus Hillesheim, das Krimi-Hotel und der Eifelkrimi-Wanderweg.

Kriminalhaus Hillesheim

Monika und Ralf Kramp eröffneten im September 2007 ihr Kriminalhaus. Hier wurden zu einem Ensemble zusammengeführt eine Bibliothek mit 30.000 Bänden, das „Café Sherlock“, das mit vielen Krimi-Schaustücken gestaltet ist, die Buchhandlung Lesezeichen und die Geschäftsräume des KBV-Verlags.

Krimihotel

Die Augustiner Kloster GmbH betreibt in Hillesheim das „Augustiner Kloster Hotel“ und das „Krimihotel“ mit entsprechend ausgestatteten Themenzimmern (u. a. Miss Marple, Sherlock Holmes, James Bond). Die Betreibergesellschaft arbeitet eng mit Partnern am Ort zusammen und verlinkt auf der Homepage des Krimihotels die Krimipartner.

Eifelkrimi-Wanderweg

Seit dem Jahr 2004 haben immer mehr Gäste die Eifelkrimis als „Reiseführer“ entdeckt. Der Eifelkrimi-Wanderweg beginnt im Tourismusbüro in Hillesheim. Er verbindet auf zwei Routen (18 und 20 km Länge) elf Schauplätze der Berndorf-Kriminalromane miteinander, die Begleitbroschüre liefert die Details, die Roman und Realität reizvoll miteinander verbinden. Initiiert wurde der Eifelkrimi-Wanderweg von der Tourist-Information Hillesheim. Sechs örtliche Betriebe haben sich zu einem Partnerteam zusammengeschlossen. Sie unterstützen das Produkt inhaltlich, erarbeiten Angebotsbausteine und profitieren ihrerseits von Umsatzzuwächsen.

Rund um die krimirelevanten Infrastrukturen haben sich zahlreiche Programme und Veranstaltungen etabliert, die heute einen wesentlichen Teil zur Wertschöpfung beitragen. Durchweg ausgebuchte Wochenendprogramme im Krimihotel beschäftigen sich mit Krimiautoren, Krimilesungen und Krimimenüs. Die Tourist-Information bietet zwei-, drei- und vierstündige Krimiführungen und neuerdings einen Krimibus an. Etwa 10.000 Gäste werden hier jährlich betreut. Das Festival „Tatort Eifel“ findet dezentral im Landkreis Vulkaneifel statt und ist ein deutschlandweiter Branchentreff der Film- und Fernsehszene. Als Aussteller innerhalb der „Culture Longue“ präsentiert sich das Hillesheimer Krimiteam auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin.

Die Wertschöpfung

Was hat das Ganze gebracht? Wie lässt sich der Erfolg des Gemeinschaftswerks „Krimi“ quantifizieren? Ein einzelnes Unternehmen wie ein Hotel oder das Kriminalhaus kann die Zahl der Besucher und die mit ihnen erzielten Umsätze ohne Schwierigkeiten erfassen. Das Tourismusbüro kann die Besucher und die Anfragen per Telefon, Post oder Mail zählen und die Erlöse im Shop erfassen.

Die Quantifizierung der Effekte von Gemeinschaftsaktivitäten – wie den Krimi-Aktivitäten in Hillesheim – zur Wertschöpfung des Standortes ist erheblich schwieriger. Dazu gehören die Erfassung der Übernachtungen in Hotels, Privatzimmern und weiteren Quartieren, die Erfassung der Tagesbesucher, die Erfassung der Ausgaben der verschiedenen Zielgruppen in Cafes und Restaurants, in Einzelhandelsgeschäften, im Shop des Tourismusbüros und in Freizeiteinrichtungen sowie die Berechnung der Brutto- und Nettoumsätze.

Auf Basis der so gewonnenen Datengrundlage kann dann unter anderem berechnet werden, wie hoch die Wertschöpfung insgesamt und in den beteiligten Branchen ist und wie sich die Umsätze, die Beschäftigungseffekte, die Einkommens- und Steuerwirkungen auf der ersten Umsatzstufe (direkt) und auf der zweiten (indirekt) entfalten.

Für Hillesheim und seine Krimi-Angebote liegt eine solche systematische Analyse noch nicht vor. Aber Ruud Zillig, der Direktor der beiden Hotels, und Tourismusförderer Manfred

Schmitz kommen bei Auswertung ihrer jeweils hauseigenen Statistiken, Buchungen, Gästefrequenzen, Prospektnachfragen, Besucherzählungen, Umsätzen aus Verkäufen und Buchungen zu diesen Teilergebnissen:

  • Übernachtungen im „Krimihotel“ (Grundlage: 50 % Auslastung): 9000

  • Übernachtungen Krimigäste außerhalb (Schätzung): 5000

  • Reisepakete Krimihotel (200 Euro im Durchschnitt): 2000

  • Reisepakete der Tourismus-Information (je 150 Euro): 500

  • Führungen/Touren/Krimibus (8 bis 12 Euro): 10.000

  • Tagesgäste Krimiwanderweg/Kriminalhaus etc.: 30.000

Legt man Ausgaben der Tagesgäste von rund 25 Euro pro Kopf und Tag und der Übernachtungsgäste von 75 Euro pro Kopf und Tag zugrunde, so lässt sich der gesamte touristische Brutto-Umsatz, der die Krimiangebote als urlaubsauslösendes Moment sowie als wesentlichen Urlaubsbestandteil aufweist, in der Verbandsgemeinde pro Jahr derzeit vorsichtig auf eine Größenordnung von etwa fünf Millionen Euro schätzen. Das ist etwa 40 Prozent des touristischen Gesamtumsatzes der Region. Und die Tendenz ist steigend.

Karl J. Eggers

Der Autor
Dr. Karl J. Eggers ist Unternehmens- und Kommunalberater in Lambrecht/Pfalz

Info: Handlungsempfehlungen für das Standortmarketing

Der Fall „Krimihauptstadt“ Hillesheim ist hinsichtlich des erfolgreichen Standortmarketings einzigartig und deshalb nicht schlicht als Blaupause für andere Kommunen tauglich. Aber der Kooperationsprozess ist vorbildhaft, und insofern lassen sich daraus einige Empfehlungen für Wirtschaftsförderer und kommunale Marketingverantwortliche ableiten:

  • Machen Sie Ihre Initiativen zu Stärkung des Standortes nicht von staatlichen Zuschüssen abhängig und vermeiden Sie es, sich um Zuschüsse für Projekte zu bewerben, die gerade Mode sind und die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen, die aber Ihrer Kommune wahrscheinlich kaum einen Zuwachs an Wertschöpfung bringen werden.

  • Besinnen Sie sich stattdessen auf die eigenen Kräfte: Machen Sie eine objektive Standortanalyse und erfassen Sie systematisch die Stärken und Schwächen im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern sowie die erkennbaren Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung (SWOT-Analyse).

  • Erfassen Sie als Chancen-Elemente gezielt die unternehmerischen Köpfe am Ort, auch parteipolitisch nicht gebundene sowie engagierte Querdenker.

  • Schaffen Sie eine – im Sinne ganzheitlichen Standortmarketing – funktionstüchtige Organisationsstruktur in Ihrer Verwaltung und pflegen Sie bei Ihren Mitarbeitern einen konstruktiven Geist, sodass private Initiativen gefördert werden – zum Nutzen der Akteure und damit des ganzen Gemeinwesens.

  • Erkennen Sie die geleisteten Beiträge zum Gemeinschaftswerk an und sorgen Sie dafür, dass sich niemand mit fremden Federn schmückt: Ehre, wem Ehre gebührt. Das stärkt die Motivation aller Beteiligten und fördert das Wir-Gefühl.