Die Einführung einer Software-Lösung sollte Schritt für Schritt erfolgen. Diesen Rat gibt Oliver Couvigny den Kommunen. Der Geschäftsführer von Infoma spricht im Interview über die Modernisierung der Verwaltung, den Nutzen interkommunaler Kooperationen und Entwicklungen im Datenschutz.
der gemeinderat: Herr Couvigny, das Spektrum an IT-Lösungen im Rathaus reicht von Netzwerken einer Arbeitsgruppe über Handgeräte etwa für Bauhofmitarbeiter oder Dokumentenmanagement-Systemen bis hin zu komplexen Infrastrukturen. In welchen Verwaltungsbereichen hinkt Ihrer Beobachtung nach die Modernisierung am weitesten zurück?
Couvigny: Innerhalb vieler und auch zwischen Verwaltungen besteht eine inhomogene Landschaft, die zwei wesentliche Mängel aufweist. Zum einen arbeiten die Fachverfahren nicht automatisiert genug zusammen, das heißt weder online- noch ereignisgesteuert. Zum anderen decken sie die Prozesskette insbesondere in Richtung Bürger und Unternehmen nicht komplett ab. Doch die Modernisierungsbestrebungen nehmen wieder deutlich Schwung auf, gerade rund um das zentrale Verfahren Finanzwesen. Gesucht wird aber nun nicht mehr der „große Wurf“ wie zu Beginn der E-Government-Initiativen, sondern abgesteckte Lösungen mit gezieltem Nutzen, bei denen Bürger- und Wirtschaftsfreundlichkeit mit interner Effizienzsteigerung in Einklang stehen.
der gemeinderat: Wie bewerten Sie das Potenzial von interkommunalen Kooperationen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung?
Couvigny: Das Modell ist seit Langem und größtenteils erfolgreich etabliert, meiner Ansicht nach aber viel zu wenig verbreitet. Denn damit lassen sich Kosten senken und die Leistungen verbessern. Dies gilt für das gesamte Spektrum, also auch für interne Querschnittsaufgaben wie Lohn- oder Finanzbuchhaltung und nicht nur für typische Anwendungsbeispiele wie Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung. Die kommunalen Rechenzentren oder Full-Service-Dienstleister könnten hier eine zentrale Rolle spielen: Sie sorgen in weiten Teilen bereits für eine standardisierte und vernetzte informationstechnische Basis. Eine solche Grundlage erleichtert die Kooperation.
der gemeinderat: Der allgemein zu erkennende Digitalisierungsschub, wie er zum Beispiel in der Wirtschaft unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ diskutiert wird, betrifft auch die Kommunen. Erwächst durch die wachsenden Anforderungen an Datenaustausch und -verfügbarkeit ein qualitativ neues Feld der IT-Beratung?
Couvigny: Vielleicht, das will ich aber nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, dass ich damit nicht glücklich wäre. Die wachsenden Anforderungen an Datenaustausch und -verfügbarkeit sollten doch zu Softwarelösungen führen, die eine offene Architektur und leistungsfähige Kommunikationskomponenten haben. Die also den heutigen Anforderungen von Haus aus gerecht werden, sodass für IT-Beratung dieser Art keine Notwendigkeit besteht. Ich sehe eher Handlungsbedarf bei einigen Anbietern von kommunalen Fachverfahren, all diese Lösungen in einem ersten Schritt auf eine moderne technologische Plattform zu heben. Und in einem zweiten Schritt sich Gedanken zu machen, wie die Lösung so auszubauen ist, dass sie mit anderen Fachverfahren perfekt harmoniert und die komplette Prozesskette abdeckt.
der gemeinderat: Stichwort IT-Projekte: Wo sollten Kommunen ansetzen, die beispielsweise ein softwaregestütztes Liegenschafts- und Gebäudemanagement aufbauen wollen? Mit der Aktualisierung der bestehenden Daten? Mit der Beschreibung ihrer Erwartungen an das neue System? Mit der Markterkundung?
Couvigny: Bei der Marktsondierung empfehle ich, auf die Klassiker zu setzen: Wer sind die Marktführer? Deckt das Funktionsspektrum meine aktuellen und künftigen Anforderungen ab? Ist die Technologie und Architektur der Softwarelösung offen und passt in meine Landschaft? Wie ist es um die Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit der Lösung und des Anbieters bestellt? Entscheidend aus meiner Sicht ist, dass die Verwaltung bei der Einführung Schritt für Schritt vorgehen und damit in Eigenverantwortung das Thema dauerhaft schultern kann und durch das Fachverfahren eine bestmöglich integrierte Lösung erhält, also keine Daten- und Funktionsdubletten mit all der Mehrarbeit und Qualitätsproblemen.
der gemeinderat: Bürgerdaten sind sensibel. Woran können die Projektverantwortlichen in der Verwaltung erkennen, ob eine IT-Lösung mit Personenbezug den Anforderungen an den Datenschutz genügt?
Couvigny: Bei den kommunalen Fachverfahren gibt es meist einschlägige Zertifizierungen, die nahezu alle das Thema Datenschutz abdecken. Dies sollte ebenso in keinem der Anforderungsprofile für eine neue Softwarelösung fehlen. Wichtig ist jedoch, dass mit der kritischsten Stelle sorgfältig im Projekt und im Nachlauf umgegangen wird. Das sind die Benutzerrechte für die einzelnen Anwender. Zudem sollten die Projektverantwortlichen auch den Betrieb der Lösung im Blick haben, sie zum Beispiel vor Sabotage schützen. Der Wunsch nach einer sicheren Infrastruktur ist neben der allgemeinen Zunahme der IT-Komplexität der Grund für den Trend der IT-Verantwortlichen, weg von der eigenen Infrastruktur und hin zum kommunalen Rechenzentrum oder in die Cloud.
der gemeinderat: Was muss eine integrierte Softwarelösung im Blick auf die Anschlussfähigkeit an andere IT-Anwendungen leisten können?
Couvigny: Ein heutiges Finanzwesen zum Beispiel besteht nicht nur aus einer integrierten Veranlagung von Steuern, Abgaben, Gebühren und Beiträgen. Auch die Anlagenbuchhaltung oder eine Kosten- und Leistungsrechnung machen es nicht speziell. Interessanter sind hier schon eine integrierte Vollstreckung oder ein integriertes Liegenschafts- und Gebäudemanagement. Aber noch interessanter wird es bei Themen wie Eingangsrechnungsworkflow, einer Finanz- oder Steuerakte, Business-Intelligence-Analysen mit Forecasts oder interkommunalen Vergleichen, Bürgerhaushalt oder interaktiver Haushalt, E-Rechnung oder E-Payment.
der gemeinderat: Ihr Unternehmen zeichnet regelmäßig Kommunen für den innovativen Umgang mit Ihrer Verwaltungssoftware aus. Inwiefern profitieren Sie als Entwickler von den Erfahrungen der von Ihnen ausgezeichneten Anwender?
Couvigny: Teil unserer DNA seit fast 30 Jahren ist unsere Prämisse: „Aus der Praxis für die Praxis.“ Wir sehen uns als ein Partner der Kommunen und ihrer Betriebe wie auch der kommunalen Rechenzentren, der mit innovativen und praxistauglichen Lösungen seine Kunden so in ihrer Leistungsfähigkeit stärkt, dass sie die Herausforderungen der Zukunft durch effizientes Handeln meistern. Neue Themen und Technologien frühzeitig aufzugreifen und so die Märkte für das Finanzwesen und weiterführende Fokusbereiche verantwortlich zu gestalten, ist die Grundlage für unseren stetig wachsenden Kundenstamm. Mit dem seit 2013 jährlich vergebenen Infoma-Innovationspreis wollen wir positive Beispiele publik machen und damit andere Kommunen zum Nachahmen inspirieren.
Interview: Jörg Benzing
Zur Person: Oliver Couvigny ist seit 2005 Geschäftsführer der Infoma Software Consulting, mit Sitz in Ulm. Der studierte Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieur stieg 1997 als Consultant im Unternehmen ein und erhielt nach verschiedenen Positionen 2002 Prokura.