Der neue Kampf um alte Kleider

Ob auf der eigenen Entsorgungsinsel oder gleich hinter dem Ortsschild – kaum eine Stadt und Gemeinde verzichtet heute auf die Container zur Altkleider­sammlung. Mit ihrem wirtschaftlichen Interesse an Alttextilien
treten die Kommunen in Konkurrenz zu privaten Entsorgungsfirmen.

Der Handel mit Alttextilien ist viel mehr als eine gute Tat. Die Praxis ist ein knallharter Wettbewerb. Das schließt den karitativen Gedanken zwar nicht aus, doch er alleine zählt wenig. An erster Stelle steht der Gewinn. Auch für die Kommunen. Die vermieten nicht nur Stellplätze, sondern mischen ordentlich mit auf dem Markt für alte Kleider. Dort herrscht ein raues Klima, wie die Stadt Göttingen (Niedersachsen) erfahren musste.

Anfang dieses Jahres endete ein spektakulärer Prozess am Verwaltungsgericht, aus dem die Kommune mit einem blauen Auge hervorging (Urteile vom 2. März 2017 – AZ 4 A 149/14, 4 A 345/15). Bis zum Urteilsspruch war völlig unklar, ob das Konzept des eigenständigen Altkleidersammelns überhaupt wettbewerbskonform sei. Die Richter entschieden für die Kommune und deren Container, die in Göttingen nun ausschließlich bereit stehen. Zwei privaten Anbietern wurde das Aufstellen eigener Container untersagt. Begründung: Deren Vorhaben, 200 Tonnen Alttextilien innerhalb eines Jahres einsammeln zu wollen, hätte die Wirtschaftlichkeit der kommunalen Sammlung gefährdet – und womöglich in der Zukunft Steuergeld verbrannt.

Damit entschied das Verwaltungsgericht einen Konkurrenzkampf der besonderen Art, denn die Kommune verfolgt kein anderes Ziel als die private Konkurrenz: mit Alttextilien Umsatz machen. Rund 500 Euro Gewinn erzielen die Göttinger Versorgungsbetriebe GEB mit dem Verkauf einer Tonne Alttextilien. Exakt 150 Container stehen im Stadtgebiet zur Verfügung, die Spendenfreudigkeit der Bürger ist seit Jahren ungebrochen. Im Schnitt kommen 580 Tonnen jährlich zusammen.

Der Erlös stopft keine Löcher im Stadtsäckel, ist aber leicht verdientes Geld. Einmal aufgestellt, werfen die kommunalen Sammelstellen regelmäßig Gewinne ab. Eine sichere und planbare Sache, vorausgesetzt, ein Gericht bestätigt der Stadt ihr Exklusivrecht. Und genau das ist umstritten. Hunderte von Prozessen waren und sind anhängig, in denen private Entsorgungsfirmen gegen die Entscheidungsmacht der Kommunen klagen.

Gutes tun und gut verdienen

Die Sache mit der Großzügigkeit hat einen Haken. Zwar nicht unbedingt einen juristischen, aber immerhin einen moralischen. Ob nun Kommune oder Privatanbieter sammelt, das Gros der Spender unterstellt einen guten Zweck. Doch das ist weit gefehlt, unterm Strich bleibt für die Initiatoren viel mehr übrig als ein kleiner Unkostenbeitrag. Von karitativen oder kirchlichen Sammlern einmal abgesehen. Bei Unternehmen aus der Privatwirtschaft ist das Gewinnstreben nicht verwunderlich. Aber auch eine Stadt, die Alttextilien sammelt, verkauft diese weiter. Dabei unterscheidet sie sich nicht von einem typischen Unternehmen.

Handel mit Schmuddel-Image

Seit Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) 2012 ist die Rolle der Akteure deutlich klarer definiert, was das Einsammeln und Verwerten von Alttextilien betrifft. Vor allem die Position der Kommunen wurde dadurch gestärkt. Sie selber oder deren Entsorgungsbetrieb agiert auf dem Markt als Konkurrentin der Privatsammler und besitzt die Kontrolle über sämtliche Aktivitäten. Ohne Meldung bei der zuständigen Stelle im Rathaus erfolgt keine legale Altkleidersammlung.

Dagegen regt sich seit einigen Jahren der Unmut privater Anbieter. Der Vorteil liegt bei den Kommunen: Das KrWG stellt klare Bedingungen und hat mit einer fünfstufigen Abfallhierarchie auch bislang offene Detailfragen in Sachen Arbeitsrecht und Umweltschutz beantwortet. So dürfen etwa Subunternehmen aus dem Ausland eingeschaltet werden, um die Personalkosten zu reduzieren. Gleichzeitig müssen beim Aufstellen der Sammelcontainer hohe Standards eingehalten werden. Das verantwortliche Unternehmen muss auf den genutzten Behältern ebenso wie dessen Kontaktdaten klar erkennbar sein. Und zu guter Letzt liegt die Erlaubniserteilung bei der Kommune.

Die Marktteilnehmer stehen unter einem gewaltigen Kostendruck, und längst nicht alle Anbieter im Textil-Recycling spielen fair. Um die Aktivitäten der Boom-Branche transparenter zu gestalten, betreibt die „Gemeinschaft für textile Zukunft“ (GftZ) eine Aufklärungskampagne. Sie will beim Handel mit dem jährlich anfallenden Altkleiderbestand von einer Millionen Tonne Gerechtigkeit schaffen – ein hehres Ziel. Denn der Markt steht mächtig unter Druck. Das wollen die Gesellschafter der GftZ durch eine strengere Regelauslegung ändern.

Die Lobbyisten sind selber von der entstandenen Unübersichtlichkeit betroffen, handelt es sich doch um Unternehmen aus der Recycling-Branche. Deren Umfeld ist rauer geworden und vielfältiger. Neben den gewerblich orientierten Firmen und denen der Kommunen spielen auch gemeinnützige Organisationen eine wichtige Rolle. Deren Interessenverband mit dem Namen „FairWertung“ vergibt eine entsprechende Plakette, die Spender und Kommunen über die Hintergründe der 130 einzelnen Anbieter aufklärt, die Träger dieser Auszeichnung sind. Das Befolgen zahlreicher Standards ist die Voraussetzung. Zwingend muss das Sammeln und Verteilen einem sozialen Zweck zukommen.

Das heißt jedoch nicht, dass mit den eingesammelten Textilien nicht auch Geld verdient werden kann. Durch die Weitergabe an Second-Hand-Shops etwa oder das selbstständige Verkaufen in eigenen Läden. Solange der Erlös in soziale Strukturen fließt, stellt das kein Problem dar.

Till Röcke

Der Autor
Till Röcke, Remagen, ist Autor und freier Journalist

Info: Illegal aufgestellte Container in der Gemeinde
Die illegale Platzierung von Altkleidercontainern bereitet den Kommunen zunehmend Probleme. Das Kuriose daran: Weder Ordnungsamt noch Polizei sind berechtigt, die Stahlungetüme zu entfernen. Der Grundstückseigentümer oder der Nutzungsberechtigte muss sich selbst um einen Abtransport bemühen. Für Städte und Gemeinden ist das ein Ärgernis, da sie es letztlich sind, deren Lagerkapazitäten durch aus dem Verkehr gezogene Sammelbehälter belastet werden. Betroffenen bleibt nur die Möglichkeit, die Container bei der Kommune als Fundsache zu melden. Daraufhin müssen die Behörden reagieren und die Abholung veranlassen.