Das Ende des fossilen Zeitalters und die Dekarbonisierung der Wirtschaft sind nicht mehr aufzuhalten. Doch genau das versuchen die Gegner der Energiewende mit Mythen und Propaganda. In dieser Situation ist die Verteidigung des Fortschritts gefordert: Fakten gegen Fake-News.
Es ist nicht leicht, der wissenschaftsfeindlichen Propaganda der Energiewendegegner zu entgehen. Es ist allerdings auch kein Wunder, dass sie so massiv betrieben wird: Für die fossile Industrie ist es sogar auf den letzten Metern ein unfassbar lukratives Geschäft, die vermeintlichen Fehler der Energiewende anzuprangern – was aufgrund einer viel zu zögerlichen, ja stümperhaften Umsetzung der Energiepolitik ein leichtes Spiel ist. Es lohnt sich für die Gegner sehr, auf die exorbitanten Kosten für die Energiewende zu verweisen, vor teuren Stromrechnungen, vor Energiearmut und Blackouts zu warnen, Szenarien von einem de-industrialisierten Deutschland ohne Energiesicherheit und wirtschaftliche Chancen zu entwerfen und auf den Bestandsschutz zu pochen – auch wenn das alles jeder faktischen Grundlage entbehrt.
Liegen die Interessensverflechtungen hinter all den Warnungen vor den geradezu apokalyptischen Gefahren der Energiewende einmal offen zutage, ist es leicht, das Manöver zu durchschauen und die immer gleichen Muster hinter all den Mythen über die Energiewende wiederzuerkennen. Doch das ist nur der erste Schritt. Im zweiten Schritt gilt es, den falschen Behauptungen mit sachlichen Argumenten entgegenzutreten.
Das abgekartete Spiel der Energiewendegegner ist nicht neu. Schon lange stellen sich ihre Vertreter taub gegenüber allen nüchternen Zahlen und wissenschaftlichen Fakten, die ihre Mythen, die Machtstrukturen und Monopole entlarven könnten. Doch je deutlicher alles auf die globale Energiewende zusteuert, desto aggressiver wird ihre Propaganda, desto dreister verbreiten sie all die Fehlinformationen und Behauptungen, die den Siegeszug der erneuerbaren Energie aufhalten sollen.
Hinzu kommt, dass sich die Verfechter der konventionellen Energiewelt inzwischen etwas noch Absurderes haben einfallen lassen: Sie haben eine Welt ausgerufen, in der es ohnehin nicht mehr um Fakten, sondern nur noch um gefühlte Wahrheiten und Emotionen gehe. Das ist ein länderübergreifendes Phänomen. 2016 wurde „post-truth“ von den Oxford Dictionaries zum Wort des Jahres gewählt, im gleichen Jahr kürte die Gesellschaft für deutsche Sprache „postfaktisch“ zum Wort des Jahres. Was für ein Irrsinn!
Wollen wir wirklich 400 Jahre nach Beginn der Aufklärung wieder zurückkehren in eine mittelalterliche Dunkelkammer? Wollen wir Bildung, Forschung und Wissenschaft wirklich als eine irrelevante Parallelwelt bezeichnen und wissenschaftliche Diskurse als Aberglauben und Gotteslästerung verdammen? In einer postfaktischen Welt gibt es keine Wissenschaft, keine demokratische Verfassung, keine Menschenrechte. Wollen wir das?
Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien
Denn selbst das lauteste postfaktische Getöse, die schrillsten Fake-News können nichts mehr daran ändern: Die Energiewende ist unausweichlich. Das Ende des fossilen Zeitalters und die Dekarbonisierung der Wirtschaft sind nicht mehr aufzuhalten. Genauso wenig wie wir unsere Wohnungen privat noch mit Kohleöfen heizen werden, wird man in einigen Jahrzehnten noch Strom in Kohlekraftwerken erzeugen. Die Kosten für die erneuerbaren Energien werden weiter sinken, die wirtschaftlichen Chancen sind enorm.
Die alles entscheidende Frage jedoch ist: Wie lange brauchen wir noch, um aus dieser Erkenntnis die Konsequenz zu ziehen und entschlossen zu handeln? Wie lange lassen wir uns auf dem Weg in eine andere Energiezukunft noch von der fossilen Industrie aufhalten? Wie lange hören wir uns die rückwärtsgewandten Argumente der alten Energiewelt noch an? Wie lange noch nehmen wir bei unserer Zukunftsplanung Rücksicht auf die ökonomischen Interessen der Konzerne von gestern?
Je länger wir an der alten Energiewelt festhalten, desto teurer wird uns das zu stehen kommen. Denn genau wie jeder Tag, den wir mit der Umsetzung der Energiewende zögern, Gewinne in die Kassen der fossilen Industrien spült, wird uns jeder Tag, den wir ungenutzt verstreichen lassen, ein Vermögen kosten. Je länger wir warten, desto größer werden die Folgekosten unserer bisherigen Energieversorgung, desto höher die Anpassungskosten an den Klimawandel und desto teurer kommt uns die Nutzung der fossilen und der riskanten atomaren Energie zu stehen.
Wer seine Energiepolitik an den Interessen der fossilen Industrie ausrichtet und diese über die internationalen Klimaschutzziele stellt, nimmt mehr als kostspielige Umweltschäden und wirtschaftliche Schäden in Kauf. Denn wir steuern damit auch auf globalpolitischen Unfrieden zu. Unsere bisherige Energieversorgung und der energieintensive Lebensstil der Industrieländer gefährden das ohnehin labile globale Gleichgewicht in vielerlei Hinsicht.
Die Energiewende sorgt für sozialen Frieden. Der Zugang zu Energie, zu Elektrizität in Schulen und Bibliotheken bedeutet für viele Menschen in Indien oder Afrika zugleich Zugang zu Informationen und Bildung. Fern aller Machtkämpfe und Ideologien geht es in Sachen Energie oft um ganz praktische Alltagsdinge.
Die Energiewende ist nicht ein Projekt unter vielen, das wir von Tag zu Tag, von Woche zu Woche verschieben und um das wir uns später immer noch kümmern können. Im Gegenteil: Die Energiewende ist das eine Projekt, das nicht den geringsten Aufschub duldet!
Claudia Kemfert
Die Autorin
Prof. Dr. Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung „Energie, Verkehr und Umwelt“ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sowie Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin
Buchtipp: Die Energiewende schafft Wohlstand, macht unabhängig von geopolitischen Konflikten, schützt das Klima und stärkt die Demokratie. Und doch verbreiten Lobbyisten der Kohleindustrie und Atomenergie Fehlinformationen und schüren Mythen. In ihrem neuen Buch räumt die Energieökonomin Claudia Kemfert mit den zehn gängigsten Fake News auf.
Das fossile Imperium schlägt zurück, Claudia Kemfert, Murmann-Verlag, Hamburg, 2017, 132 S., 14,90 Euro (ISBN: 978-3-86774-566-6)