Das Besondere im Blickpunkt

Zwischen den Kommunen und Regionen herrscht im Zusammenhang mit der Suche nach Neubürgern, Steuern zahlenden Unternehmen und zahlungs­kräftigen Touristen Wettbewerb. „Branding“, also Markenbildung, bietet für
den einzelnen Standort einen Weg, sich hierbei positiv abzuheben.

Ob in Mecklenburg-Vorpommern, im Harz oder Hunsrück – es sind vor allem die ländlichen und eher strukturschwachen Gebiete, die Gefahr laufen, den Anschluss an die Entwicklung hinsichtlich Wirtschaftskraft und Einwohnerzahlen zu verlieren. Mangelt es an lokalen Einkaufsmöglichkeiten und medizinischer Versorgung, suchen Unternehmen und Bürger vergeblich „schnelle“ Internet-Anschlüsse, findet öffentlicher Personennahverkehr nur bis Einbruch der Dunkelheit statt, dann ist es höchste Zeit, die Attraktivität der eigenen Kommune selbstkritisch zu hinterfragen.

Zahlreiche Gemeinden und Kreise tun dies und befinden sich deshalb in einem Standortwettbewerb. Dabei spielen Einordnungen in Ranglisten (Rankings) und die Orientierung an Erfolgsmodellen (Benchmarking) eine immer größere Rolle. Anders formuliert: Viele Kleinstädte und Regionen suchen mittlerweile nach dem einen Alleinstellungsmerkmal, das sich im Konkurrenzkampf um eine positive Zukunftsentwicklung als Vorteil erweist.

Ein Blick in Richtung Privatwirtschaft kann hier interessante Anregungen bieten: Im Wettbewerb um Kunden versuchen sich Unternehmen nämlich mit ihren Leistungen und Produkten so zu positionieren, dass sie als Marke (engl. „Brand“) wahrgenommen werden. „Branding“, also Markenbildung, sorgt dafür, dass Kunden ein bestimmtes Produkt zum Beispiel aufgrund seiner Qualität, seines positiven Images oder der mit ihm verbundenen umfassenden Services wegen in besonderer Weise wertschätzen, deshalb gerne kaufen und sogar weiterempfehlen.

Auf wenn angesichts des breiten Spektrums der für Gemeinden, Städte und Regionen maßgeblichen Standortfaktoren sich Erfolgsgeschichten aus der Wirtschaft nicht einfach im kommunalen Sektor wiederholen lassen: Will eine Kommune im Vergleich mit anderen gut dastehen, sollte sie versuchen, sich durch Bildung einer Marke positiv von der Konkurrenz positiv abzuheben.

Claims greifen Besonderheiten auf

Ob dies gelingt hängt vor allem davon ab, wie gut die Kommune auf ihre baulichen, historischen oder landschaftlichen Besonderheiten öffentlichkeitswirksam hinzuweisen vermag. In der Praxis wird versucht, mit mehr oder weniger kreativen „Claims“ die Attraktivität und Einzigartigkeit bestimmter Orte hervorzuheben: der Slogan „GesundLand Vulkaneifel“ stellt beispielsweise eine intakte und zur Erholung einladende Region in den Mittelpunkt ihrer Selbstdarstellung, die österreichische „Sonnenstadt Lienz“ versucht mit dem südländischen Flair am Fuße der Lienzer Dolomiten zu punkten und die „Nibelungenstadt Worms“ verweist auf ihre historischen Bezüge zur Heldensage der Nibelungen. Erkrath bei Düsseldorf wiederum betont mit dem Claim „Fundort des Neandertalers“ sein Alleinstellungsmerkmal. Vor allem kleinere Städte nutzen auf diese Weise die Möglichkeit, ihre Vorzüge und Unverwechselbarkeit hervorzuheben.

Kommunales Branding kann eine Antwort auf die Frage geben, was die Kommune ihren Bürgern – den heutigen wie den künftigen – als Identität und Gemeinsamkeit stiftendes Merkmal bieten kann, um sie dauerhaft zu binden beziehungsweise überhaupt erst zu gewinnen. Doch was macht die Marke letztendlich aus? Was ist von ihr zu erwarten und wie bedient sie die Bedürfnisse der angesprochenen Zielgruppen?

Um sich von bloßer Selbstanpreisung abzugrenzen, braucht kommunales Branding immer auch strategische Konzepte und konkrete Maßnahmen, die überzeugende Argumente dafür liefern, warum genau diese Gemeinde für junge Familien, den expandierenden Mittelständler oder das Start-up der richtige Standort ist.

„Weiche“ Faktoren gewinnen an Gewicht

Damit das Bild der Kommune nicht diffus bleibt, gilt es, auf die Palette ihrer positiven Merkmale zuzugreifen und mit deren Hilfe das Profil scharf zu zeichnen. Neben den klassischen Standortfaktoren wie lokalem Arbeits- und Immobilienmarkt, Breitbandverfügbarkeit, Steuern und Abgaben sowie Verkehrsanbindung gewinnen für die Abgrenzung im Wettbewerb mittlerweile mit kultureller Attraktivität, bürgerschaftlichem Engagement, Kundenorientierung der Kommunalverwaltung sowie Erholungs- und Freizeitwert immer stärker auch „weiche“ Faktoren an Gewicht.

Um sich in entsprechenden Feldern profilieren zu können, bedarf es vor allem in ländlichen Regionen eines kollektiven Lernprozesses von Kommunalpolitik und Stadtentwicklung. Es gilt die Vielzahl lokaler Akteure aus Politik, Handel und Handwerk, Medien, Verwaltung und Wirtschaft auf gemeinsame Ziele und deren Umsetzung einzustimmen. Dies ist ein langfristiger Prozess, schnelle Erfolge sind dabei nicht zu erwarten. Immerhin kann schon eine erste Analyse der Stärken und Schwächen den Blick schärfen, wo Handlungserfordernisse liegen.

Von Bevölkerungsschwund und Landflucht betroffene Gemeinden müssen lernen, sich mithilfe von Branding mehr um ihre Bürger – ganz im Sinne kritischer Kunden – zu kümmern. Die Menschen sind heute anspruchsvoller als früher, gerade auch was die Wahl ihres Wohnorts betrifft. Um sie für den Standort zu gewinnen, bedarf es nicht nur ihrer gezielten Ansprache. Sie müssen auch den Eindruck gewinnen, dass sich Gemeinden mit großem Engagement um sie bemühen.

Eberhard G. Fehlau

Der Autor
Eberhard G. Fehlau ist Direktor des Instituts für Kommunal- und Verwaltungswissenschaften (IKV), einem An-Institut der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (FHöV NRW) in Düsseldorf