Corona: Nachbarschaftshilfe und kommunale Netzwerke wachsen

Solidarität ist in der Corona-Krise mehr denn je gefragt – mit den besonders gefährdeten Alten, in Quarantäne befindlichen Bürgern, berufstätigen Eltern mit Kindern. Und er wächst, dieser helfende Zusammenhalt in einer Zeit, in der man angesichts der massenhaften Verbreitung gefährlicher Desinformation in den „sozialen“ Netzwerken und manch aggressiver Auseinandersetzung vor Supermarktregalen glauben mag, die Welt spiele verrückt. Die Impulse für gegenseitige Hilfe kommen aus den Rathäusern und gesellschaftlichen Gruppen.

Nicht nur Schulen sind infolge der Coronaepidemie bundesweit in den Kommunen geschlossen, sondern auch Seniorentreffs, Nachbarschaftsheime und andere Einrichtungen. Und damit wird die Frage drängend, wie insbesondere ältere Mitbürgern den eigenen Alltag bewältigen können, zumal sie aufgrund des spezifisch höheren Gesundheitsrisikos die Öffentlichkeit meiden sollen. Wer kauft für sie ein, wer übernimmt Besorgungen für diejenigen, die in häuslicher Quarantäne ausharren? Wer kümmert sich um die Kinder, deren Eltern arbeiten müssen? Das sind Fragen, die viele umtreiben.

Oberwolfach und Mühlenbach schaffen Netzwerke

Keiner soll alleingelassen werden, finden die Rathauschefs der baden-württembergischen Gemeinden Oberwolfach und Mühlenbach und streben vorausschauend den Aufbau von Netzwerken an, die Betroffenen helfen können, sollte der Falle der Fälle – angeordnete Quarantäne oder „Selbstisolation“ aus Vernunftgründen – eintreten. Sie haben in ihren Verwaltungen einen Telefondienst organisiert, bei dem sich Betroffene und hilfsbereite Freiwillige melden können. Braucht jemand aus einem der beiden Orte Unterstützung etwa bei einem Behördengang und der Kinderbetreuung oder ist auf einen Lebensmittel-Bringdienst angewiesen, werden seine Kontaktdaten an die Ehrenamtlichen weitergegeben. Zudem wurden auf Twitter die Hashtags #nachbarschaftschallengemuehlenbach und #nachbarschaftschallengekinzigtal eingestellt, über den sich nach dem europäischen Vorbild #nachbarschaftschallenge Bürger zur Nachbarschaftshilfe organisieren können.

Derzeit sei zwar noch kein Oberwolfacher mit dem Coronavirus infiziert oder befinde sich in Quarantäne, dies könne sich aber bald ändern, wird Bürgermeister Matthias Bauernfeind in der Tageszeitung „Schwarzwälder Bote“ zitiert. Seine Mühlenbacher Amtskollegin Helga Wössner weist auf den wichtigen Aspekt hin, dass gerade ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen sich nicht unnötig in der Öffentlichkeit aufhalten und soziale Kontakte meiden sollten, um das Risiko einer Ansteckung mit dem Virus so gering wie möglich zuhalten.

Corona Helfer-Netzwerk Hamminkeln

Im Kreis Wesel (Nordrhein-Westfalen) wurde das „Corona Helfer-Netzwerk Hamminkeln“ auf Initiative eines lokalen Anzeigenblattes hin ins Leben gerufen. Menschen aus der Kommune, die helfen wollen oder Hilfe brauchen, können sich bei den Initiatoren melden. Diese bündeln alle Kontakte zentral in einem Online-Beitrag und bei Facebook.

„Nachbarschaftshilfe Karlsruhe“

In Karlsruhe und anderen Kommunen der Region bilden sich ebenfalls Nachbarschaftshilfen, nachdem schon zuvor der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha die Bürger zur gegenseitigen Unterstützung in der außergewöhnlichen Situation aufgerufen hatte. Unterstützung erhielt er von der Staatsrätin für die Zivilgesellschaft, Gisela Erler: Der Staat könne und müsste vieles machen, aber „für das Herz und das soziale warme Miteinander vor Ort brauchen wir jetzt unsere Zivilgesellschaft.“

Sehr aktiv ist in der badischen Fächerstadt bereits die Facebook-Gruppe „Nachbarschaftshilfe Karlsruhe“. Unterstützung vermittelt ebenso die Plattform „nebenan.de“. In Östringen südlich von Heidelberg hat sich die Gruppe „Freundliche Nachbarschaftshilfe Östringen“ gebildet.

„Notfallnummer für Menschen in Moosburg“

Zivilgesellschaftlicher Initiative ist auch die „Notfallnummer für Menschen in Moosburg“ zu verdanken, die Menschen mit Unterstützungsbedarf in der Corona-Ausnahmesituation Helfer vermittelt. Zu den Initiatoren des solidarischen Angebots in der bayerischen Kommune zählt die Moosburger Stadträtin und Sozial- und Seniorenreferentin Karin Linz. Die Helfer der „Notfallnummer“ aus der jeweiligen Nachbarschaft bringen bis zu zweimal in der Woche Lebensmittel oder Medikamente zu den Hilfesuchenden. Wann was eingekauft werden soll und wie die Bezahlung geregelt wird, machen die hilfsbedürftige Person und der Helfer miteinander aus.

Kreis Steinfurt: Meldeseite für Spontanhelfer

Der Kreis Steinfurt (Nordrhein-Westfalen), der aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus seit dem heutigen Dienstag (17.3.2020) seine sämtlichen Verwaltungsdienststellen geschlossen hat, schaltete auf seiner Internetseite eine Meldeseite für Spontanhelfer aktiv. „Das Corona-Virus fordert den Einsatz von vielen Personen. Neben den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Krisenstäbe, den Einsatzkräften, dem medizinischen Personal, etc. werden langfristig gesehen weitere Personen benötigt, um bestimmte Infrastrukturen aufrecht zu erhalten“, heißt es dort.

Helferbörse „Nett-Werk Bonn“

In Bonn entstand als Idee einer Studentin die Helferbörse „Nett-Werk Bonn“, die Unterstützung geben will bei der Versorgung von Menschen mit dem Nötigsten des täglichen Bedarfs an Lebensmitteln und Medikamenten. Bereits nach kurzer Zeit gab es über 100 Hilfsangebote für Kinderbetreuung, Hausaufgabenhilfe oder Tierpflege.

Überparteiliche Helfergruppe im Werra-Meißner-Kreis

Not schweißt zusammen – selbst Parteien, die in normalen Zeiten miteinander konkurrieren und sich beim Buhlen um die Wählergunst voneinander abgrenzen wollen. Im hessischen Werra-Meißner-Kreis haben sich die Jugendorganisationen von CDU, SPD, Grüne, Liberale und Linke zu einem Helfernetzwerk zusammengetan, das älteren Menschen, Erkrankten und Menschen in häuslicher Quarantäne unter die Arme greift. Auf die Idee dazu war Leonie Bierent von der Jungen Union im Kreis gekommen.

Stadt Zörbig organisiert Corona-Netzwerk

Der Bürgermeister der Stadt Zörbig in Sachsen-Anhalt, Matthias Egert, hat ein Corona-Helfernetzwerk organisiert und ruft die Bürger zur Unterstützung auf. Eine Koordinierungsstelle der Stadtverwaltung nimmt ab sofort Mitwirkungsangebote von Bürger entgegen und ist auch Anlaufstelle für Hilfebedürftige. Egert setzt auf die Solidarität der Bürger und erhofft sich das Mittun möglichst vieler Freiwilliger.

Als nützlich für die Versorgung Hilfebedürftiger können sich jetzt auch etablierte kommunale Ehrenamts-Onlinebörsen erweisen. Eine solche gibt es seit vielen Jahren für die Städte und Gemeinden im brandenburgischen Landkreis Oberspreewald-Lausitz. Die Zusammenarbeit von Verbänden, Vereinen, Einrichtungen und Kommunen in dem Netzwerk will für viele Aufgabenbereiche ehrenamtliche Helfer gewinnen und aktivieren. Die Online-Börse dient dabei zur schnellen Information, wo Helfer gebraucht werden.

Wolfram Markus