Heilbronn-Franken ist bekannt als Region der heimlichen Weltmarktführer. Um die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsraums zu sichern, sind in den ländlichen Ecken neue Mobilitätskonzepte gefragt. In Wolpertshausen, Igersheim oder Boxberg wurden wegweisende Elektromobilitätsprojekte realisiert.
Als einzige Großstadt in der Region Heilbronn-Franken engagiert sich Heilbronn beim Ausbau der Elektromobilität. So befindet sich derzeit in der Neckarstadt der Verein „E-Mobilität Heilbronn-Franken“ in der Gründungsphase. Zu den Initiatoren zählen die Hochschule Heilbronn, Stadt und Landkreis Heilbronn, die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, die ZEAG Energie sowie die Netzgesellschaft Heilbronn-Franken.
Die Hochschule Heilbronn will auf der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn mit dem Projekt „BUGA:log“ auch die Elektromobilität stärker ins Blickfeld rücken. „Im Rahmen des Reallabors Bugalog soll auf dem Gelände der Bundesgartenschau und des neuen Wohnquartiers Neckarbogen gezeigt werden, wie in Zukunft kleine selbstfahrende Transportfahrzeuge die letzte Meile der Logistik in dicht besiedelten Stadtquartieren abwickeln können“, sagt Prof. Dr. Tobias Bernecker.
Der Experte für Verkehrspolitik und -wirtschaft an der Hochschule Heilbronn erklärt: „Neben Bugalog interessieren uns zum einen Geschäftsmodelle für Einsatzfelder der Elektromobilität im städtischen Raum wie Lastenfahrräder oder reinelektrische Lieferwägen sowie zum anderen Marktanalysen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für die Elektromobilität im Schwerlastverkehr.“
Im Landkreis Schwäbisch Hall gilt die Gemeinde Wolpertshausen als Energiepionier. Vier Ladestationen besitzt die Bioenergiegemeinde in unmittelbarer Nähe zur Autobahn 6 bereits. Im November 2015 richtete das Energiezentrum Wolpertshausen einen Kongress für Elektromobilität aus. Dabei stand für die Teilnehmer auch eine Testfahrt mit einem Elektrobus an, der von Firma Ziehl-Abegg aus Künzelsau mit einem leistungsstarken Radnabenantrieb ausgestattet wurde. Noch in diesem Jahr sollen im Landkreis Schwäbisch Hall zudem vier Elektrobusse im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden, sobald die Finanzierung gesichert ist. Um die Elektromobilität rund um Schwäbisch Hall und Crailsheim – die beiden größten Städte im Landkreis Schwäbisch Hall – zukünftig noch stärker verorten zu können, dürften aber weitere Fördermittel erforderlich sein.
Infrastruktur ausbauen
Von Fördermitteln des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden Württemberg profitierte bei der Umsetzung des Elektromobilitätsprojektes „Mit eMo in die Zukunft“ bis zum Jahreswechsel die Stadt Ingelfingen. Durch das Projekt sollen Anreize zum Ausbau der Ladeinfrastruktur und damit zum Kauf von Elektrofahrzeugen geschaffen werden. Die Bürger würden im Wesentlichen das E-Mobilitätskonzept mittragen – die steigenden Verkaufszahlen bei E-Bikes und Pedelecs seien ein Beleg dafür. Die Mobilität von älteren Bürgern werde dadurch ebenfalls gefördert. „E-Bikes und Pedelecs fördern außerdem den Tourismus in unserem Raum“, beschreibt Carolin Sahm von der Ingelfinger Stadtverwaltung den positiven Effekt auf den Fremdenverkehr am Kocher-Jagst-Radweg. Das Ingelfinger Projekt zählt zu den 20 baden-württembergischen Modellprojekten zur Elektromobilität im ländlichen Raum.
In zwei weiteren Kommunen aus Heilbronn-Franken, Igersheim und Boxberg, laufen Modellprojekte der Elektromobilität. In Igersheim steht das Projekt „eBürger Bus – Mobilität von Bürgern für Bürger“ im Fokus. „Jetzt können auch Senioren und Bürger mit eingeschränkter Mobilität alle notwendigen Einrichtungen des täglichen Bedarfs erreichen und damit aktiv am Leben der Gemeinde teilnehmen sowie Kontakt zu den Mitmenschen halten“, so Bürgermeister Frank Menikheim. „Bürger der kleinen Ortsteile und Weiler können montags telefonisch ihren Bedarf an Mobilität auf dem Igersheimer Rathaus angeben und werden am nächsten Tag von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zum gewünschten Zielort befördert“, ergänzt Menikheim. Das ehrenamtliche Fahrerteam des Projekts ist auf einen Stamm von 20 Fahrern angewachsen. Für die Projektlaufzeit von Mai 2013 bis Dezember 2015 erhielt Igersheim von der Landesregierung einen Zuschuss in Höhe von 54.000 Euro. „Das Projekt soll voraussichtlich auch über die Förderphase hinaus fortgesetzt werden“, betont Frank Menikheim.
Ehrenamtliches Engagement
In Boxberg wurde mit dem „e-Fahrdienst Boxberg (EFB)“ ebenfalls ein wegweisendes Projekt initiiert. Das E-Bürgerauto wird seit dem Start im April 2014 inzwischen monatlich von rund 130 Bürgern genutzt (Stand: Sommer 2015). An der Umsetzung der Elektromobilitätsoffensive in Boxberg war unter anderem auch die Universität Stuttgart beteiligt. „Elektromobilität ist allen bekannten und auch teilweise begründeten Einwänden zum Trotz eine Antriebstechnologie, die auf Kurzstrecken bereits weitestgehend problemlos eingesetzt werden kann“, erläutert Benedikt Krams, Akademischer Mitarbeiter am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart. Dies betreffe aber aufgrund der heute vorhandenen Ladeinfrastruktur primär urbane Räume. „Unser Forschungsansatz vertritt die These, dass Elektromobilität aber auch in ländlich geprägten Räumen wie beispielsweise dem Main-Tauber-Kreis funktionieren kann“, so Krams.
Die Vorteile eines Bürgerfahrdienstes mit umweltfreundlichen Fahrzeugen betont Bürgermeister Christian Kremer. „In einer Stadt wie Boxberg mit rund 6700 Einwohnern, die sich auf 13 Stadtteile verteilen, wird auch in Zukunft ein ausreichender öffentlicher Nahverkehr ,wie er in größeren Städten üblich ist, nicht möglich sein“, so der Rathauschef.
Beim Ausbau der Elektromobilität in Boxberg mischt ebenfalls der Verein „Wir verbinden Boxberg (WvB)“ seit seiner Gründung im Jahr 2013 kräftig mit. „Es gab eine Befragung der Boxberger Haushalte, die einen Mobilitätsbedarf aufgedeckt hat“, sagt die Vereinsvorsitzende Vera Herzog. Die Vereinsmitglieder befördern auf ehrenamtlicher Basis die Bürger mit dem E-Mobil durch die einzelnen Stadtteile. Die Förderphase der Landesregierung in der Modellgemeinde Boxberg lief am 31. Dezember 2015 aus. „Weitere Fördermittel für den Verein zur Installierung weiterer öffentlicher Ladestationen wären wünschenswert“, hofft Vera Herzog.
Andreas Scholz
Der Autor
Andreas Scholz, Schwäbisch Hall, ist freier Journalist