Betreibermodell: Gemeinsame Sache

Drei Kommunen in Nordrhein-Westfalen betreiben den Breitbandausbau in einer gemeindeübergreifenden Kooperation. Der Bürgermeister und der Kämmerer der Stadt Bergkamen erläutern die Organisation des neugegründeten Eigenbetriebs.

Die Versorgung des Stadtgebiets mit einer leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur ist für die Kommunen derzeit eine wichtige Aufgabe. Für deren Bewältigung haben sich die Städte Bergkamen, Kamen und die Gemeinde Bönen im Kreis Unna mit ihren zusammen 110.000 Einwohnern zusammengeschlossen. Das Besondere bei dieser Zusammenarbeit ist die für Nordrhein-Westfalen seltene Wahl des Betreibermodells in Verbindung mit einer interkommunalen Kooperation. Wir haben Strukturen der Zusammenarbeit entwickelt, die effizient und wirtschaftlich sind, da sie ohne zusätzliche Gremien und Personal auskommen. Schnelle Entscheidungswege sowie geringe Transaktionskosten waren das Ziel.

Interkommunal werden drei Förderprogramme parallel bearbeitet: der FTTB-Ausbau (Glasfaserausbau bis zum Gebäude) der weißen NGA-Flecken (NGA: Next Generation Access) im Betreibermodell (Investitionssumme mindestens 14 Mio. Euro und 100-prozentige Förderung) zum Anschluss von 1600 Adressen mit rund 160 Kilometer Netz. Dazu kommen der Sonderaufruf Gewerbegebiete und die Gigabitanbindung der Schulen. Alle Programme haben unterschiedliche Regularien und unterschiedliche Bedeutung für die Partnerstädte.

Die Besonderheit dieser interkommunalen Kooperation liegt in den Strukturen. Die Stadt Bergkamen ist als Antragstellerin des gemeinsamen Infrastrukturförderantrages federführende Kommune. Das bedeutet, dass die Stadt Bergkamen den Förderantrag für alle drei Kommunen gestellt hat und alle Pflichten aus dem Förderverfahren erfüllen muss – auch auf dem Hoheitsgebiet anderer Kommunen. Es war ein Zeichen von Vertrauen, dass die beiden Partnerstädte Aufgaben delegiert haben.

Diese Form der Zusammenarbeit musste aber zunächst in eine kommunalrechtlich klare Regelung gegossen werden. Die Partnerkommunen waren sich schnell einig. Statt Gründung einer GmbH oder eines Zweckverbandes setzen wir auf bestehende Strukturen und haben einen interkommunalen Eigenbetrieb gegründet, der als Sondervermögen vom städtischen Haushalt separat bewirtschaftet und geprüft wird. Er kommt ohne eigenes Personal aus, da die Betriebsleitung durch den Beigeordneten/Stadtkämmerer nebenamtlich ausgeführt wird.

Kooperationsvereinbarung regelt Mitsprache- und Beteiligungsrechte

Der Kämmereileiter und der Leiter der Wirtschaftsförderung verantworten den kaufmännischen und technischen Bereich des Betriebes. Weiteres Fachpersonal wird im Wege der Verrechnung von den Fachämtern bei Bedarf bereitgestellt. Die politische Kontrolle wird durch den bereits bestehenden Betriebsausschuss der Stadt Bergkamen wahrgenommen, der über alle laufenden Verfahren des Eigenbetriebes Breitband Bergkamen (BBB) unterrichtet wird.

Die Kooperationspartner sollen im Eigenbetrieb mitentscheiden können, ohne dass es dafür einen rechtlichen Rahmen gibt. Gelöst haben wir dieses Problem durch eine umfassende Kooperationsvereinbarung, die entsprechende Mitsprache- und Beteiligungsrechte regelt sowie Klauseln zur internen Verrechnung zwischen den Kommunen, Haftung, Delegation von Aufgaben, Zuständigkeiten enthält. Auf der Grundlage dieses öffentlich-rechtlichen Vertrages wurde ein Lenkungsausschuss eingerichtet, in dem Vertreter aller drei Verwaltungen zusammenarbeiten. Dieser tagt mehrmals pro Jahr und trifft alle wesentlichen Entscheidungen. Die Betriebsleitung bereitet diese Sitzungen vor und berichtet über alle laufenden Verfahren. Im Tagesgeschäft berät und entscheidet die Betriebsleitung.

Vereinfacht könnte man sagen: Wir haben eine neue verwaltungsorganisatorische Ebene geschaffen, die mehr ist als ein Eigenbetrieb, aber weniger als ein Zweckverband und die das Beste aus beiden Welten kombiniert. Dies wurde mit der Kommunalaufsicht abgestimmt.

Die Kommunikation gegenüber Presse und Politik wird vom BBB für alle Partner vorbereitet und von den Vertretern der Partnerverwaltungen entsprechend weitergetragen. Derzeit entsteht ein gemeinsamer Internetauftritt, damit die Bürgerinnen und Bürger der drei Kommunen für alle Fragen einen einheitlichen Ansprechpartner bekommen.

Schnell mussten wir feststellen, dass neben dem technischen Berater, der MICUS Strategieberatung, und dem rechtlichen Berater ein Projektsteuerer an Bord musste. Dieser sollte auch Generalplaner sein, damit wir auf der technischen Seite stärker aufgestellt sind.

Verbunden hat die drei Kommunen das gemeinsame Ziel: eine eigene leistungsfähige öffentliche Breitbandinfrastruktur schaffen und erhalten. Erreichen wollen wir dieses Ziel gemeinsam mit viel Arbeitseinsatz und Vertrauen in die interkommunale Kooperation.

Roland Schäfer / Marc Alexander Ulrich

Die Autoren
Roland Schäfer ist Bürgermeister der Stadt Bergkamen sowie Präsident des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen, Marc Alexander Ulrich ist Beigeordneter und Stadtkämmerer von Bergkamen sowie Betriebsleiter Breitband Bergkamen

Info: Tipps der Praktiker

Die Macher des Eigenbetriebs Breitband Bergkamen geben Tipps zum Vorgehen bei Breitbandausbau-Kooperationen und warnen vor Fallstricken:

  • Das Betreibermodell erfordert in der Planungs- und Umsetzungsphase einen deutlich höheren Aufwand für die beteiligten Kommunen. Das hat aber Vorteile: Die Kommune wird Eigentümerin einer hochwertigen und zukunftsfähigen Telekommunikationsinfrastruktur. Bei zukünftigen Nachverdichtungen des Netzes hat man große Gestaltungsspielräume, die im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitslückenförderung so nicht bestehen.

  • Öffentlich-rechtliche Kooperationsvereinbarung frühzeitig mit Rechtsberatern/Rechtsamt entwerfen und mit Kommunalaufsicht abstimmen. Das Projekt bis zum Ende denken: Planungsphase, Bauphase, Pachtphase, Verwendungsnachweis.

  • Aufgaben abgebende Kommunen immer eng einbinden. Die federführende Kommune muss sich als Dienstleisterin verstehen und zuarbeiten.

  • Sich über Risiken klar werden: Federführende Kommune haftet für den gesamten Förderzeitraum und Förderbetrag. Daher Risiken entsprechend vertraglich absichern.

  • Steuerrechtliche Fragen erkennen und prüfen: Die Umsatzsteuerpflicht nach Paragraf 2b UStG hat Vorteile (Vorsteuerabzug) und Nachteile (interkommunale Verrechnung ist umsatzsteuerpflichtig). Steuerberater früh einschalten.

  • Externe Projektsteuerung frühzeitig beauftragen, kann teilweise förderfähig sein.

  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit konzeptionell und gemeinsam erarbeiten. Jede Kommune muss sich wiederfinden.

  • Unterschiedliche haushaltsrechtliche Voraussetzungen beeinflussen die Betriebsführung des Eigenbetriebes, so zum Beispiel die Eigenanteile bei Haushaltssicherungskommunen.

  • Vertrauen und Loyalität im Interesse der Sache aufbauen.