Bedrohter Lebensraum

Der Erhalt von (Stadt-)Bäumen spielt bei Bauvorhaben meist eine untergeordnete Rolle. Warum hier ein Umdenken stattfinden und wie ein Baumschutzkonzept umgesetzt werden sollte, erklärt Lena Zühlke, Sachverständige für Baumschutz.

Bei Leitungsarbeiten leiden die Wurzeln, und bei Bauvorhaben werden allzu oft Bäume entfernt. Dabei sind sie gerade in urbanen Räumen enorm wichtig. Foto: Adobe Stock/Pelinni

Stadtbäume in der späten Reife- oder sogar Altersphase haben nicht nur eine ästhetische Funktion und sorgen auch nicht nur für ein angenehmes Wohnumfeld. Sie haben zudem eine essenzielle ökologische Funktion. Dass der Lebensraum für wildlebende Tierarten immer mehr verloren geht, ist heute allgemein bekannt. Weniger bewusst ist vielen aber das Ausmaß: Die Situation ist dramatisch.

Denn gerade Altbäume mit ihren Schadsymptomen stellen wichtige Brut- und Lebensstätten für wildlebende Tierarten dar. Angesichts des drastischen Artenrückgangs, den wir gerade erleben, ist es notwendig, diese Altbäume mit ihren Habitatstrukturen zu erhalten.

Im Zuge von Baumaßnahmen allerdings werden Bäume häufig entweder nicht beachtet oder als Störfaktoren angesehen. Bei Bauvorhaben werden sie selten in die Planung einbezogen, und auch Schutzkonzepte für ihren Erhalt sind leider noch immer eine Rarität.

Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Bäume Bauvorhaben zum Opfer fallen, ist es höchste Zeit, dass in Städten verstärkt Schutzkonzepte für Bauvorhaben gefordert werden. Heute wird Bauwerken — vor allem im gewerblichen oder industriellen Bereich — eine Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren zugeschrieben. Das heißt: Eine langlebige Baumart kann mehrere Bauvorhaben erleben.

Straßenbäume sind außerdem immer wieder Eingriffen in ihren Wurzelraum ausgesetzt, wenn der Fußweg zur Verlegung von Leitungen aufgegraben wird. Fachkreise prognostizieren bereits, dass die neue Generation von Straßenbäumen durchschnittlich eine maximale Lebenserwartung von lediglich rund 40 Jahren haben wird. Denn bei jedem Eingriff in den Boden im Traufbereich von Bäumen, wie beispielsweise bei der Verlegung von Kabeln, können ihre Wurzeln beschädigt werden: Der überwiegende Anteil des Wurzelfundaments befindet sich in nur 20 bis 40 Zentimeter Tiefe.

Leider entdeckt man Schäden an Bäumen, die eine verminderte Vitalität oder eine beeinträchtigte Stand- beziehungsweise Bruchsicherheit zur Folge haben können, oft erst Jahre nach Abschluss einer Baumaßnahme. Dann aber sind die Bauaktivitäten nicht mehr eindeutig als Ursache für den Schaden festzustellen. Die Kosten für den Erhalt geschädigter Bäume oder deren frühzeitige Fällung tragen anstelle des Verursachers die Kommunen. Zudem sind die Kommunen verantwortlich für geschädigte Bäume, da sie verkehrssicherungspflichtig sind.

Es liegt also im Eigeninteresse der Stadtverwaltungen, Baumschutzmaßnahmen bei Bauvorhaben von den Bauherren einzufordern. Baumschutz beziehungsweise baumpflegerische Baubegleitung ist dennoch häufig noch kein verpflichtender Bestandteil im Baugenehmigungsverfahren. Er ist auch nicht als Position im Leistungsverzeichnis der beteiligten Firmen enthalten.

Bäume schützen – und kosten sparen

In einem Baumschutzkonzept wird geklärt, wie die Schutzmaßnahmen aus der DIN 18920 in den individuellen Situationen der unterschiedlichen Baustellen angewendet werden. Nachdem das individuelle Konzept für ein Bauvorhaben mit den Architektinnen und Architekten sowie der Bauleitung erarbeitet wurde, übernimmt die Fachbauleitung Baumschutz die Umsetzung des Konzepts in der Praxis. Sie überwacht die Einhaltung der Baumschutzmaßnahmen.

Bei einfachen oder kurzfristigen Eingriffen wie der Verlegung von Glasfaserkabeln genügt eine baumpflegerische Baubegleitung, die berät und die ausführenden Gewerke unterstützt. Zudem dokumentiert sie die Arbeiten in sogenannten Wurzelprotokollen, die ins kommunale Baumkataster eingepflegt werden können. Das schafft nicht nur Sicherheit für die ausführenden Tiefbauunternehmen, weil hinterlegt ist, dass sie sich an Auflagen gehalten haben. Es spart den Gemeinden auch langfristig Kosten für die Pflege und den Erhalt des Baumbestandes.

Aber auch in den Kommunen, in denen es keine Baumschutzsatzungen gibt, gilt das Bundesnaturschutzgesetz, nach dem etwa Alleen geschützte Landschaftsbestandteile sind. Ebenso gelten bei öffentlichen Ausschreibungen nach VOB die Richtlinien zum Schutz von Bäumen und Vegetationsbeständen bei Baumaßnahmen (R SBB) beziehungsweise die DIN 18920, die den Schutz von Bäumen und Vegetationsbeständen bei Baumaßnahmen beschreibt.

Häufig reichen die rechtlichen Vorgaben bereits aus, um Bäume zu schützen und die Kommunen vor unnötigen Folgekosten zu bewahren. Die Einhaltung dieser Vorgaben muss jedoch von den Städten und Gemeinden gefordert und mit Fachpersonal überwacht werden.           

Lena Zühlke


Die Autorin

Dr. Lena Zühlke ist Fachagrarwirtin für Baumpflege und Baumsanierung. Sie ist Mitgründerin des Unternehmens Arbor Analyst GmbH in Hamburg.